Fotos: Schiffer, Beigestellt
Ærzte
Steiermark
 || 04|2014
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elga
Offener Briefabtausch
NAbg. Erwin Spindelberger hat Da-
tenschützer Hans Zeger die Vorteile
von ELGA nahebringen wollen. Der
reagierte in einem Offenen Brief.
Wir bringen Auszüge.
(…) Sie behaupten, dass „… Pati-
entinnen und Patienten daher in der
Vergangenheit auch nicht nachvollziehen
konnten, wer auf ihre Gesundheits-
daten zugegriffen hat“. Selbstverständlich
konnten Patienten in der Vergangenheit
nachvollziehen, wer auf ihre Patien-
tendaten zugegriffen hatte. Durch die
ausschließliche Speicherung der Daten
beim behandelnden Arzt und dem behan-
delnden Spital, auf Grund des Ärztege-
heimnisses und des Datenschutzgesetzes
konnten die Patienten sicher sein, dass
nur dort, wo sie behandelt wurden auf
die Daten zugegriffen wurde. (…) Die
einzigen Fälle, die in der Vergangenheit zu
einer Aushöhlung des Ärztegeheimnisses
führten, waren immer weiter ausufernde
Begehrlichkeiten der Verwaltung und
Politik, ich erwähne nur Amtsärzte,
Sozialversicherungen, Sozialfürsorge und
Arbeitsmarktverwaltung, die sich Zugang
zu diesen Daten verschafften. (…) Mit
ELGA wird das anders, hier kann mit
einem Schlag und zentral gesteuert auf
alle Patientendaten personenbezogen zu-
gegriffen werden. Es genügt, das ELGA-
Gesetz genau zu lesen. Gut versteckt
hinter dem Begriff „Gesundheitsvorsorge“
(§ 14 Abs. 2 Z 1 ELGA-G iVm § 9 Z 12
DSG 2000) wurde ein Persilschein zum
Zugang auf alle Patientendaten durch
jede Behörde, sogar jede private Einrich-
tung geschaffen. Es genügt, etwas zur
„Vorsorge“ tun zu wollen. Gleichzeitig
bleiben jedoch alle bisherigen „alten“ und
von Ihnen kritisierten Strukturen aufrecht.
Die Gesundheitsdaten bleiben weiterhin
so verstreut gespeichert wie bisher. Wenn
das bisherige Gesundheitsverwaltungs-
system (…) unsicher ist, dann wird die
Unsicherheit durch die Einführung einer
zentralen Index-Zwischenschicht nicht
verkleinert, sondern bloß vergrößert.
Sie behaupten, „Patientinnen und Pati-
enten [hätten] nunmehr persönlich über
Internet Zugriff auf ELGA, oder werden
dabei wenn gewünscht von den Ombuds-
stellen unterstützt.“ Sie verschweigen,
dass der vorgesehene Zugang („Bür-
gerkarte) technisch sehr kompliziert und
nicht ausgereift ist. Weiters darf ich daran
erinnern, dass dem Bürger der Zugang
zu staatlichen Einrichtungen nicht durch
vermeidbare technische Beschränkungen
und Hürden erschwert werden darf.
Schon aus diesem Grund ist das ELGA-
Gesetz verfassungswidrig. Weiters ist das
Argument zynisch, vom Schreibtisch aus
lässt sich leicht dirigieren, was Menschen
zu tun haben. Krank sein bedeutet jedoch
zu leiden, Schmerzen zu haben, desorien-
tiert zu sein. Es ist Kranken, insbesondere
alten Menschen nicht zuzumuten, genau
dann, wenn sie Betreuung benötigen, die
Belastung von ELGA-Überwachung, Arzt-
Kontrolle und sonstiger Kontrolltätigkeit
zu übertragen. Zuletzt zu den Ombuds-
stellen, die – wie praktisch (sic!) – gleich-
zeitig die Landes-Patientenanwälte sind.
Vielleicht verstehen Sie das nicht, aber es
gibt Menschen, die an persönlicher Auto-
nomie interessiert sind und sich nicht we-
gen allem und jedem in die Hände einer
weiteren Bürokratie begeben wollen. (…)
Statt ein einfaches – technikunabhän-
giges – Informations- und Auskunftsrecht
für die Patienten vorzusehen, werden zu-
sätzliche technische Hürden geschaffen.
Sie behaupten, [die Patienten, Anm.]
„können Befunde aus- und einblenden,
wenn sie sich eine unbefangene Zweit-
meinung einholen wollen, sowie löschen
oder überhaupt der Speicherung von
Behandlungsfällen in ELGA widersprechen
(z.B. Schwangerschaftsabbruch).“ Eine
geradezu absurde Vorstellung. Erstens
steht diese Idee im völligen Widerspruch
zu den Aussagen praktisch aller ande-
ren ELGA-Befürworter, die eben genau
dieses Arztshopping, dieses ausufernde
Beschaffen von Zweitbefunden reduzie-
ren wollen. Weiters wäre das Befund-
Shopping auch rechtlich nicht zulässig.
Sozialversicherte dürfen weder heute,
noch in Zukunft nach Belieben Ärzte kon-
sultieren und Befunde anfordern. Völlig
unabhängig von ELGA wird das schon
jetzt durch die Sozialversicherungsträger
sehr wirksam verhindert.
Zum Zweiten enthält der Punkt eine
gehörige Portion Zynismus. ELGA ver-
langt durch das undurchsichtige situative
Widerspruchssystem, dass die Patienten
medizinische Entscheidungen treffen
und fachlich korrekt beurteilen, welcher
Arzt was sehen darf. Auch dieser Punkt
ist verfassungsrechtlich höchst bedenk-
lich, da er die Verantwortung für eine
funktionierende Gesundheitsversorgung
in letzter Konsequenz auf die Patienten
abschiebt. Wenn ELGA tatsächlich einen
Beitrag zur Verbesserung der Behand-
lungssicherheit bieten soll (O-Ton Herr
Bachinger), dann muss der Patient sicher
sein, dass alle zu seiner Person rele-
vanten medizinischen Daten vorhanden
sind und alle anderen nicht. Der Patient
entscheidet dann, welcher Arzt seines
Vertrauens diese Daten sehen darf. Das
erfordert ein echtes OptIn und nicht das
bestehende - rechtswidrige - OptOut.
Sie behaupten „Patientinnen und Pati-
enten sehen anhand der Protokolldaten,
wer auf ihre Daten zugegriffen hat und
bei Missbrauch drohen auch noch saftige
Strafen.“ Entweder tätigen Sie diese
Behauptung im naiven Glauben oder
wider besseres Wissens. Es gibt kein
vollständiges Protokollierungssystem,
protokolliert wird nur, was in einem Proto-
kollierprogramm vorgesehen ist. Weiters
können Daten sehr wohl rechtmäßig
abgerufen werden, jedoch davon Kopien
in weiterer Folge rechtswidrig verwendet
werden. Kein Protokollierungssystem
kann das erkennen. Ganz zu schweigen
vom Problem, von Archiv- und Backupko-
pien unbemerkt Kopien abzuzweigen. Lei-
der ist die österreichische Verwaltung voll
von zahllosen derartigen Missbrauchs-
fällen, ich darf nur an die Spitzenreiter
Justizministerium, Innenministerium und
zuletzt Unterrichtsministerium hinweisen.
Genauso schwerwiegend ist jedoch auch,
dass bei komplexen Behandlungen - etwa
in einem Spital - hunderte Personen
rechtmäßig zugreifen, der Patient in der
Fülle dieser Zugriffe einzelne illegale
Zugriffe gar nicht erkennen kann. Sie ver-
schweigen auch, dass die Protokollierung
nur bei Zugriffen über das zentrale ELGA-
Index-System erfolgt, nicht bei den loka-
len Datenbeständen, dort wo tatsächlich
die Gesundheitsdaten gespeichert sind,
eine weitere Systemlücke. (…)
Sie behaupten, „für ELGA werden …
höchste Sicherheitsstandards verwendet
und mittels Verordnung vorgeschrieben.“
Gebetsmühlenartig wird die „Sicherheit“
von ELGA betont. Wenn es tatsächlich so
wäre, dann müsste man es nicht ständig
wiederholen. (…) Sicherheit kann nicht
herbeigeredet oder -gebetet werden,
sondern ist eine Konzeptionssache. Alle
vorliegenden Konzepte zu ELGA zeigen
jedoch bloß eines, sie sind extrem kom-
pliziert, intransparent, gehen von unzäh-
ligen optimistischen und unrealistischen
Annahmen aus. Ein System, in dem hun-
derte Computersysteme installiert und
von völlig unterschiedlichen Einrichtungen
betrieben, ein System in dem es keinen
Letztverantwortlichen gibt, kann nicht
sicher betrieben werden. Und das Chaos
beim Patientenindex, der wochenlangen
Wartezeit beim OptOut zeigen – leider –
wie recht die Kritiker haben. (…) Es ist
klar erkennbar, ELGA ist kein modernes
Gesundheitsinformationssystem, es spie-
gelt bloß das zersplitterte, überteuerte
und ineffiziente Gesundheitswesen Öster-
reichs aktenmäßig wieder. (…)
Dr. Hans G. Zeger
Spindelberger-Mail:
/
ges/spindelberger-pro-elga-20140214.pdf
Der komplette Zeger-Brief:
argedaten.at/php-generiert/_ELGA_Of-
fener_Brief_an_NR_Spindelberger_SP_
Gesundheitssprecher.html
Spindelberger:
ELGA ist sicher.
Zeger: ELGA ist
kompliziert.
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