AERZTE Steiermark | Februar - page 12-13

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Ærzte
Steiermark
 || 02|2015
Ærzte
Steiermark
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heike jantschner
„Sind Sie versichert?“ Das ist
die erste Frage, die die Ärz-
tinnen Irene Holzer und Eva
Czermak ihren PatentInnen
stellen. Denn 45 Prozent der
1.770 PatientInnen der Mari-
enambulanz waren es im ver-
gangenen Jahr nicht. Die bei-
den Medizinerinnen betreuen
Menschen, die im Schatten
der Gesellschaft leben: Ob-
dachlose, Flüchtlinge, Asyl-
werberInnen, MigrantInnen,
Mittellose. Menschen ohne
Versicherungsschutz werden
in diesen Räumlichkeiten
nicht nur untersucht, sondern
bekommen darüber hinaus
alle notwendigen Medika-
mente.
Grippe oder Angina sind
schnell in den Griff zu be-
kommen, teuer und langwie-
rig ist die Behandlung von
chronischen Erkrankungen,
weiß Eva Czermak, organi-
satorische Leiterin. Heuer ist
der Medikamentenbedarf hö-
her denn je. Zu den teuersten
Posten gehören Asthmasprays
und Psychopharmaka.
Die notwendigen Medika-
mente werden großteils rela-
tiv kostengünstig über eine
Apotheke bezogen, manche
werden auch von ÄrtzInnen,
Pharmafirmen oder Privat-
personen gespendet. Das Be-
schaffen der Medikamente
ist nur ein Teil von Czermaks
Aufgabengebiet. Sie hält das
gesamte Ambulatorium am
sich aber von den einzelnen
Schicksalen und Lebensläufen
auch abgrenzen. Das Team
wird täglich mit der harten
Realität konfrontiert, die man
sonst nicht sieht. „Man muss
sich allerdings bewusst sein:
Wir können zwar helfen, wir
können aber nicht die ganze
Welt retten“, bringt es Holzer
auf den Punkt.
Erfolgreich
angekommen
Wenn es den Menschen bes-
ser geht, wenn beispielswei-
se ein Asylverfahren positiv
abgeschlossen wird, sie ei-
nen Job finden, krankenver-
sichert sind, verlassen sie die
Betreuung der Caritas. „Sie
suchen sich
meist einen
Hau s a r z t ,
wenn sie
nicht mehr
auf das nie-
Vor einigen Jahren wur-
de zusätzlich die „rollende
Ambulanz“ eingeführt: Ein
Kleinbus, der Notschlafstellen
und öffentliche Plätze anfährt,
um noch mehr Menschen zu
erreichen. Neben Untersu-
chungen und Therapien gibt
es noch eine Sozialarbeiterin,
die versucht, PatientInnen
eine Krankenversicherung zu
ermöglichen und bei Rezept-
gebührenbefreiung oder An-
suchen um Mindestsicherung
hilft.
Freiwillige
HelferInnen gesucht
Eva Czermak und Irene Hol-
zer sind immer auf der Suche
nach ÄrztInnen für den Ver-
tretungspool, Allgemeinme-
dizinerInnen zum Aufstocken
für die „rollende Ambulanz“
und niedergelassenen Fach-
ärztInnen, die ihre Dienste
kostenfrei in ihren Praxen
Laufen: Abrechnungen, das
Organisieren von Fortbil-
dungen und Subventionsan-
suchen gehören zu den täg-
lichen Arbeiten. Und letzteres
ist das A und O, denn die
Marienambulanz der Caritas
lebt von Spenden und Subven-
tionen. Hauptfinanzierer sind
die GKK und der Gesund-
heitsfonds Steiermark.
Steigende Nachfrage
Was 1999 in einer 40 Qua-
dratmeter großen Einrich-
tung begann, hat sich heute
zu einer ansehnlichen Praxis
mit zwei Ordinationsräumen
und einem Behandlungsraum
entwickelt – auf insgesamt
250 Quadratmetern. Die Pati-
entInnenzahlen würden jähr-
lich steigen, unterstreicht die
ärztliche Leiterin Irene Hol-
zer. Auch Versicherte nützen
das niederschwellige Angebot,
meist sind es MigrantInnen,
weil es hier Dolmetscher­
Innen gibt. Von den Krank-
heitsbildern unterscheidet
sich die Praxis nur wenig
von anderen: Die häufigsten
Beschwerden sind chronische
Schmerzen, akute Infekte,
Diabetes, Hypertonie, Hau-
terkrankungen, Suchtkrank-
heiten und psychische Er-
krankungen. Oft könne man
gesundheitliche Probleme be-
handeln, bevor sie chronisch
werden. Nichtversicherte kä-
men oft im fortgeschrittenen
Stadium. „Denn für sie ist es
eine große Barriere, das er-
ste Mal hierher zu kommen“,
schildert Holzer. „Aber jeder
Mensch hat eine adäquate
medizinische Versorgung ver-
dient.“
Vom Ehrenamt
zur Berufung
Beide Ärztinnen begannen
als „Ehrenamtliche“ in der
Marienambulanz. Fast zwei
Jahre lang kam Eva Czermak
nach dem Medizinstudium
jeden Tag und half aus. Nicht
zuletzt deshalb, weil sie sich
während ihres Studiums zehn
Fremdsprachen angeeignet
hatte und diese Fähigkeiten
in der Praxis gut einsetzen
konnte – von Russisch bis
Chinesisch. Ein wesentlicher
Faktor, denn rund 90 Prozent
der PatientInnen sind Mi-
grantInnen.
Irene Holzer ist Arbeitsme-
dizinerin, das alleine war ihr
allerdings zu wenig. Zuerst
arbeitete sie im Vertretungs-
pool der ehrenamtlichen
ÄrztInnen, inzwischen ist sie
fixer Bestandteil des Teams
und ärztliche Leiterin.
Man bekomme sehr viel zu-
rück, sind sich beide Ärz-
tinnen einig. Man müsse
derschwellige Angebot ange-
wiesen sind“, betont Holzer.
Solche Entwicklungen freuen
die MitarbeiterInnen. Denn
schließlich wird die Inte-
gration der PatientInnen in
das bestehende Gesundheits-
und Sozialsystem angestrebt.
„Wir weisen sie darauf hin,
dass sie, wenn es ihnen besser
geht, auch Verantwortung
tragen müssen. Zum Leben
in Österreich gehört, dass
man sich krankenversichern
lässt.“
„Es ist ein schöner Job, ein
guter Job“, sind sich beide
Ärztinnen einig. Obwohl sie
täglich mit persönlichen Pro-
blemen von sozial schwachen
Menschen in Berührung
kommen, lassen sie sich nicht
entmutigen, sondern sehen
täglich die Notwendigkeit der
Einrichtung, die Notwendig-
keit ihrer Dienste.
anbieten wollen.
Nähere Informationen:
Tel. 0316/8015 361.
Spendenkonto:
Caritas Diözese Graz Seckau
AT 346 0000 0000 792 5700
Verwendungszweck:
Marienambulanz
serie
Arzt im besonderen Dienst
Die im Dunklen sieht man nicht
Armut macht krank
– Krankheit macht arm. In der Ma-
rienambulanz der Caritas in Graz kämpfen ÄrztInnen wie
Irene Holzer und Eva Czermak für das Recht auf eine ad-
äquate medizinische Versorgung für jeden Menschen.
Fotos: Gubisch
„Jeder Mensch hat eine
adäquate medizinische
Versorgung verdient.“
Irene Holzer
Die Ärztinnen Eva Czermak (li.) und Irene Holzer (re.) leiten gemeinsam die Marienambulanz. Beide begannen als „Ehrenamtliche“.
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