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Ærzte
Steiermark
 || 04|2014
sterbehilfe
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Die Arbeitsgemeinschaft „Ethik“
der ÖGARI (Österreichische
Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivmedi-
zin) bezieht zur Diskussion rund um das Thema Sterbehilfe Stellung.
Die Gruppe praktizierender
AnästhesistInnen, Intensiv-
und PalliativmedizinerInnen,
spricht sich dabei unmiss-
verständlich gegen eine Lo-
ckerung der derzeit gültigen
Gesetze bezüglich aktiver Ster-
behilfe aus.
Argument „unbeherrsch­
barer Schmerz“
Die Diskussionen rund um
das Thema „Sterbehilfe“ wer-
den zumeist mit dem Ar-
gument des sich in „unbe-
herrschbarem Schmerz win-
denden Patienten“ eröffnet,
um in der Gesellschaft die
intuitive Plausibilität eines
„Notausganges“ aufzuzeigen.
Dies ist aus Sicht der ARGE
„Ethik“ nicht nachzuvollzie-
hen! Denn eine weitgehend
befriedigende Schmerzthe-
rapie ist mit modernen Me-
dikamenten und Verfahrens-
weisen zu erreichen. Selbst
ultimative Möglichkeiten, wie
narkoseähnliche Zustände
der „Sedierung“, die erfah-
renen Ärzt­Innen auch noch
bei einem ausgeschöpften Re-
pertoire zur Verfügung stehen,
erlauben eine Hilfe, zumeist
sogar in ausweglos erschei-
nenden Situationen. Freilich
soll nicht verschwiegen wer-
den, dass das – vom Schmerz
unabhängige – „Leiden“ am
zu Ende gehenden Leben ein
konstitutives Element des fra-
gilen menschlichen Lebens
darstellt, ein Gedanke, der
in einer vorwiegend auf Spaß
und Erlebnis ausgerichteten
Gesellschaft fast gänzlich aus-
geblendet bleibt. Sich diesen
Gedanken, die
jeden
Men-
schen einmal betreffen, nicht
stellen zu müssen und da-
her durch aktive Sterbehilfe
dem Tod „zuvor zu kommen“,
bzw. es als „würdelos“ zu
qualifizieren, den Augenblick
des Todes nicht selbst steu-
ern zu dürfen, übersieht die
grundlegenden Dimensionen
menschlichen Lebens!
Argument „Recht auf
Selbstbestimmung“
In den Diskussionen wird
zudem auf das Recht auf
Selbstbestimmung verwiesen,
dem selbstverständlich auch
die ARGE „Ethik“ eine zen-
trale Bedeutung zuerkennt.
Jedoch muss auch dieses Ar-
gument kritisch hinterfragt
werden, beobachtet man die
tendenziell unauf haltsame
Überdehnung gerade in jenen
Ländern, in denen die Tötung
auf Verlangen straffrei gestellt
wurde: Vom zunächst klar
und über einen längeren Zeit-
raum hinweg geäußerten Wil-
len, über den mutmaßlichen
Willen, bis hin zur bloßen
Lebensqualitätseinschätzung
durch Dritte. Die allgemein
als Maßstab der Entschei-
dung genannte Selbst-Bestim-
mung relativiert sich auch
angesichts von Beeinträchti-
gungen durch psychische Be-
lastungen (z. B. Depression!)
bis hin – wie eben jetzt in
Belgien – zur grundsätzlichen
Fragwürdigkeit einer schon
ausreichend freien Willensbil-
dung und Folgenabschätzung
bei jüngeren Kindern, die ins-
besondere auch der Suggesti-
on der Umgebung besonders
ausgesetzt sind!
Selbstbestimmung
und Selbstwertgefühl
Die freie Selbstbestimmung
steht zudem in Frage, wenn
der Stellenwert gewisser Be-
völkerungsgruppen – oft auch
aus ökonomischen Gründen
– bedenklich niedrig einge-
schätzt wird, wie dies derzeit
bei alten und hochbetagten
Menschen, Menschen mit
großen Defiziten bei kogni-
tiven Fähigkeiten oder sozi-
alen Randgruppen zu beo-
bachten ist.
Sinkt in der Folge das Selbst-
wertgefühl dieser Menschen
und steigt die Vermutung ei-
ner eigenen „Nutzlosigkeit“,
kann allzu leicht Tod als Ver-
meidung eines Lebens, in wel-
chemdieWürde desMenschen
nicht mehr gesichert erscheint,
als Ausweg erscheinen! „Ster-
bewilligkeit“ kann schließ-
lich auch dann als „logischer“
angesehen werden, wenn in
der Gesellschaft bestimmte
Krankheiten – später wohl
auch wieder Behinderungen!
– allgemein als „unannehmbar“
angesehen werden!
Sicherung der
Selbstbestimmung
Die in der Diskussion so oft zi-
tierte Sicherung der Selbstbe-
stimmung – bis hin zu einem
unvermeidbaren, aber gelun-
genen Lebensende in bestmög-
licher Lebensqualität – hat in
Österreich Instrumente wie
die Patientenverfügung und
die Vorsorgevollmacht her-
vorgebracht, eine Entwicklung
die von der ARGE „Ethik“
ausdrücklich begrüßt wur-
de, da ihre Hilfsmächtigkeit
gerade auch im intensivme-
dizinischen Bereich erkannt
wurde. Es ist uns ein Anliegen,
dass diese Instrumente in der
Gesellschaft ernst genommen
und daher verstärkt kommu-
niziert werden sollten. Die
sorgfältige Behandlung der
Thematik sollte dabei auch
nicht vor den jungen Men-
schen (8. Schulstufe AHS)
haltmachen müssen, wie dies
Selbstbestimmung
bis zum Lebensende
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