Previous Page  18 / 60 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 18 / 60 Next Page
Page Background

18

ÆRZTE

Steiermark

 || 01|2017

ETHIK

men wird, selbst wenn das

erhoffte Ziel, also Heilung,

Verbesserung des Allgemein-

zustandes oder die Mög-

lichkeit ein selbstbestimmtes

Leben zu führen, dadurch

nicht mehr erreicht werden

kann?“, so Tritthart.

Viele Angehörige realisier-

ten erst am Sterbebett ihres

Partners, dass sie nach ös-

terreichischem Recht eigent-

lich keinerlei Entscheidungs-

befugnis haben. Nur eine

verschwindende Minderheit

sorge vor, etwa mittels be-

achtlicher Patientenverfügung

und Vorsorgevollmacht. Ganz

selten existiere eine derart

klare – wenn auch ungewöhn-

liche – Meinungsäußerung

wie bei jener Patientin, die

sich „Do not resuscitate“ auf

den Oberkörper hat tätowie-

ren lassen. Hier sei noch viel

Bewusstseinsbildung nötig,

betont der Vorsitzende des

Ethikkomitees.

U. JUNGMEIER-SCHOLZ

Wann verlängert eine ärzt-

liche Behandlung das Leben

und wann verlängert sie nur

noch das Sterben? Dieser Fra-

ge widmet sich das Ethikko-

mitee am LKH-Universitäts-

klinikum Graz – in grund-

sätzlichen Überlegungen,

aber auch in zahlreichen kon-

kreten Einzelfällen.

„Hilfe am Ende des Lebens,

gelegentlich auch am Anfang“

– mit diesen Worten umreißt

Hans Tritthart, Neurochirurg

und Vorsitzender des Ethik-

komitees, die Hauptaufga-

be dieser interdisziplinären

Gruppe, die vor kurzem ihr

zehnjähriges Bestehen gefei-

ert hat. Am Ende des Lebens

geht es darum zu entscheiden,

welche Form von Behandlung

noch durchgeführt wird und

welche nicht.

Am Beginn des Lebens wird

das Komitee dann kontak-

tiert, wenn ein Kind mit

multiplen gravierenden Fehl-

bildungen zur Welt kommt

– daher ist auch immer ein

Kinderfacharzt vertreten.

Manchmal bleibt da nur die

Wahlmöglichkeit, nichts zu

unternehmen, weil die Medi-

zin schlichtweg nichts Hei-

lendes anzubieten hat.

Therapieziel ändern

„Bei der Behandlung am Le-

bensende hat eine wichtige

Änderung in der Kommu-

Therapiefreiheit

bleibt beim Arzt

Worin auch immer nach sorg-

fältigem Abwägen und einge-

hender Diskussion im Konsil

das Votum des ehrenamtlich

tätigen Komitees ausfällt, es

hat keine zwingenden Rechts-

folgen. „Wir sind keine Moral-

polizei“, betont Tritthart.

Lediglich als Empfehlung sei

das Ergebnis des Konsils ge-

dacht – die Therapiefreiheit

bleibe weiterhin beim behan-

delnden Arzt oder der Ärztin,

die wie das gesamte Behand-

lungsteam auch am Konsil

teilnehmen. In den seltenen

Fällen, in denen der Patient

ansprechbar ist, gehört auch

er zumKonsil; manchmal sind

Angehörige dabei. Das Ethik-

komitee spricht abschließend

eine Empfehlung aus, prüft

aber nicht im Nachhinein, ob

der Rat befolgt wurde.

Wohl aber wird es häufig

präventiv tätig, nämlich im

nikation stattgefunden“, er-

klärt Sonja Fruhwald, Fach-

ärztin für Anästhesiologie

und Intensivmedizin sowie

stellvertretende Vorsitzende

des Ethikkomitees. „Wenn

früher von Therapieabbruch

gesprochen wurde, hat das

bei den Angehörigen große

Ängste geweckt, dass hier

plötzlich alle Maschinen ab-

geschaltet werden und ein

geliebter Mensch erstickt oder

verdurstet. Daher bezeichnen

wir unser Vorgehen nun als

Änderung des Therapieziels

– von kurativ zu palliativ –,

damit klar ist, dass der Pa-

tient weiterhin unsere volle

Aufmerksamkeit erhält und

die Linderung der Symptome

unser zentrales Augenmerk

darstellt.“

In diesen Fällen wird entwe-

der eine Behandlung nicht

mehr begonnen oder eine

bestehende wohldosiert zu-

rückgenommen – bei fort-

dauernder sorgfältiger Pflege,

angepasster Schmerztherapie

und dem Versuch, auch diese

letzte Phase so lebenswert wie

möglich zu gestalten.

Nur Minderheit sorgt vor

Im Zentrum der Diskussion

steht immer der mutmaß-

liche Wille des Patienten –

auch wenn dieser sich nicht

mehr selbst dazu äußern

kann. „Für uns lautet die

zentrale Frage: Wollte der

Patient, dass alles medizi-

nisch Machbare unternom-

Nicht Moralpolizei,

sondern Entscheidungshilfe

Vor zehn Jahren

formierte sich das Ethikkomitee am Grazer

Uniklinikum als eines der ersten in Österreich. Mittlerweile tritt

im Schnitt fast alle zehn Tage ein Konsil zusammen.

„Für uns die zentrale

Frage: Wollte

der Patient, dass

alles medizinisch

Machbare

unternommen

wird?“

Hans Tritthart