AERZTE Steiermark | Dezember - page 32

32
Ærzte
Steiermark
 || 12|2014
Forschung Steiermark
Foto: Med Uni, Creativ Collection
MEDIA BASED MEDICINE
Pille gegen Liebeskummer?
„Nicht weinen - nimm Amorex“. Mit diesem Spruch wirbt
ein Produzent für Nahrungsergänzungsmittel für sein
Präparat gegen Liebeskummer. Offenbar lässt sich die
Trennung von einer geliebten Person mit einer kleinen Pille
wegschlucken, so scheint es. Einen wissenschaftlichen Beleg
dafür gibt es nicht, auch wenn der Amorex-Hersteller dies
behauptet. Eine Pille gegen Liebesschmerz ist noch nicht
erfunden.
Quelle:
Täglich bekommen Patient-
Innen von den Medien neue
„Sensationen“ aus der Welt
der Medizin aufgetischt:
Frisch publiziert
y
Germline variants in the SEMA4A gene predispose
to familial colorectal cancer type X.
in: NATURE COMMUNICATIONS 5/5191.
DOI:10.1038/ncomms6191.
Von:
Eduard Schulz, Petra Klampfl, Stefanie Holzapfel,
Andreas R. Janecke, Peter Ulz, Wilfried Renner, Karl
Kashofer, Satoshi Nojima, Anita Leitner, Armin Zebisch,
Albert Wölfler, Sybille Hofer, Armin Gerger, Sigurd Lax,
Christine Beham-Schmid, Verena Steinke, Ellen Heitzer,
Jochen B. Geigl, Christian Windpassinger, Gerald Hoefler,
Michael R. Speicher, C. Richard Boland, Atsushi Kuma-
nogoh & Heinz Sill
Forscherinnen und Forscher der Grazer Medizinischen
Universität publizieren regelmäßig in internationalen
Journalen. Wir bringen jeden Monat aktuelle Beispiele.
Jede fünfte Neuerkrankung
zeigt erbliche Komponente.
Grazer Forscher entdecken verantwortliche Genmutation.
Darmkrebs-Studie
Dr. Eduard
Schulz
Univ.-Prof. Dr.
Heinz Sill
Darmkrebs stellt die dritt-
häufigste bösartige Tumo-
rerkrankung weltweit dar,
wobei die Heilungschancen
stark vom Krankheitsstadi-
um abhängen, in dem die
Erkrankung diagnostiziert
wird. WissenschafterInnen
der Medizinischen Universi-
tät Graz rund um Univ.-Prof.
Dr. Heinz Sill identifizierten
eine Genmutation, die we-
sentlich zur Früherkennung
und Prävention von famili-
ärem Darmkrebs beiträgt.
Jährlich werden in Österrei-
ch 5.000 Darmkrebs-Neuer-
krankungen diagnostiziert.
Damit bildet das kolorektale
Karzinom die dritthäufigste
bösartige Tumorerkrankung
weltweit. „In 20 % der Krank-
heitsfälle wird eine famili-
äre Häufung beobachtet, in
etwa 5 % aller kolorektalen
Karzinome kann ein charak-
teristischer Vererbungsmo-
dus festgestellt werden“, klärt
Univ.-Prof. Dr. Heinz Sill,
Klinische Abteilung für Hä-
matologie der Med Uni Graz
auf. In diesen Fällen spricht
man von einem „Familiären
Darmkrebs“. Dabei werden
schwerwiegende Mutationen
(Keimbahn-Mutationen) in
bestimmten Genen vererbt,
die eine deutliche Aussage
zum Erkrankungsrisiko lie-
fern können. „Die Identifi-
kation dieser Mutationen hat
wesentliche Auswirkungen
auf PatientInnen und deren
Angehörige“, so Heinz Sill.
Gemeinsam mit den Insti-
tuten für Pathologie und
Humangenetik der Med Uni
Graz, aber auch KollegInnen
der Med Uni Innsbruck und
internationalen Organisati-
onen entdeckten die Grazer
WissenschafterInnen eine
Genmutation, der eine große
Rolle in der Krebs-Prävention
zukommt.
Im Rahmen einer Studie wur-
de eine große österreichische
Familie untersucht, in wel-
cher kolorektale Karzinome
über drei Generationen ver-
erbt wurden. Sämtliche mole-
kulare Analysen auf bekannte
Mutationen verliefen negativ.
Daher wurde ein „Famili-
äres kolorektales Karzinom
X Syndrom (FCCTX)“ dia-
gnostiziert. „Mittels neuer
Sequenziermethoden wurde
eine Mutation im Gen SE-
MA4A identifiziert“, berichtet
der Erstautor der Studie, Dr.
Eduard Schulz. Die bisher be-
kannte Funktion dieses Gens
bezieht sich auf die neuronale
Entwicklung und Modulation
von Immunzellen. Alle unter-
suchten Familienmitglieder
mit der Diagnose Darmkrebs
wiesen die idente Mutation
im SEMA4A Gen auf. Daher
wurde im nächsten Schritt
die biologische Relevanz der
Mutation in der Zellkultur
untersucht. Dabei machten
die WissenschafterInnen an
der Med Uni Graz eine bedeu-
tende Entdeckung. „Darmzel-
len mit mutiertem SEMA4A
zeigten eine deutlich höhere
Aktivität von Signalwegen,
die das Zellwachstum anre-
gen“, schildert Eduard Schulz.
Auch der Zellzyklus war als
Folge dieser abnormen Akti-
vität stark beschleunigt. Bei
Darmzellen mit normalen
SEMA4A konnte diese ex-
trem hohe Aktivität in den
Signalwegen nicht beobachtet
werden. Eine Analyse von FC-
CTX Tumoren aus Deutsch-
land und den USA bestätigte
die Ergebnisse der Grazer
WissenschafterInnen.
Der Nachweis von Keimbahn-
Mutationen im SEMA4A Gen
hat wichtige Konsequenzen
für PatientInnen mit famili-
ärem Darmkrebs und deren
Angehörige. Durch frühzeitig
begonnen regelmäßige endo-
skopische Untersuchungen
kann ein effektiver Beitrag
betreffend die Krebs-Früh-
erkennung geleistet werden.
„Die Bestimmung der Mutati-
on im SEMA4A Gen klärt da-
bei über das Erkrankungsri-
siko auf und ist ein wichtiger
Beitrag zur Krebsprävention
beim familiären Darmkrebs“,
so Heinz Sill abschließend.
1...,22,23,24,25,26,27,28,29,30,31 33,34,35,36,37,38,39,40,41,42,...52
Powered by FlippingBook