AERZTE Steiermark | Februar - page 32-33

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Ærzte
Steiermark
 || 02|2015
Der Wohlfahrtsfonds ist
die schlechteste aller Vorsorgeformen – abgesehen von all den
anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind. (Frei nach Winston Churchill).
Foto: Shutterstock
Warum ist der
Wohlfahrtsfonds
verpflichtend?
Immer wieder hört man:
Ich habe ja nichts gegen den
Wohlfahrtsfonds (WFF), aber
freiwillig sollte die Nutzung
sein, so wie eine private Ver-
sicherung. Nun ist aber die
Beitragsleistung zum Wohl-
fahrtsfonds (so wie die zur
staatlichen Pensions- und So-
zialversicherung) gesetzlich
fixiert. Die Beitragsleistung
zum Wohlfahrtsfonds redu-
ziert so die Lohn- oder Ein-
kommenssteuer.
Ist der Wohlfahrtsfonds
komplett verpflichtend?
Grundsätzlich ja. Aber es gibt
weitreichende Ermäßigungs-
möglichkeiten. Ob das für den
Einzelnen sinnvoll ist, kann
nur individuell entschieden
werden – es hängt von objek-
tiven Faktoren ab und von der
individuellen Lebensplanung.
Der Wohlfahrtsfonds bietet
hier Informationsgespräche an.
Wie kann der Wohl­
fahrtsfonds bessere
Ergebnisse als private
Vorsorgemodelle
erzielen?
Bei der Veranlagung ist der
Wohlfahrtsfonds im Schnitt
nicht besser oder schlechter
als private Anbieter (er ist nur
etwas konservativer, daher
in wirtschaftlich schlechten
Zeiten eher erfolgreich als
Private und in guten Zeiten
etwas weniger ertragreich.
Betrachtet man die Ergeb-
nisse des Wohlfahrtsfonds im
Vergleich zu Pensionskassen,
ist der Veranlagungserfolg der
Der Wohlfahrtsfonds­
beitrag in der letzten
Gehaltsabrechnung
hat mir einen Schock
versetzt. Er ist massiv
gestiegen. Das kann
doch nicht sein?
Natürlich steigt der Beitrag
mit dem Bruttoeinkommen,
(das aber linear, das heißt der
Prozentsatz bleibt gleich), da-
mit steigen aber auch die Pen-
sionsansprüche. Sie steigen
aber auch (bei Angestellten)
mit dem Alter: Bis zum 34.
Lebensjahr sind es 9,08 Pro-
zent, bis zum 40. Lebensjahr
10,7, bis zum 45. Lebensjahr
weiter 13,52 und ab dem 46.
Lebensjahr 14,93 Prozent. Die
Wohlfahrtsfonds-Pension hat
aber Säulen: die Grund- und
Ergänzungsleistung sowie
Beitragsorientierte Zusatz-
versorgung (BZV) ab Voll-
endung des 35. Lebensjahres
und bei Erreichung einer be-
stimmten Einkommenshö-
he (rund 5.400 Euro Brutto-
grundgehalt pro Monat bei
Angestellten). Wenn mehrere
Effekte zusammenkommen
(Erreichung des Alters und
Erhöhung des Einkommens),
fällt die Beitragserhöhung
deutlicher aus, damit aber
auch der Pensionsanspruch.
letzten zehn Jahre praktisch
gleich). Aber …
… durch den Steuervorteil
ist die tatsächliche Veran-
lagungssumme beim Wohl-
fahrtsfonds praktisch doppelt
so hoch wie bei einem pri-
vaten Angebot. Mit anderen
Worten: Um eine Veranla-
gungssumme von 1.000 Euro
beim Wohlfahrtsfonds bei
einem privaten Anbieter zu
erreichen, müssten Sie 2.000
Euro des Bruttobezugs ein-
setzen.
… die Verwaltungskosten
beim Wohlfahrtsfonds liegen
seit Jahren unter drei Prozent.
Die (Neben-)Kosten bei pri-
Den BZV-Beitrag kann man
aber ermäßigen lassen, wenn
man stattdessen eine private
Altersvorsorge bevorzugt.
Der WFF-Beitrag
enthält einen Pen­
sions- und einen Ver­
sicherungsbeitrag?
Wie verteilt sich das?
Gute Frage. Sie lässt sich
nicht generell beantworten.
Der Pensionsbeitrag steigt
mit dem Alter, der Versiche-
rungsanteil sinkt. Schauen
wir uns den Pensionsanteil
und den Anteil für die Be-
stattungsbeihilfe und Hinter-
bliebenenunterstützung bei
einem angestellten Arzt bis
zum 34. und bei einem ab
dem 46. Lebensjahr an: Beim
Jüngeren beträgt der Pensi-
onsanteil knapp 91 Prozent,
vaten Renten- (= Pensions-)
und Lebensversicherungen
können aber bis zu fast 30
Prozent ausmachen.
Dazu ein fiktives Rechen-
beispiel:
Nehmen wir einen
(männlichen) Arzt, Jahrgang
1950, der vom 35. Lebensjahr
an 12.000 Euro seines Brutto­
einkommens investiert. Bei
Veranlagungserfolg von 2,5
Prozent hat er am Ende des
Jahres, in dem er 65 gewor-
den ist, ein Vermögen von
rund 542.000 Euro erreicht.
Bei einem vergleichbaren
privaten Angebot, bei dem
aufgrund der steuerlichen
Nachteile nur 5.100 Euro als
Nettobeitrag übrigbleiben,
beim Älteren über 96 Prozent.
Krankenbeihilfe und Not-
standsunterstützung bleiben
prozentuell gleich.
Wichtig: Die Versicherungs-
und Versorgungsansprüche
gelten ab dem ersten Tag
– auch die Ansprüche von An-
gehörigen.
Wie sicher ist der
Wohlfahrtsfonds?
Der Wohlfahrtsfonds wird
versicherungsmathematisch
begleitet. Es spielen ja viele
Faktoren eine Rolle: Wie ent-
wickelt sich die Wirtschaft?
Wie viele Ärzte gibt es? Wie
entwickelt sich die durch-
schnittliche Lebenserwar-
tung? Wie die Einkommen?
Es gibt zwei Szenarien: Im
schlechtesten Fall (wenn die
sind es nur 237.516 Euro. Die
Wohlfahrtsfonds-Pension ist
allerdings zu versteuern, aber
selbst wenn man das berück-
sichtigt, ist der Vermögens-
vorteil aus dem Wohlfahrts-
fonds um 90.000 Euro höher.
Aber die Prognosen bei
Rentenversicherungen
o. ä. klingen oft viel
besser als die des
Wohlfahrtsfonds …?
Dabei muss man zwischen
„Leistungsprognosen“ und
tatsächlichen Leistungszusa-
gen unterscheiden. Prognosen
sind (das findet man leider
oft nur im Kleingedruck-
ten) unverbindlich. Der WFF
weist daher die aktuellen
Leistungszusagen aus, private
Anbieter arbeiten aber aus
Marketinggründen oft mit
zu optimistischen Prognosen
und Projektionen.
Dazu ein Beispiel der Arbei-
terkammer Wien für eine
Rentenversicherung, in der
die Effektivverzinsung darge-
stellt wird: Die Rendite liegt
bei einer 30jährigen Frau,
einer Prämienzahlungsdauer
von 30 Jahren (100 Euro pro
Monat) und einer angenom-
menen Lebenserwartung von
84 Jahren zwischen 0,1 und
0,3 Prozent.
Ein 35-jähriger Mann, der 30
Jahre Prämie (100 Euro pro
Monat) einzahlt und danach
eine Rente (bis zum Tod bzw.
79 Jahre) kassiert, steigt sogar
mit einem Minus aus: Die Mi-
nus-Rendite beträgt zwischen
–1,2 und –1,6 Prozent (aus: AK
Wien: Private Rentenversiche-
rungen, 2012).
Ärztezahl stagniert) bleibt das
Vermögen stabil, im besten
Fall (bei moderaten Erhöhung
der Ärztezahlen von einem
Prozent pro Jahr) steigt es
leicht an. Die erworben An-
sprüche bleiben also langfri-
stig gesichert.
Die bekannten Prognosen für
die ASVG-Pensionen sind
dagegen eher düster, wie jeder
weiß.
Man kann also über den
Wohlfahrtsfonds das sa-
gen, was Winston Churchill
über die Demokratie gesagt
hat: „Demokratie ist die
schlechteste aller Regierungs-
formen – abgesehen von all
den anderen Formen, die von
Zeit zu Zeit ausprobiert wor-
den sind …“
wirtschaft
&
Erfolg
wirtschaft
&
Erfolg
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Weiteführende Links:
Darstellung des Wohlfahrtsfonds auf der Website der Ärztekammer Steiermark:
Bericht der Arbeiterkammer Niederösterreich zu den betrieblichen Vorsorgekassen:
Studie von Arbeiterkammer Wien und VKI zu privaten Rentenversicherungen:
Rentenversicherungen.pdf
„Die Renditen (also die Effektiv­
verzinsung aus der Sicht der
VersicherungsnehmerInnen)
der sieben getesteten Renten­
versicherungsprodukte fallen
äußerst bescheiden aus oder
können sogar zum Minus-
Geschäft werden.“
AK Wien: Private Rentenversicherungen
(2012)
„Im Detail verrechneten die
Abfertigungskassen 2013
zwischen 23,0 % und 71,0 % der
Veranlagungserträge als Kosten
weiter.“
Aus: AK Niederösterreich,
„Performancebericht der Betrieblichen
Vorsorgekassen 2013 (November 2014)“.
Richtige Fragen zum Wohlfahrtsfonds
und richtige Antworten
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