AERZTE Steiermark 4_2015 - page 16-17

Ærzte
Steiermark
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Ærzte
Steiermark
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Palliativversorgung
Palliativversorgung
„Der Fortschritt der Medi-
zin gestattet es neuerdings,
viele bisher unheilbare oder
tödliche Krankheiten zu hei-
len; die Verbesserung me-
dizinischer Methoden und
die Entwicklung von Wie-
derbelebungsmaßnahmen
ermöglichen es, ein Men-
schenleben zu verlängern, den
Zeitpunkt des Todes hinaus-
zuzögern. In der Folge wird
jedoch die Lebensqualität der
Sterbenden oft vernachlässigt
und Einsamkeit und Leiden
von Patienten, aber auch von
deren Familienangehörigen
und Pflegepersonen ignoriert.“
So heißt es in einem Papier
der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarats.
Dem Ministerrat empfiehlt
das Gremium, „die Mitglieds-
staaten des Europarates dazu
anzuhalten, die Würde von
Todkranken oder Sterbenden
in jeder Hinsicht zu achten
und zu schützen“.
Konkrete Maßnahmen seien
unter anderem die Sicher-
stellung, dass Palliativpflege
in allen Mitgliedsstaaten als
gesetzlich garantierter An-
spruch todkranker oder ster-
bender Menschen anerkannt
ist; die Sicherstellung glei-
chen Zugangs zu angemes-
sener Palliativpflege für alle
todkranken und sterbenden
Personen, die Bereitstellung
ambulanter Hospizteams und
-netzwerke, um zu gewähr-
leisten, dass Palliativpflege
zu Hause in Anspruch ge-
nommen werden kann, wann
immer ambulante Pflege des
erst zu ca. 50 % gedeckt …“
heißt es da. Und: „16 Jah-
re nach den Empfehlungen
des Europarates zum Schutz
der Menschenwürde und der
Würde der Todkranken und
Sterbenden, 14 Jahre nach
der parlamentarischen En-
quete „Solidarität mit unseren
Sterbenden – Aspekte einer
humanen Sterbebegleitung
in Österreich“ im Allpar-
teienkonsens, 22 Jahre nach
der Gründung des Dachver-
bandes Hospiz Österreich und
11 Jahre nach der Bedarfs-
Sterbenden oder Todkranken
durchführbar scheint sowie
die Sicherstellung, dass in der
Palliativpflege spezialisierte
Abteilungen und Hospizsta-
tionen, aus denen sich Palli-
ativpflege und -medizin als
integraler Bestandteil jeder
medizinischen Behandlung
entwickeln können, zumin-
dest in allen größeren Spitä-
lern eingerichtet werden.“
Das war 1999 – noch vor der
Euro-Einführung.
Große Lücken
Heute, 16 Jahre später, ist der
geforderte Status in Öster­
reich noch längst nicht er-
reicht, wie eine Bedarfserhe-
bung von Hospiz Österreich
(siehe Grafik) aus dem De-
zember 2014 zeigt. Demnach
fehlen zur Bedarfsdeckung
für 2020 noch 129 Palliativ-
feststellung zur Hospiz- und
Palliativversorgung durch das
österreichische Bundesinsti-
tut für Gesundheit besteht
ein dringendes und konkretes
Erfordernis, die Versorgung
für alle Österreicherinnen
und Österreicher in der Zu-
kunft tatsächlich sicherzu-
stellen und im Rahmen eines
Hospiz- und Palliative Care
Stufenplans bis 2020 unmit-
telbare Maßnahmen zu set-
zen.“ Kompetenzfragen und
Fi nanzier ungsst r uk t uren
dürften kein Hindernis sein,
betten, 192 stationäre Hos-
pizbetten, 6 Tageshospize, 81
Palliativkonsiliardienste, 18
Mobile Palliativteams bzw.
rund 103 Vollzeitkräfte und
138 Hospizteams.
Niederösterreich und die Stei-
ermark liegen mit 67 bzw. 57
Einrichtungen an der Spitze,
Oberösterreich hat 40, Wien
nur 25. Süffisant klingende
Bemerkung im Papier des
Hospiz-Dachverbandes, des-
sen Präsidentin die ehemalige
steirische Landeshauptfrau
Waltraud Klasnic ist: „An-
zumerken ist, dass die schon
bestehenden Einrichtungen
derzeit nicht vollständig mit
öffentlichen Mitteln finan-
ziert werden. Die von GÖG/
ÖBIG und BMG definierten
Strukturqualitätskriterien
werden derzeit nicht in allen
Einrichtungen vollständig er-
um tatsächlich den Ausbau
von Hospiz und Palliative
Care 2015 bis 2020 voranzu-
treiben.
Mehrheit für Sterbehilfe
Das Thema Tötung auf Ver-
langen („aktive Sterbehilfe“)
wurde durchaus kontrover-
siell diskutiert, wie aus dem
Abschlussbericht hervorgeht:
„Das Meinungsspektrum (…)
reichte von einer Staatsziel-
bestimmung zur Gewährlei-
stung der geltenden Rechts-
lage, bis hin zur Diskussion
füllt (insbesondere hinsicht-
lich Personalausstattung).“
Von Hospiz Österreich er-
rechneter Investitionsbedarf,
um die Lücken zu schließen:
rund 210 Millionen Euro.
Ausbau vorantreiben
Aber es gibt Hoffnung. Die
Mitte vorigen Jahres geschaf-
fene parlamentarische En-
quete-Kommission unter dem
Vorsitz der VP-Abgeordneten
Getrude Aubauer legte An-
fang März 2015 dem Natio-
nalrat ihren Abschlussbericht
mit 51 Empfehlungen vor, den
dieser einstimmig zur Kennt-
nis nahm.
In diesem Bericht wird nicht
schöngefärbt, die Parlamen-
tarier zeigen sich durchaus
selbstkritisch: „Österreich-
weit ist die Hospiz- und Pal-
liativversorgung gesamthaft
über Fragen zur Suizidbei-
hilfe bzw. Suizidprävention.“
Aber: „50) Einvernehmen
besteht dahingehend, Hos-
piz- und Palliativversorgung
nachhaltig abzusichern und
die Patientenverfügung und
Vorsorgevollmacht rechtlich
weiter zu entwickeln.“
Von Ärztinnen und Ärzten
wird die gesetzliche Veranke-
rung des Tötens auf Verlan-
gen (siehe dazu auch AERZTE
Steiermark 3/2015) über-
wiegend abgelehnt. Aber die
Für ein „Sterben in Würde“
ist jeder. Aber die strukturellen Voraussetzungen in Öster­
reich sind – noch – mangelhaft. Experten errechnen einen Investitionsbedarf von rund 210
Millionen, um die Palliativ- und Hospizinfrastruktur in Österreich dem Bedarf anzupassen.
Halbe Würde
Fotos: Schiffer, Newsweek
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Palliativstationen – Betten
Mängel in der Palliativ- und Hospiz-Infrastruktur
– 29,7 %
– 46,6 %
–65,9 %
– 37,0 %
– 60,0 %
– 73,3 %
Hospizteams – Anzahl
Palliativkonsiliardienste – Dienste
Mobile Palliativteams – VZÄ
Tageshospize – Anzahl
Palliativstationen – Betten
Stand 2013,
Quelle Hospiz
Österreich
Bezogen auf
den erwarteten
Bedarf feh-
len zwischen
knapp 30 und
mehr als 70
Prozent der
Einrichtungen,
Menschen und
Dienste.
„Österreichweit ist die Hospiz- und Palliativversorgung
gesamthaft erst zu ca. 50 % gedeckt …“
Schlussbericht der parlamentarischen Enquete-Kommission „Sterben in Würde“
1,2-3,4-5,6-7,8-9,10-11,12-13,14-15 18-19,20-21,22-23,24-25,26-27,28-29,30-31,32-33,34-35,36-37,...60
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