AERZTE Steiermark 09 | 2014 - page 31

Ærzte
Steiermark
 || 09|2014
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sonderthema Hepatitis C
PatientInnen geheilt. Für
die PatientInnen mit Ge-
notyp 2 und 3-Infektion
wird damit erstmals ein
effektives rein orales The-
rapieregime verfügbar wer-
den. Die neuen antiviralen
Medikamente bieten auch
erstmals eine realistische
Chance, PatientInnen nach
Lebertransplantation sicher
und effektiv von der Hepati-
tis C zu heilen.
Wenn eine Kontraindikation
gegen Interferon besteht
(z.B. dekompensierte Le-
berzirrhose) – oder bei Pati-
entInnen nach einer Leber-
transplantation und aggres-
sivem Krankheitsverlauf
(neuerliche höhergradige
Fibrose oder fibrocholesta-
tische Hepatitis) – gibt es
schon jetzt die Möglichkeit,
auch PatientInnen mit Ge-
notyp 1 interferonfrei mit
Sofosubvir und Ribavirin
über 24 Wochen zu thera-
pieren.
Seit Juli 2014 ist auch Si-
meprevir in Österreich in
der roten Box und damit in
einzelnen Härtefällen über
den chefärztlichen Dienst
bewilligbar. Simeprevir wird
auch nur einmal täglich
(150 mg) verabreicht. Die
Kombination aus Simeprevir
und Sofosbuvir ist beson-
ders attraktiv, da dabei die
Therapiedauer auf zwölf
Wochen verkürzt werden
kann. Simeprevir interagiert
allerdings häufig mit an-
deren Medikamenten über
den CytochromP450-Pfad,
und daher sind gewisse
Antiepileptika, Antibiotika,
systemisches Dexametha-
son, aber auch pflanzliche
Heilmittel wie Johanniskraut
oder Mariendistel, kontrain-
diziert. Immunsuppressiva
müssen in der Dosis nicht
angepasst werden. Bevor
PatientInnen mit Genotyp
1a mit einer Therapie mit
Simeprevir beginnen, muss
auf das Vorliegen eines
viralen Polymorphismus ge-
testet werden (Q80K Poly-
morphismus), der in Europa
bei 19% der PatientInnen
mit Genotyp 1a vorkommt.
Bei Vorliegen dieses Poly-
morphismus ist das viro-
logische Ansprechen auf
die Kombination Simepre-
vir/PegInterferon/Ribavirin
schlechter. Der Einfluss des
Polymorphismus ist bei ei-
ner Therapie mit Simeprevir,
in Kombination mit Sofos-
buvir, nicht besonders stark,
daher ist da eine Testung
nicht zwingend notwendig.
Unbekannt ist allerdings
noch, ob der Polymorphis-
mus im Falle eines Nichtan-
sprechens auf die Therapie
Konsequenzen für weitere
Therapien hat.
Die nächste Substanz, die
am österreichischen Markt
verfügbar werden wird, wird
Daclatasvir sein. Derzeit
kann das Medikament nach
ausführlicher medizinischer
Begründung im Rahmen
eines „compassionate use“
Programms von der Firma
bezogen werden. Dacla-
tasvir wird auch nur einmal
täglich (60 mg) verabreicht.
Typische Nebenwirkungen
sind Abgeschlagenheit,
Kopfschmerzen und Übel-
keit. Zusammen mit So-
fosbuvir über 24 Wochen
wurde bei allen Genotypen
ein Ansprechen von über
90% erreicht.
Der IL28B-Genotyp und der
HCV-1-Subtyp (Genotyp 1a
ungünstiger als 1b) schei-
nen auch mit den neuen
Substanzen als Prädiktoren
des Ansprechens weiter-
hin eine gewisse Rolle zu
spielen, wenn auch nicht
mehr so stark wie zuvor bei
interferonbasierten Thera-
pieverfahren.
Zukunft
In Österreich werden in ab-
sehbarer Zeit interferonfreie,
relativ nebenwirkungsarme,
kurzdauernde Therapie-
schemata für PatientInnen
mit Hepatitis C zur Verfü-
gung stehen. Damit kann in
der Zukunft ein Großteil der
PatientInnen geheilt werden
und in weiterer Folge wird
auch die Anzahl der Pati-
entInnen mit Leberzirrhose,
hepatozellulärem Karzinom
und der Notwendigkeit ei-
ner Lebertransplantation
signifikant abnehmen. Das
Problem der Therapie der
Hepatitis C wird dann nicht
mehr so sehr ein medizi-
nisches sein, sondern ein
gesundheitsökonomisches,
da die Kosten der neuen In-
terferonfreien Therapien hö-
her als die Kosten der alten,
interferonhältigen Therapie-
regime sind. Eine zwölfwö-
chige Therapie mit der auch
in Österreich bereits zuge-
lassenen Kombination aus
Sofosbuvir und Simeprevir
kostet rund 100.000 Euro.
Die Hepatitis C und die
neuen Therapien könnten
wegweisend werden, wie in
Zukunft die Preisgestaltung
der internationalen Pharma-
industrie aussieht und bei
entsprechendem Ergeb-
nis auch für viele andere
medizinische Fachgebiete
Vorbildcharakter haben.
Wenn die Preise der Medi-
kamente auf dem aktuellen
Niveau bleiben, wird es in
ökonomisch schwächeren
Ländern schwer möglich
sein, diese Therapien an-
zubieten, obwohl aufgrund
der reduzierten Folgeko-
sten durch die Vermeidung
von Nebenwirkungen der
interferonhältigen Thera-
pien, Leberzirrhose, hepa-
tozelluärem Karzinom und
Lebertransplantation, das
Kosten/Nutzen Verhältnis
wohl zugunsten der neuen
Therapieformen ausfallen
wird. Dies stellt dann –
ähnlich wie bei HIV – ein
großes ethisches und ge-
sundheitspolitisches Dilem-
ma dar. Es bleibt zu hoffen,
dass am Ende nicht die
ökonomischen Interessen
der Industrie, sondern die
Gesundheit der Menschen
Vorrang hat.
Vanessa Stadlbauer-Köllner
Tel. 0316/385-12422
E-Mail:
vanessa.stadlbauer@med
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