AERZTE Steiermark 4_2015 - page 8-9

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Ærzte
Steiermark
 || 04|2015
Ærzte
Steiermark
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COVER
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Foto: Fotolia
MARTIN NOVAK
Die Website
sundheit.de lädt Ärztinnen
und Ärzte zum Selbsttest über
Gesundheit und Lebensqua-
lität ein. Zwischen null und
21 Punkte sind zu erreichen,
ab 21 Punkten darf man
behaupten, sich „weit über-
durchschnittlich gut“ um die
eigene Gesundheit zu küm-
mern. Aber: „Der Selbsttest
wird eher wenig in Anspruch
genommen“, bedauert Bern-
hard Mäulen, Gründer des
Instituts für Ärztegesundheit
in Baden-Württemberg und
selbst Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapie.
Tradition
„Wir Ärzte haben eine lan-
ge Tradition darin, uns aus-
schließlich um unsere Pa-
tienten zu kümmern, wir
lernten nichts anderes in
der Universität – sicherlich
waren die Vorbilder in der
klinischen Ausbildung auch
ähnlich grenzenlos einsatzbe-
reit, und in der Praxis setzen
wir dann die Selbstausbeu-
tung fort“, sagt Mäulen.
Die Zahlen bestätigen diese
Wahrnehmung: So die 2011
von der Medizinischen Uni-
versität Graz und der Arge
Burnout für die Österrei-
chische Ärztekammer durch-
geführte Studie „Burnout bei
Ärzt/innen“ (6.249 auswert-
bare Datensätze). Demnach
ist das Burnout-Risiko von
Ärztinnen und Ärzten signi-
fikant höher als das anderer
Berufsgruppen, wie Lehrer­
Innen, RichterInnen, Freibe-
rufler, Angestellte oder Ma-
nager. Weit über die Hälfte
der Ärztinnen und Ärzte sind
laut dieser Studie belastet,
bei 11,1 Prozent gleichen die
Symptome dem Bild einer
klinischen Depression.
Solche Alarmsignale werden
auch durchzahlreiche weitere
Untersuchungen in anderen
Ländern bestätigt. „Ja, die De-
pressionsraten bei Ärzten sind
höher als im Bevölkerungs-
durchschnitt und leider auch
die Suizidraten, insbesondere
für Ärztinnen. Ursächlich
werden massive Überlastung,
sehr hohe Verantwortung,
Begegnung mit Leid und Tod,
schlechte Selbstfürsorge so-
wie zu hohe berufliche Ich-
Ideale diskutiert“, so Mäulen.
Wandel
Wobei auch der Wandel, den
der Arztberuf erlebt, Ursa-
che für eine Verschärfung
des Problems sein könnte,
zumindest war das die These
des letztjährigen Kongresses
über Ärztegesundheit, den
das British Medical Journal
(BMJ) und die Ärzteorganisa-
tionen der USA (AMA) sowie
Kanadas (CMA) gemeinsam
ermöglichten. „In der Ver-
gangenheit stand die Auto-
rität des Arztes außer Frage“,
schrieb das BMJ im Vorfeld,
die Beziehung zu den Pati-
entinnen und Patienten sei
eher paternalistisch gewesen,
diese hätten keine unange-
nehmen Fragen gestellt. Aber
heute? „Die Erwartungen der
Gesund machen,
gesund sein
Sind ÄrztInnen kränker als andere Gruppen?
Manches deutet darauf hin. Aber es gibt auch positive Signale.
Patienten haben sich geän-
dert, sie sind sich ihrer Rechte
und Ansprüche viel bewusster
und haben viel mehr Zugang
zu Informationen“, schreibt
das BMJ (2013;347:f7086 doi:
10.1136/bmj.f7086): „Die Ärz-
tinnen und Ärzte fühlen, dass
ihre professionelle Identität
bedroht ist.“
Wobei die nächste Generati-
on der Ärztinnen und Ärzte
(„Generation Y“) durch „eine
bisher nicht gekannte innova-
tive Lebenskonzeption“ und
ihren „pragmatischen Opti-
mismus“ (Hurrelman, Alb-
recht: Die heimlichen Revolu-
tionäre. Wie die Generation Y
unsere Welt verändert. Beltz
Verlag 2014) mit diesen An-
forderungen vielleicht besser
umgehen wird können, als
ihre Mütter, Väter, Großmüt-
ter und Großväter).
Aber noch ist es nicht so-
weit. Jüngere, unter 47-jährige,
sind laut der Grazer Burnout-
Studie stärker belastet als
Ältere. Wenig Unterschiede
gibt es übrigens zwischen
den Geschlechtern, nur in
der am stärksten belasteten
Gruppe überwiegt der Män-
ner-Anteil. Auch Nacht- und
Bereitschaftsdienste wirken
sich negativ aus.
Dass früher, im Zeitalter des
ärztlichen Paternalismus, al-
les besser war, kann man
aber bezweifeln, wenn man
Mäulens Zugang zum Thema
betrachtet. Er ist, wie er auf
seiner Website schreibt, über
Ärztebiografien und Romane
darauf gestoßen. Sie „hielten
mehr oder minder stimmige
Schablonen der Arztrolle be-
reit – zugleich zeigten die
besseren … aber auch ein
realistisches Bild von den
Schwierigkeiten im Studium,
den Assistenzjahren, der be-
„Wir Ärzte haben eine lange Tradition
darin, uns ausschließlich um unsere
Patienten zu kümmern, wir lernten
nichts anderes in der Universität
– sicherlich waren die Vorbilder
in der klinischen Ausbildung auch
ähnlich grenzenlos einsatzbereit, und
in der Praxis setzen wir dann die
Selbstausbeutung fort“
Bernhard Mäulen, Institut für Ärztegesundheit
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