AERZTE Steiermark 4_2015 - page 10-11

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Ærzte
Steiermark
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Ærzte
Steiermark
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COVER
COVER
Fotos: Fotolia/Conclusio
drohten Lebensqualität, den
finanziellen Engpässen sowie
der erheblichen Konkurrenz
unter Ärzten auf“.
Schlechte
Selbstfürsorge
Wer über Ärztegesundheit
spricht, darf aber nicht nur
auf die psychische Bela-
stungen schauen: „Die Indi-
katoren für schlechte Selbst-
fürsorge von Ärztinnen und
Ärzten sind niedrige Raten
an Krebsvorsorge, niedrige
Impfraten, erhöhter Konsum
von Schmerz- und Beruhi-
gungsmitteln, signifikante
Prävalenz von stoffgebun-
dener Sucht insbesondere
Alkoholmissbrauch und -ab-
hängigkeit, erhöhte Suizidra-
ten, zu wenig körperliche
Bewegung bzw. Fitness und
zu hoher Body Mass Index
etc.“, sagt Mäulen.
Also trinken Ärztinnen und
Ärzte Wein, während sie Was-
ser rufen? Harte Zahlen lie-
fert vor allem die Influenza-
Durchimpfungsrate, die vor
allem in den USA regelmäßig
erhoben wird. Laut jüngster
Zahlen liegt sie unter den Be-
schäftigten im Gesundheits-
bereich (Health Care Wor-
kers/HCW) „unakzepktabel
niedrig“ bei etwa 40 Prozent
(Medscape 2015). Am nied-
rigsten aber beim Pflege- und
medizintechnischen Personal.
Andere, vom Center of Di-
sease Control and Prevention
(CDC) veröffentlichte Un-
tersuchungen (MMWR Sep-
tember 19, 2014), gehen zwar
von einer insgesamt deutlich
höheren Durchimpfungsrate
von 75 Prozent aus, bestä-
tigen aber die Unterschiede
zwischen den Gesundheitsbe-
rufen: Ärztinnen und Ärzte
haben demnach mit 92,2
Prozent den höchsten Wert,
dann folgt das diplomierte
Pflegepersonal und dann erst
kommen weitere Berufsgrup-
pen. Man könnte also sagen:
Je höher die medizinische
Qualifikation, desto höher die
Compliance.
Eine – nicht gerade überra-
schende – Erkenntnis liefert
der CDC-Report allerdings
auch: Dort, wo die Impfung
erforderlich (weil vom Arbeit-
geber verlangt) ist, liegen die
Werte höher als in Bereichen,
wo „nur“ Überzeugungsar-
beit geleistet wird. Dazu passt
die Forderung des steirischen
Ärztekammer präsidenten
Herwig Lindner, der kürzlich
in einer Aussendung verlangt
hat, dass Arbeitgeber im Ge-
sundheitsbereich sicherstellen
sollten, „dass besonders in
sensiblen Bereichen nur voll-
ständig durch Impfungen ge-
schütztes Personal eingesetzt
wird“.
Impfpflicht
Eine generelle Impfpf licht,
wie sie angesichts der
jüngsten Masernfälle (siehe
dazu auch Seite 12f) immer
wieder verlangt und auch von
Ärztinnen und Ärzten („Epi-
krise“, Seite 5) gefordert wird,
steht aber im Widerspruch
zum österreichischen Arbeit-
nehmerInnenschutzrecht, das
sich wiederum auf die Eu-
ropäische Menschenrechts-
konvention (EMRK) beruft
(Wiedermann-Schmidt et al.:
Impfungen für Mitarbeiter­
Innen des Gesundheitswesens.
Empfehlungen als Erweite-
rung des Österreichischen
Impfplans. 2012). Allerdings:
Die EMRK und das öster-
reichische Epidemiegesetz
kennt als Ausnahme die
Möglichkeit, „dass für Per-
sonen, die sich berufsmäßig
mit der Krankenbehandlung,
der Krankenpflege oder Lei-
chenbesorgung beschäftigen,
und für Hebammen u.a. auch
Schutzimpfungen angeordnet
werden können“.
Vorbild
Dass Ärztinnen und Ärzte in
Gesundheitsbelangen durch-
aus vorbildlich sein können,
zeigt die Diplomarbeit von
Julia Forster am Institut für
Public Health der Medizi-
nischen Universität Wien.
Sie erforschte die „Prävalenz
des Nikotinabusus unter stei-
rischen Ärzten im Vergleich
mit der steirischen Allge-
meinbevölkerung“ (2013). Fa-
zit: Es „wurde eine signifikant
niedrigere Raucherprävalenz
unter Ärzten gefunden als in
der Allgemeinbevölkerung.
Es konnte kein statistisch
signifikanter Unterschied
in den Raucherprävalenzen
männlicher und weiblicher
Ärzte gezeigt werden. Es fan-
den sich die meisten Raucher
in der Altersgruppe der 45-
bis 59-Jährigen, die meisten
Ex-Raucher in der Gruppe
der über 60-Jährigen und die
meisten Nichtraucher unter
den 30- bis 44-Jährigen.“ Und:
„Die Raucherprävalenz unter
steirischen Ärzten ist im Ver-
gleich mit einigen anderen
Ländern niedrig …“
Das Thema Ärztegesundheit
ist also vielleicht doch keines,
das man nur düster sehen
muss. Und es scheint auch zu-
nehmend weniger ein Tabu zu
sein: „Im Zuge der Burnout
Diskussion haben sich zumin-
dest die deutschsprachigen
Ärztepublikationen durchaus
dem Thema Ärztegesundheit
zugewandt“, beobachtet Bern-
hard Mäulen. Nur das (allge-
meine) Medienecho hielt sich
in Grenzen.
Impfinserat (unten): „Bitte spre-
chen Sie mit Ihrem Arzt.“ Aber
mit wem spricht ein Arzt?
Masern sind sehr ansteckend.
Ohne Impfung erkranken
95 von 100 Menschen.
Bei 10 von 100 Masern-Fällen
ist mit schweren Folgeerkrankungen
zu rechnen.
Die Masern-Impfung schützt.
Verlässlich.
Gratis für Menschen jeden Alters.
Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt.
Fotolia
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02.03.2015 10:55:05
„Es wurde eine signifikant
niedrigere Raucherprävalenz
unter Ärzten gefunden als in der
Allgemeinbevölkerung.“
Julia Forster (Diplomarbeit, Meduni Wien 2013)
„Besonders in sensiblen Bereichen
sollte nur vollständig durch
Impfungen geschütztes Personal
eingesetzt werden.“
Ärztekammerpräsident Herwig Lindner
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