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Ærzte
Steiermark
 || 04|2013
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Studie
Gesundheit in der Krise
Die Formel ist einfach: Eine
Wirtschaftskrise veranlasst
Staaten, die öffentlichen Aus-
gaben zu kürzen, die Finan-
zierung der Gesundheitsver-
sorgung, die in den meisten
europäischen Staaten zum
überwiegenden Teil aus öf-
fentlichen Geldern bestritten
wird, ist davon besonders
betroffen. Gleichzeitig wirken
sich soziale Folgen (Arbeitslo-
sigkeit, Senkung der Kaufkraft
…) negativ auf die Gesundheit
aus. Psychische Belastung,
der erschwerte Zugang zu Ge-
sundheitsleistungen und das
Bemühen der privaten Haus-
halte, bei den Gesundheitsaus-
gaben zu sparen, ergeben einen
fatalen Mix.
Das Dilemma dabei: Die wirt-
schaftlichen Auswirkungen
einer Krise, wie geringeres
Wirtschaftswachstum oder
steigende Arbeitslosigkeit,
lassen sich statistisch sehr
rasch erfassen, während ne-
gative Auswirkungen auf die
Gesundheit vergleichsweise
langsam erkennbar werden.
Daher habe sich die Politik in
Europa primär auf die wirt-
schaftlichen Effekte konzen-
triert, lautet der Vorwurf eines
Teams von Wissenschaftlern
britischer, US-amerikanischer
und niederländischer For-
schungseinrichtungen bzw.
Universitäten, die die Auswir-
kungen auf Morbidität und
Mortalität untersucht und
Ende März im renommierten
medizinischen Journal The
Lancet veröffentlicht haben.
Insbesondere in den von der
Krise am meisten betrof-
fenen Ländern Griechenland,
Spanien und Portugal, aber
auch in anderen – wenn auch
weniger ausgeprägt – seien
diese Auswirkungen aber be-
reits fassbar, schreiben die
Experten. Mehr psychische
Erkrankungen, aber auch
eine erhöhte Zahl von HIV-
Infektionen aufgrund der
Einschränkung öffentlicher
Vorsorgeprogramme etwa für
Drogenabhängige, sind die
Folgen der Krise und der
Sparpolitik. Eine harte Zahl
ist die Selbstmordrate: Bis
2007 sank sie kontinuierlich,
seit 2008 hat sich die Ent-
wicklung umgedreht.
Ausnahme Island
Nur auf den ersten Blick er-
staunlich ist, dass Island, ob-
wohl durch die Bankenkrise
frühzeitig schwer getroffen,
gesundheit liche Auswir-
kungen laut dieser Studie
weitgehend vermeiden konn-
te. Die einfache Erklärung:
Island ignorierte weitgehend
die Empfehlungen des Inter-
nationalen Währungsfonds
und investierte in Soziale
Sicherheit. Ironischerweise
wirkte sich die Finanzkrise
positiv auf den Lebensstil aus
– statt Fastfood auswärts gibt
es mehr selbst zubereiteten
Fisch aus heimischen Bestän-
den – außerdem ist in Island
die soziale Zusammengehö-
rigkeit besonders stark.
Das Schweigen  
der Experten
Dass es zu diesen Effekten ge-
kommen sei, führt die Studie
auch auf das Verhalten der
Public Health Experten zurück.
Diese wären weitgehend still
geblieben, obwohl die Aus-
wirkungen bereits erkennbar
waren …
Quelle: M Karanikolos MSc,
J Cylus MSc, Prof M McKee
MD et al.: Financial Crisis,
austerity, and Health in Europe.
In: Lancet, publiziert am 27.
März 2013.
Ein Team mehrerer europäischer und amerikanischer For-
schungseinrichtungen
hat die Auswirkungen der Wirtschaftskri-
se und der daraus resultierenden Einsparungen auf die Gesund-
heit untersucht. Kurze Zusammenfassung: Es gibt sie bereits.
„Economic crises and
their countermeasures
have pronounced
unintended effects on
public health, yet public
health experts have
remained largely silent
during this crisis.“
Aus der Lancet-Studie
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