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ÆRZTE
Steiermark
 || 11|2014
VORSORGEMEDIZIN
Humane Papillomaviren
aus klinischer Sicht
Olaf Reich über klinische Aspekte der Ätiologie,
Karzinogenese,
Epidemiologie und Prävention von HPV-Infektionen.
UNIV.-PROF.
DR.OLAF REICH
1976 berichtete Harald zur
Hausen als erster Wissen-
schaftler von DNA humaner
Papillomaviren (HPVs) in Ge-
nitalwarzen und Zervixkar-
zinomen. 1983 wurde durch
seine Arbeitsgruppe die jetzt
bewiesene Hypothese aufge-
stellt, dass HPV 16 Zervix-
karzinome und ihre Vorstufen
verursacht. Inzwischen sind
viele HPV Typen, die mit
humanen Krebsen assoziiert
sind, gefunden worden.
Sie werden nach ihrer Fä-
higkeit, eine maligne Trans-
formation hervorzurufen, in
Low-risk-Typen (6, 11, 40, 42,
43, 44, 54, 61, 70, 72, 81) und
in High-risk-Typen (16, 18, 31,
33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59,
68, 73, 82) klassifiziert. Ferner
gibt es HPVs mit ungewissem
Risiko (26, 53, 66).
HPVs haben sich über Milli-
onen von Jahren entwickelt.
Sie bilden eine große und he-
terogene Gruppe kleiner, ku-
bischer DNA Viren mit einem
Durchmesser von ca. 55 nm.
Als Parasiten nutzen sie spezi-
fisch die Epithelien von Tieren
und Menschen zur Replikati-
on. Auf der Grundlage einer
kompletten Charakterisierung
ihrer Genome sind für den
Menschen ca. 120 kutane und
Mukosa-assoziierte HPVs be-
schrieben.
HPVs haben eine sehr einfache
Struktur und bestehen aus
nur wenigen Proteinen. Die
kleinen zirkulären Genome
aus je ca. 8.000 Basenpaaren
sind in sechs frühen Genen
(E6, E7, E1, E2, E4, E5) und in
zwei späten Genen (L1, L2) or-
ganisiert. Während die frühen
Gene für die virale Genex-
pression und für die Kontrolle
der Replikation verantwortlich
sind, kodieren die späten Gene
hauptsächlichen die Kapsid-
proteine von HPV.
Karzinogenese
Eine zentrale Annahme der
durch HPV verursachten Kar-
zinogenese ist es, dass zwei
frühe Gene (E6 und E7) infi-
zierte Epithelien neoplastisch
transformieren können. In
Zellkulturen konnte gezeigt
werden, dass HPV 18 E6/E7
die Expression von mehr als
1.300 zellulären Genen signifi-
kant beeinflusst.
Eine maligne Transformation
erfordert eine persistierende
Infektion. Das Risiko für die
Krebsentstehung ist abhän-
gig vom HPV-Typ. Für das
Zervixkarzinom besteht für
persistierende HPV-16-Infek-
tionen das größte Risiko für
eine maligne Transformation,
gefolgt von HPV-18 und HPV-
45. HPV-16 und HPV-18 ver-
ursachen in Summe ca. 70%
aller Zervixkarzinome. Ko-
faktoren der zervikalen Kar-
zinogenese sind Rauchen, Im-
munsuppression, genetische
Prädisposition, hohe Parität,
früher erster Sexualverkehr,
hohe Anzahl von Sexualpart-
nern, langjährige orale Kon-
trazeption, Drogenabusus und
schlechte Ernährung.
Neben Zervixkarzinomen
sind ein Großteil der Vagi-
nal- und Analkarzinome und
ein Teil der Karzinome von
Vulva, Penis und des Nasen-
Rachenraumes durch HPV
verursacht. Auch bei diesen
Tumoren spielt HPV-16 in der
Genese die wichtigste Rolle.
Epidemiologie
Die meisten genitalen HPV-
Infektionen führen jedoch zu
keiner Erkrankung. Es wird
angenommen, dass weltweit
ca. 300 Millionen Frauen mit
HPV infiziert sind. Die Über-
tragung erfolgt weit überwie-
gend beim Geschlechtsver-
kehr, wobei hier der Schleim-
haut-Schleimhaut Kontakt die
wichtigste Rolle spielt. Die
meisten Jugendlichen infizie-
ren sich mit HPVs innerhalb
weniger Jahre nach Aufnahme
der sexuellen Aktivität. Da-
bei sind Co-Infektionen mit
mehreren HPV-Typen häufig.
Durch die eigene humorale
Immunantwort werden in-
nerhalb von zwei Jahren 90%
aller infizierten Frauen wieder
negativ für HPV. Der Alters-
gipfel der HPV Infektion liegt
für Frauen zwischen 20 und
25 Jahren.
Infektiologie
Die Infektion findet statt,
wenn HPVs durch kleine
Traumen (z.B. beim Sexual-
verkehr oder bei der Rasur der
Vulva etc.) die Basalmembran
des Epithels erreichen. Da-
nach werden die Viren durch
Endozytose in Basalzellen des
Epithels aufgenommen und zu
den Zellkernen transportiert.
Die Zeit zwischen Infektion
und Ausbildung schwerer Dys-
plasien variiert. Bei einer persi-
stierenden Infektion mit HPV
16/18/45 ist an der Zervix zu
20-30% mit einer CIN-3 inner-
halb der nächsten fünf Jahre zu
rechnen. Bei persistierenden
HPV-16 Infektionen können
sich schwere Dysplasien auch
schnell, d.h. innerhalb von ein
bis zwei Jahren entwickeln. Die
Latenz zwischen initialer HPV
Infektion und klinischem Zer-
vixkarzinom ist jedoch lang
und beträgt zumeist acht Jahre
und mehr.
Verlauf
Die HPV Infektion verläuft in
drei Phasen der viralen Ge-
nexpression: Es können eine
latente, eine permissive und
eine transformierende Infek-
tion unterschieden werden.
Bei einer latenten Infektion
wird kein Virus produziert,
es kommt zu keinen morpho-
logisch fassbaren Verände-
rungen am Epithel. Die mei-
sten HPV Infektionen enden
vermutlich so.
Permissive Infektionen kön-
nen durch low-risk- und/oder
high-risk-HPVs hervorgerufen
werden. Es entstehen Kondy-
lome oder leichte Dysplasien.
Die Expression der viralen
Gene E6 und E7 findet hier
nur in den Basalzellen statt
und ist gut kontrolliert. Zu-
meist nach mehreren Mona-
ten beginnen T-Zellen virale
Antigene zu erkennen, sodass
die allermeisten permissiven
Infektionen innerhalb von
ein bis zwei Jahren wieder
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