AERZTE Steiermark | November - page 7

ÆRZTE
Steiermark
 || 11|2014
7
„Krankenkassen unter Fusionsdruck“ titelt eine
Tageszeitung. Wieder ist die Debatte darüber ent-
brannt, ob die Krankenkassen nicht zu einem Rie-
seninstitut zusammengeführt werden sollten.
Die Diskussion ist nicht unverständlich: Warum
muss es den Steirerinnen und Steirern in vielen
Belangen schlechter gehen als den Versicherten an-
derer Bundesländer?
Was gegen die Fusion spricht, ist die Erfahrung,
dass sich eine Nivellierung eher am schlechtesten
als am besten Angebot orientieren würde. Und
ein noch größerer Apparat wäre vermutlich noch
schwerer reformierbar als die derzeitigen Organi-
sationen. Und Reformen sind dringend an der Zeit.
Wir sind dazu nicht nur bereit, wir fordern sie ein:
Neue Zusammenarbeitsformen und ein grundle-
gend neuer, das heißt zeitgemäßer, Leistungskatalog
wären eine kongruente Maßnahme zu den Re-
formen in den Spitälern. Krankenkassen sind kein
betriebswirtschaftlicher Selbstzweck, sondern im
Prinzip die zweite wichtige Säule im öffentlichen
Gesundheitswesen.
Dass mit Peter McDonald ein Kassenchef Präsident
des Hauptverbandes geworden ist, der in „seiner“
SVA ein wenig reformfreudiger war als die anderen
Kassen, ist Anlass zum Optimismus. Der aber leider
dadurch begrenzt ist, dass die Gebietskrankenkas-
sen einem Repräsentanten der „Wirtschaftskran-
kenkasse“ wohl auch distanziert gegenüberstehen.
Die Tarifanpassungsautomatik von 2,1 Prozent ist
eine unbefriedigende Alternative zu einer gestal-
tenden Reform. Obwohl: Die Zahl wird GKK-Funk-
tionären vermutlich gefallen. Entspricht sie doch
genau dem Prozentsatz, den die Kollegen aus der
„Leit“-Gewerkschaft der Metaller unlängst
herausverhandelt haben.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Dass Ärztekammer und Betriebsrat, KAGes-Vorstand und Po-
litik mit unterschiedlichen Zielen in Verhandlungen gehen, ist
normal. Bei diesen Dienst- und Besoldungsrechtverhandlungen
gab es aber ein gemeinsames, übergeordnetes Ziel: Die steiri­
sche Ärzteflucht zu stoppen und die Landeskrankenhäuser zu
attraktiv(er)en Arbeitsplätzen zu machen – vor allem im Wettbe-
werb mit anderen Bundesländern und Staaten.
Dieses gemeinsame Ziel erklärt auch das Ergebnis der Verhand-
lungen. Die viel beschworene „Reform-
partnerschaft“ hat funktioniert, auch
ohne Streikdrohungen und öffentliches
Getöse. Das Gegenteil, „klassische“ Ver-
handlungen, haben wir gerade bei den
Metallern erlebt, die bekanntlich mit
einer Lohn- und Gehaltserhöhung von
genau 2,1 Prozent zu Ende gingen.
Natürlich, auch unser Verhandlungs-
ergebnis hätte noch spektakulärer,
noch beeindruckender sein können. Das kann es immer. Es gibt
keine Grenze nach oben. Was uns aber auch geeint hat, war ein
gemeinsames Verantwortungsgefühl für die Gesundheitsversor-
gung in der Steiermark.
Wie gut ein Ergebnis ist, kann man am besten aus den Reak-
tionen von auswärts ablesen. Es kommt nicht oft vor, dass aus
Kärnten, Oberösterreich, Salzburg … beeindruckt, respektvoll,
vom einen oder anderen vielleicht auch mit ein wenig Neid in
die Steiermark geblickt wird. Diesmal ist das passiert. Wir haben
als erstes Bundesland in Österreich, nicht nur dem neuen Kran-
kenanstaltenarbeitszeitgesetz die Stirn geboten. Wir sind auch
ganz plötzlich ein interessantes Ziel für Ärzte aus anderen Bun-
desländern geworden.
Wobei es uns auch immer darum ging, nicht nur eine Lösung
zu finden, die 2015 funktioniert, sondern ein Weg zu zeichnen,
der über das Jahr 2021 hinausreicht. Wir haben jetzt schon einen
großen Teil der Antworten auf die Fragen, die sich aus den ge-
planten, gesetzlichen Veränderungen des Jahres 2018 und eben
2021 ergeben werden.
Wir haben eine Zukunft gebaut, die in der Gegenwart beginnt.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
EXTRA
Weiterer Kurienbericht ab Seite 48.
Jörg Garzarolli
2,1 Prozent oder
eine richtige Reform
DEBATTE
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, ORF, Grafik: Mirko Maric´
STANDORTBESTIMMUNG
Herwig Lindner
Die Zukunft beginnt jetzt
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