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Ærzte
Steiermark
|| 02|2017
Großteil in einem PVZ ab-
solviert wird. PVZ sind somit
wichtige Ausbildungs- und
Forschungseinrichtungen. In
Schweden gibt es sieben aka-
demische Einrichtungen für
„Family Medicine“. Allein das
Team an der Universität Upp-
sala hat über 40 Mitarbeiter
Innen. Seit Jahren gibt es
in Schweden einen Mangel
an AllgemeinmedizinerInnen.
Deshalb werden Interessen-
ten aus der EU bei ihrem
Einstieg in das schwedische
Gesundheitssystem sehr gut
unterstützt.
Erfahrungsbericht der deut-
schen Allgemeinmediziners
Florian Klär
c
:
„Arbeiten im Verbund ist das
Grundprinzip. So sind neben
Hausärzten auch Pflegekräfte
und Physiotherapeuten in den
Primärversorgungszentren be-
schäftigt. Typisch für Schwe-
den sind flache Hierarchien.
Der Umgang miteinander ist
entspannt und kollegial. Es
zählt die Leistungskompetenz,
nicht die berufliche Qualifika-
tion. In den ersten vier Jahren
war eine Krankenschwester
meine Chefin. Nicht Hausärzte,
sondern Krankenschwestern
machen in Dalarna Haus-
besuche. Der Hausarzt hat
die Funktion des ,Gatekeepers
‘
,
der Patienten an seine Fach-
arztkollegen überweist. Ärzte
in Schweden haben insgesamt
mehr Zeit für die ärztliche Tä-
tigkeit. Weiterbildung zählt als
Arbeitszeit. Jede Provinz, jedes
Bundesland benutzt dasselbe
Computerprogramm. So kann
ich als Arzt das gesamte Ver-
sorgungsprofil eines Patienten
einsehen und weiß, was er
sen organisiert. Die Haupt-
aufgabe übernehmen Primär-
versorgungszentren (PVZ),
in denen verschiedene Ge-
sundheitsberufe eng zusam-
menarbeiten. Mit der Ge-
sundheitsreform 2012 nahm
der Anteil der privat finan-
zierten PVZ deutlich zu und
liegt derzeit bei 40 Prozent.
Im Schnitt versorgt ein PVZ
7.000 bis 8.000 eingeschrie-
bene PatientInnen, wobei die
Größe und personelle Aus-
stattung stark variieren.
In einem typischen PVZ
arbeiten vier bis sechs All-
gemeinmedizinerInnen mit
Pflegekräften (District Nur-
ses), PhysiotherapeutInnen,
PsychologInnen, Sozialarbei-
terInnen etc. zusammen. Der
Frauenanteil unter den Ärzt
Innen liegt bei über 50 Pro-
zent. Teilzeitmodelle in der
Primärversorgung sind die
Regel und nicht die Ausnah-
me. Für die administrativen
Aufgaben in einem PVZ gibt
es eigenes Personal. Pflege-
personen übernehmen das
selbstständige Management
chronischer Erkrankungen,
oder die Verschreibung und
Verabreichung von Medika-
menten. Derzeit gibt es keine
gesetzliche Bestimmung, wer
ein PVZ leiten darf. Auch
wann verschrieben bekommen
hat. Die weniger rosigen Seiten
sind lange Wartezeiten, hohe
Selbstbeteiligungen und der
Ärztemangel. Mein ,Traumge-
sundheitssystem, liegt irgend-
wo zwischen Deutschland und
Schweden.“
Norwegen – Starke
Hausarztbindung und
Zeit für Gespräche
Norwegen hat zwar nur 5,2
Millionen Einwohner, die ver-
teilen sich aber auf die zehn-
fache Fläche von Österreich.
Das entspricht 13 Einwohnern
pro km
2
. Norwegen ist nach
Luxemburg das zweitreichs-
te Land Europas. Zum Ver-
gleich: Österreich liegt an der
6., Schweden an der 7. und
Dänemark an der 9. Stelle.
Norwegen gibt 10 Prozent
seines BIP für Gesundheit
aus. Kaufkraftbereinigt ist das
mit € 4.681 pro Kopf deutlich
mehr als in Österreich. Ob-
wohl die Lebenserwartung
in Norwegen in etwa der von
Österreich entspricht, ha-
ben norwegische Frauen und
Männer im Schnitt 13 gesunde
Lebensjahre mehr zu erwarten.
Auch Norwegen kommt mit
der Hälfte der Krankenhaus-
betten Österreichs aus (3,8
statt 7,6 pro 1.000 Einwohner)
und liegt auch bei der Zahl
der Krankenhausentlassungen
deutlich niedriger (168 Per-
sonen pro 1.000 Einwohner).
Die meisten HausärztInnen
in Norwegen sind selbststän-
dig und Vertragspartner einer
der über 400 „Municipalities“.
Diese sind gesetzlich ver-
pflichtet, eine Primärversor-
gung anzubieten. Die direkte
wenn zumeist HausärztInnen
diese Aufgabe übernehmen,
kommt es auch vor, dass di-
plomierte Pf legefachkräfte
die Leitung innehaben.
Schweden hat zwar kein strik-
tes Gatekeeper-System, trotz-
dem erfolgt der Zugang zur
fast ausschließlich im statio-
nären Bereich angebotenen
fachärztlichen Versorgung fast
immer über die Primärver-
sorgung. PVZ haben von 8:00
Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet.
Viele PVZ können zwischen
17:00 Uhr bis 22.00 Uhr und
einige auch zwischen 22:00
und 08:00 aufgesucht wer-
den. Telefon-Hotlines haben
in Schweden eine lange Tra-
dition und sind rund um die
Uhr erreichbar. Kleinere Ver-
letzungen werden in Schwe-
den immer in einem PVZ
versorgt. Auch Präventions-
und gesundheitsförderliche
Maßnahmen werden großteils
von PVZ übernommen, wo-
bei auch hier nicht-ärztliche
Gesundheitsberufe zentrale
Aufgaben übernehmen.
Im Rahmen ihrer Ausbildung
verbringen alle ÄrztInnen in
Schweden zumindest sechs
Monate in der Primärversor-
gung. Die allgemeinmedizi-
nische Fachärzteausbildung
dauert fünf Jahre, wobei der
serie
Primärversorgung 2
Norwegen kämpft mit einem
andauernden Ärztemangel. Zirka 15
Prozent der ÄrztInnen in Norwegen
kommen aus dem Ausland, vorwiegend
aus den skandinavischen Nachbarländern.