AERZTE Steiermark | November - page 14

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ÆRZTE
Steiermark
 || 11|2014
SERIE
Arzt im besonderen Dienst
Fotos: Beigestellt, Conclusio
„Ein großer Schatz“
MARTIN NOVAK
Es hat als ganz normaler Le-
bensweg begonnen, der nicht
ganz gewöhnlich weiterging:
Das Medizinstudium hat
Richard Pichler vom ober­
österreichischen Aschach an
der Donau nach Graz ge-
bracht. Die „Sehnsucht zu
verstehen, wie der Mensch
‚heil‘ werden kann“, hat ihn
nach Abschluss dieses Studi-
ums dazu motiviert, zusätz-
lich ein Theologiestudium zu
beginnen.
Der Ausgang ist noch offen:
Pichler war zwei Jahre als
Missionar (
)
in Graz tätig, kürzlich hat er
seinen Allgemein-Turnus in
der psychiatrischen Abteilung
der Barmherzigen Brüder in
Eggenberg begonnen. Psy-
chiatrie oder Kinder- und
Jugendpsychiatrie sind mög-
liche Ziele. Ein anderes ist es,
Priester zu werden.
Wie kann Heil
passieren?
Sein doppeltes Interesse hat
Pichler dazu bewogen, mit
seiner Diplomarbeit an der
Medizinischen Universität
einen „Randbereich der Me-
dizin“, wie er es selbst nennt,
zu betrachten: „Therapeutic
Touch“ als Heilverfahren –
Eine kritische Aufarbeitung
der Literatur“ lautet der pro-
saisch klingende Titel. Dahin-
ter stehen für ihn aber grund-
legende Fragen, die er auch
bei einer Vorlesung anlässlich
der Grazer Fortbildungstage
2014 erläutert hat: „Wie kann
Heil passieren?“
Heil, heilen, heilig, das sind
verwandte Begriffe, die so-
wohl in der Medizin, als
auch in der Religion von
zentraler Bedeutung sind,
nicht nur – aber auch – in
der christlichen. Das Wort
„heil“ ist, wie die etymolo-
gische Forschung verrät, aus
dem sakralen Bereich in die
Alltagssprache gekommen.
Es bedeutet neben „gesund“,
„unversehrt“ oder „gerettet“
auch „ganz“ (man denke an
das englische „whole“). Auch
in der norddeutschen Um-
gangssprachewird „heil“ im-
mer noch in der Bedeutung
von „ganz“ verwendet.
„Heil“ werden, ist Pichler
überzeugt, reicht über die
Medizin hinaus, sie kann aber
einen wichtigen Beitrag lei-
sten – „wenn nicht nur die
Laborparameter wieder in
Ordnung sind, sondern der
Mensch wieder zu strahlen
beginnt“. Das Teilhabendür-
fen an dieser umfassenden
Gesundung sei auch ein Ge-
schenk, das man im Arzt-
beruf erfährt. Der über das
rein Medizinische hinaus-
reichende Beitrag des Arztes
sei es, könne es sein, dem
Menschen, den er als Pati-
enten behandelt, Vertrauen
und Zutrauen zu vermitteln,
ihn dabei zu unterstützten,
die Bedeutung seines Lebens
(wieder) zu erkennen.
Die Menschen tun es
Damit gehört es auch zum
Arztsein, sich mit komple-
mentären oder alternativen
Methoden zumindest in
den Grundlagen zu befas-
sen. Denn „die Anspruchs-
haltung nimmt extrem zu“
ist Pichlers Eindruck. Diese
Entwicklungen, so schreibt
er in seiner Diplomarbeit,
„zeigen deutlich die Notwen-
digkeit auf, sich als Arzt
mit Themen und Inhalten
der alternativ/komplemen-
tären Medizin wie Thera-
peutic Touch gewissenhaft
auseinanderzusetzen, um
vielleicht in ferner oder na-
her Zukunft komplementäre
Behandlung unter kontrol-
lierten Bedingungen unter-
stützend zu evidenzbasierten
Therapieformen anbieten zu
können – Behandlungsme-
thoden, die hilfesuchende
Patienten bereits ohnedies in
Anspruch nehmen“.
Vom amerikanischen Psychi-
ater und Mitbegründer der
modernen Hypnose in der
Psychotherapie Milton Eric-
son stammt die, so Pichler,
Erkenntnis, „dass Patienten
einem vernünftigen Thera-
pieansatz gegenüber eher zu-
gänglich sind, wenn es dem
Arzt gelingt, die geplante The-
rapie in das Weltbild des
Patienten einzubetten und
mit einer ihm vertrauten Ter-
minologie zu erklären bzw.
Verhalten und Vorstellungen
des Patienten zu ‚utilisieren‘“.
Daher sei es nötig, „dass wir
darüber Bescheid wissen“
ist Pichler überzeugt. Ärzte
sollten „offen für diese The-
men“ sein, er könne sich auch
ein spezielles Studienmodul
vorstellen.
Wobei er betont, dass im-
mer der „kritische Blick“ aus
der Perspektive der medi-
zinischen Wissenschaft, die
„super Fortschritte macht“,
nötig sei. Auch wenn er als
Christ an Wunder glaube,
seien doch Berichte darüber
Richard Pichler ist Turnusarzt.
Vielleicht wird er Priester.
Vielleicht Psychiater. Was ihn treibt, ist die Sehnsucht zu ver­
stehen, wie der Mensch heil werden kann.
„Während der wissenschaftliche
Blick auf der einen Seite nicht getrübt
werden darf, steht dem gegenüber die
Grenze des Machbaren, die unheilbare
Todeserkrankung, der Punkt, an
welchem die Hoffnung auf Heilung
durch analytische Wissenschaft
langsam blasser wird und Glaube und
Religion dem Menschen helfen, sein
Schicksal zu ertragen.“
Aus der Diplomarbeit von Richard Pichler
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