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zuständigkeiten, inflationäre

Gesetzesbestimmungen wie

z. B. über 30 unterschiedliche

Dienstrechte und zehn Kran-

kenanstaltengesetze. „Das ist

bürokratischer und organisa-

torischer Irrsinn. Man muss

hier ansetzen und verein-

heitlichen“, betonte der ÖÄK-

Vizepräsident. Auch die Ab-

grenzungsprobleme zwischen

intra- und extramuralem

Bereich sowie zwischen den

Bereichen Gesundheit und

Soziales müssten angegangen

werden. „Die angesprochenen

Problembereiche betreffen ja

nicht nur uns Ärzte, sondern

auch andere Gesundheits-

berufe und in letzter Konse-

quenz immer auch die Pati-

enten“, führte Mayer aus. Es

mangle an Konzepten, wie

diese Probleme angegangen

und beseitigt werden sollten.

Warnung vor Sparstift

Mayer: „Anstatt sich um

strukturelle Probleme zu

kümmern, setzt die Politik

den Sparstift an und koppelt

den jährlichen Zuwachs der

Ausgaben im Gesundheitswe-

sen an das Wirtschaftswachs-

tum – und das in einer Zeit,

in der die medizinische Ver-

sorgung zwar immer besser,

aber dank des medizinischen

Fortschritts auch kostspieliger

wird.“ So wird etwa Krebs

durch neue therapeutische

Ansätze zunehmend zu ei-

ner chronischen Erkrankung.

Gleichzeitig steigen dadurch

aber auch die Behandlungs-

kosten. „Zwischen 2010 und

2015 sind die Ausgaben allein

für Krebsmedikamente um

39 Prozent gestiegen, Exper-

ten gehen davon aus, dass

die Kosten jährlich weiter

um sechs bis acht Prozent

anwachsen werden. Wie soll

das mit weniger Geld im Sys-

tem bewerkstelligt werden?“,

fragte der ÖÄK-Vizepräsi-

dent. Er verwies darauf, dass

allein im Jahr 2014 33 Mrd.

Euro für laufende Gesund-

heitsausgaben und weitere 2,4

Mrd. Euro für Investitionen

im Gesundheitsbereich aus-

gegeben worden seien. „Im

Zeitraum zwischen 1990 und

2014 sind die Ausgaben im

Durchschnitt um fünf Pro-

zent pro Jahr gestiegen. Ein

Ende des Aufwärtstrends ist

nicht in Sicht. Trotzdem soll

gespart werden“, kritisierte

der ÖÄK-Vizepräsident. Er

gehe davon aus, dass der bis-

her noch relativ kleine Anteil

an privaten Gesundheitsaus-

gaben künftig weiter wach-

sen werde und dadurch die

Zwei-Klassen-Medizin befeu-

ert werde. Mayer: „Die Politik

muss dafür sorgen, dass die

Betreuung der Patienten un-

abhängig vom Einkommen

gewährleistet bleibt. Man darf

die medizinische Versorgung

nicht einem falsch verstan-

denen Spargedanken opfern.“

Damoklesschwert

Demografie

„Die Bevölkerung wird immer

älter. Die durchschnittliche

Lebenserwartung von Frauen

liegt derzeit bei 84 Jahren, die

der Männer bei 79,2 Jahren.

Wir müssen davon ausgehen,

dass die Lebenserwartung bis

2060 um weitere 4,7 Jahre für

Männer und um 4,5 Jahre für

Frauen steigen wird“, führte

Mayer aus. Die steigende Le-

benserwartung sei dabei nicht

notwendigerweise mit mehr

gesunden Lebensjahren ver-

bunden, im Gegenteil: Ab

dem 60. Lebensjahr steige

der Arzneimittelbedarf an,

viele Menschen hätten mit

chronischen Erkrankungen

zu kämpfen. Dadurch würden

auch die Kosten für das Ge-

samtsystem weiter anwachsen.

Zu berücksichtigen ist aber

auch die demografische Ent-

wicklung im Bereich der Ärz-

teschaft: Während im Jahr

2005 nur elf Prozent der

angestellten Ärztinnen und

Ärzte (2.691 Personen) über

55 Jahre alt gewesen sind,

waren es im Jahr 2015 bereits

6.419 Ärztinnen und Ärzte

(21 Prozent). „In den kom-

menden zehn Jahren wird

uns eine Pensionierungswelle

überrollen. Wenn jetzt nicht

gegengesteuert wird, wird das

dramatische Konsequenzen

für die medizinische Versor-

gung haben“, warnte Mayer.

Um den medizinischen Nach-

wuchs ins Boot zu holen bzw.

dafür zu sorgen, dass Jung­

ärztinnen und -ärzte auch

im Land blieben, müsste man

verschiedene Maßnahmen

ergreifen. So sei es unter an-

derem dringend erforderlich,

die seit Jahren überbordende

Bürokratie einzudämmen

und beispielsweise die von

der Bundeskurie seit Langem

geforderten Administrations-

assistenten zu installieren.

Abschließend forderte Mayer

einmal mehr klare Zustän-

digkeiten, einen einheitlichen

rechtlichen Rahmen sowie

klare Konzepte für die Zu-

kunft: „Anders wird es nicht

möglich sein, die Gesund-

heitsversorgung auf hohem

Niveau zu halten oder gar zu

steigern.“

Forderungen kompakt

y

Keine weiteren Einsparungen (wie

längere Wartezeiten, eingeschränk­

tes Angebot, Krankenbetten am

Gang etc.)

y

Die Politik muss der Bevölkerung

reinen Wein einschenken: Kosten­

wahrheit/Leistungswahrheit sowie

transparente Informationen über

Leistungseinschränkungen

y

Entlastung der Spitalsambulanzen

durch Ausbau des wohnortnahen

Angebots

y

Verbesserung der ärztlichen Ar­

beitsbedingungen sowohl für ältere

als auch für jüngere Ärztinnen und

Ärzte

y

Familienfreundliche Lösungen und

Zukunftsperspektiven für den medi­

zinischen Nachwuchs

y

Weg vom ökonomischen Zwang

bei ärztlichen Entscheidungen! Die

Ärzteschaft ist nicht der Mangelver­

walter des Gesundheitssystems

y

Strukturierter Weg des Patienten

durch das System

y

Entlastung der Ärzteschaft von

Tätigkeiten, die an Pflegepersonal

delegiert werden können; Gesamt­

verantwortung soll beim Arzt liegen

y

Entlastung von Bürokratie durch

Einsatz von Dokumentations­

assistenten, administrative Unter­

stützung und moderne IT-Lösungen

y

Weiterentwicklung jener Aspekte,

die sich bewährt haben und die gut

funktionieren (z. B. Lehrpraxis)

y

Einbindung der Ärzteschaft in die

Weiterentwicklung der medizini­

schen Versorgung

y

Umsetzung des von der Bundesku­

rie erarbeiteten Konzepts „Spitals­

arzt 2025“

y

Beseitigung von Doppel- und Mehr­

fachzuständigkeiten im Gesund­

heitswesen: über 30 unterschied­

liche Dienstrechte, zehn Kranken­

anstaltengesetze. Es braucht klare

rechtliche Rahmenbedingungen,

klare Zuständigkeiten, klare Kon­

zepte für die Zukunft

„… gleichbleibende, ja

sogar bessere Qualität

im Gesundheitswesen

bei sinkenden Kosten.

Das ist eine Rechnung,

die einfach nicht

aufgehen kann.“

Harald Mayer

ÆRZTE

Steiermark

 || 01|2017

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ANGESTELLTE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE