Ærzte
Steiermark
 || 11|2013
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Niedergelassene Ärztinnen sollen täglich von früh-
morgens bis spät in die Nacht, oder besser noch
rund um die Uhr, offen halten, um die Spitalsam-
bulanzen zu entlasten. Niedergelassene Ärztinnen
und Ärzte sollen mehr Leistungen erbringen, damit
sich Spitäler auf ihre ureigensten Aufgaben konzen-
trieren können. Kein Beitrag zur aktuellen Spitals-
diskussion, egal ob er von Politikern, Gesundheits-
„Experten“, Patienten-„Anwälten“, Gesundheits-
„Ökonomen“ oder auch Ärzten kommt, verzichtet
auf diese an sich richtigen Stehsätze.
Nur: Die Frage nach dem Wie wird dabei weder
gestellt, noch beantwortet. Natürlich kann in der
Steiermark auch jede niedergelassene Allgemein-
medizinerin, jeder niedergelassene Allgemeinme-
diziner mit entsprechender Ausbildung ein Stan-
dard-EKG machen (um nur ein simples Beispiel
von vielen zu erwähnen). Aber viele Leistungen
– allgemeinmedizinische und fachärztliche – dür-
fen im niedergelassenen Bereich nicht gemacht
werden, weil sie die GKK nicht bezahlt.
Längere Öffnungszeiten im extramuralen Bereich
sind in Einzelpraxen nicht möglich, das sagt
einem der Hausverstand. Dazu braucht es andere
Organisationsformen, Gruppenpraxen und Ärzte-
gesellschaften, die im Kassenbereich praktisch
nicht möglich sind.
Solange es die politischen Akteure und deren
Experten zulassen, dass die Repräsentanten der
Krankenkassen sich die Reformdiskussionen
schweigend anhören und keinen Beitrag leisten
müssen, wird es keine Reform geben, die diesen
Namen verdient. Dieser Gordische Knoten muss
zerschlagen werden. Vielleicht können sich ein
neues Parlament und die künftige Regierung dazu
aufraffen. Das wäre eine neue Politik, wie sie jetzt
so gerne beschworen wird.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Laut mehrerer Umfragen sind rund 40 Prozent der Arbeitszeit
von Turnusärztinnen und Turnusärzten mit Verwaltungsaufga-
ben blockiert. Das heißt, die Arbeitszeit von 331 steirischen Tur-
nusärztinnen und -ärzten besteht nur in Bewältigung der Büro-
kratie. Ein junger Kollege hat kürzlich ausgerechnet, dass an nur
einer Abteilung für zusätzliche (nichtärztliche) Dokumentation
192 Stunden pro Monat aufgehen. Das ist eine ganze Arztstelle.
Die Beispiele zeigen: Könnten wir die Verwaltungsarbeit um ein
Fünftel reduzieren, hätten wir mit einem Schlag die Arbeitszeit
von mehr als 65 Turnus­
ärztinnen und -ärzten
für die ureigene ärztliche
Arbeit mit den Patien-
tinnen und Patienten
bzw. die turnusärztliche
Ausbildung zur Verfü-
gung. Diese Zahlen lassen
sich – vielleicht nicht ganz
so dramatisch – auch auf
Assistenzärztinnen und
-ärzte sowie die fachärztliche Arbeitszeit umlegen.
„Verwaltung erfindet Verwaltung“, lautet eine vielfach bestätigte
Wahrheit. Verwaltung glaubt auch, dass Mängel, welcher Art
auch immer, dadurch am besten behoben werden, indem man
sie möglichst penibel dokumentiert. Das Gegenteil stimmt: Je
mehr dokumentiert wird, desto weniger Zeit bleibt für Kommu-
nikation, für Empathie, für menschliche Medizin. So wird die
Verwaltung zur Ursache jener Probleme, die sie lösen will.
Bei neuen Gesetzen wird obligatorisch ausgewiesen, welche
Kosten sie nach sich ziehen. Bei Gesetzen, Verordnungen, Pro-
jekten und sonstigen Neuerungen im Bereich der Spitäler sollte
verpflichtend ausgewiesen werden müssen, welcher (zusätzliche)
Zeitaufwand für Ärztinnen und Ärzte, genauso aber für die
Pflege, damit verbunden ist. Wenn die zusätzlich erforderlichen
Ressourcen nicht geschaffen werden können, dann kann es die
Neuerung eben nicht geben.
Das ist zu einfach? Einfach ist es in der Tat. Es ist einfach die
Grundlage, um die ärztliche Durcharbeitszeit zu reduzieren, es
ist die Grundlage einer Verbesserung der Ausbildung, es ist die
Basis, um die ärztliche Arbeitszeit zu normalisieren. Es ist die
Grundlage jeder Reform in Zeiten begrenzter Ressourcen.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 44.
Jörg Garzarolli
Reformen  
brauchen Reformer
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, beigestellt, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Zeit ist  
der Schlüssel
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