AERZTE Steiermark | November - page 6

Sich irgendwie durch die Ausbildung kämp-
fen und dann 30 und mehr Jahre ohne große
Entwicklungsmöglichkeiten der Pension entge-
genarbeiten, viele, viele Nacht- und Wochenend-
dienste als Schicksal hinnehmen. Das war das
spitalsärztliche Berufsleben bisher, auch in der
Steiermark.
Mit dem neuen Dienst- und Besoldungsrecht
ändert sich das. Für Ärztinnen und Ärzte in Aus-
bildung gibt es neben der Gehaltserhöhung ein
ganzes Paket an Begleitmaßnahmen, vom unbe-
fristeten Vertrag bis zum deutlich erhöhten Fort-
bildungsbudget, das ein exzellentes Fundament
für eine Spitalskarriere bietet. Facharzt, Oberarzt,
Funktionsoberarzt, Geschäftsführender Oberarzt
… das sind solide Karriereangebote, eine Chan-
ce, die alle nutzen können, die das wollen. Aber
niemand muss: Auch etwas weniger zu arbeiten,
aber als Stationsärztin bzw. -arzt ebenfalls eine
wichtige Rolle zu spielen, die vielleicht etwas bes-
ser mit dem Privatleben vereinbar ist, kann ein
erstrebenswertes Lebensmodell sein.
Die Basis ist ein deutlich besseres Grundein-
kommen, das es erlaubt, mit deutlicher weniger
Nachtdiensten ein gutes Auslangen zu finden.
Wer dennoch anderswo noch bessere Möglich-
keiten sieht – im Ausland oder in der Praxis
– sollte diese nutzen. Exzellent ausgebildete Ärz-
tinnen und Ärzte haben einen hohen Marktwert.
Angesichts der Ärzteflucht aus der Steiermark,
des Ärztemangels in den öffentlichen Spitälern
und des neuen KA-AZGs hatten wir die Chance,
einen grundsätzlichen Wandel einzuleiten. Wer
in den nächsten zehn, 20, 30 Jahren in einem
steirischen LKH arbeitet, tut das unter anderen
Bedingungen als seine Vorgängerinnen und Vor-
gänger.
Vizepräsident Dr. Martin Wehrschütz
ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte.
INTRA
Weiterer Kurienbericht ab Seite 42.
Martin Wehrschütz
Chance und
Lebensmodell
KONT A
Nun hat der Nationalrat also die neuen Ärzte-Dienst-
zeiten beschlossen. Mit rund einem Jahrzehnt Verspä-
tung hat Österreich eine entsprechende EU-Vorgabe
erfüllt. Wenige Tage zuvor war in der Steiermark ein
Durchbruch zelebriert worden. Gesundheitslandesrat,
KAGes-Chefs, Ärztekammer-Spitze und Spitalsärzte-
Vertreter traten gemeinsam vor die Presse. Der Geld-
hahn werde aufgedreht, das Grundgehalt der Spitals­
ärzte erhöht. Ein Maßnahmenpaket werde das Arzt-
Sein im Spital attraktiver machen. Eine neue Ära im
steirischen Gesundheitswesen.
Doch hinter den Kulissen brodelt es. Böse Briefe kur-
sieren. Dass Turnusärzte um 10 Prozent mehr bekom-
men, Fachärzte um 18 Prozent, stößt so manchem sau-
er auf. Noch dazu, da aus den 18 Boni durch Boni, etwa
für geleistete Ausbildung, durchaus 30 Boni werden
können. Futterneid der Jungen? Sicher, ohne Erhöhung
wäre gerade der Mittelbau in ein finanzielles Loch
gestürzt, machten die Überstunden doch bis zu einem
Drittel des Gehalts aus. Es stellt sich aber die Frage,
ob diese Form der Gehaltserhöhung die Ärzteflucht
stoppen wird.
Ein Turnusarzt bekommt 100 Euro netto mehr. Wird
er oder sie damit abgehalten, das Weite zu suchen? Die
Arrivierten bekommen mehr und damit auch mehr
Grund zu bleiben, doch würden sie überhaupt gehen?
Und werden die, die für´s Ausbilden einen Extra-Bonus
bekommen, in Zukunft auch wirklich mehr Zeit dafür
aufwenden können?
Wenn ab 1. Jänner die erste Stufe der Dienstzeiten-Re-
duktion in Kraft tritt, wird, wenn man die Arbeitsstun-
den grob umrechnet, pro Abteilung ein Arzt fehlen.
Steiermarkweit wären das 60 bis 70 Planstellen Werden
sie besetzt? Wo doch schon jetzt 70 Planstellen nicht
besetzt werden können.
Vor zwei Tagen telefonierte ich mit einem Oberarzt, um
ihm zum bevorstehenden Gehaltssprung zu gratulieren.
Er sprach von Schweigegeld. Strukturell sei nichts ver-
bessert worden. Er renne bis zum Anschlag.
Mag. Helmut Schöffmann ist Redakteur beim
ORF Steiermark.
Helmut Schöffmann
War‘s das?
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ÆRZTE
Steiermark
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