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ÆRZTE
Steiermark
|| 09|2015
Hause kamen, war das ganze
Erdgeschoß feucht. Noch heu-
te zeugen kleine Unregelmä-
ßigkeiten im Terrazzo-Boden
von der nachfolgenden groß
angelegten Trocknungsaktion.
Trotzdem war auch seine Frau
nicht davon abzuhalten, nach
der Beseitigung der Schäden
das Aquarium neu aufstel-
len zu lassen, in dem heute
afrikanische Buntbarsche und
Kuckuckswelse bei lauen 25
Grad ihre Bahnen ziehen und
Revierkämpfe ausfechten.
Spannendes
Sozialverhalten
Vom Goldfisch hat sich Schritt-
wieser also entfernt – der heu-
tige Bestand seines Süßwasser
aquariums entspricht ende-
mischen Arten des ostafri-
kanischen Malawi-Sees, des
neuntgrößten Sees der Erde.
Auch dort leben Buntbarsche
und Kuckuckswelse in Ge-
meinschaft. „Der Kuckucks-
wels braucht die Buntbarsche
sogar für seine Fortpflanzung“,
erklärt der passionierte Aqua-
rist. „Barsche sind Maulbrü-
ter, tragen also zunächst die
Eier und dann die Jungen
eine Zeitlang in ihrem Maul.
Das macht sich der Kuckucks-
wels zu Nutze: Er frisst die
Barscheier, laicht dann selbst
ab und der Buntbarsch nimmt
– ohne es zu wissen – den
fremden Nachwuchs in sei-
nem Maul auf.“ Damit erklärt
sich der Name des kleinen,
braungepunkteten Kuckucks-
welses, der der Nutznießer
im System ist. Warum gerade
U. JUNGMEIER-SCHOLZ
Die erste Verbindung zwischen
Fischen und chirurgischer Tä-
tigkeit stellte Rudolf Schritt-
wieser als kleiner Bub her,
als er seinen ersten Goldfisch
sezierte. Nach dessen Tod na-
türlich. Beide Spezialinteres-
sen – das für Fische und jenes
für die Chirurgie – begleiten
ihn seither. „Bis auf eine kleine
Unterbrechung zur Studienzeit
habe ich seit meinem zwölften
Lebensjahr ein Aquarium“, er-
zählt der Primar der Abteilung
für Allgemeinchirurgie am
LKH Hochsteiermark, Stand-
ort Bruck an der Mur. Dane-
ben fungiert er auch als Leiter
der dislozierten chirurgischen
Ambulanz am LKH Mürz-
zuschlag und unterhält eine
Privatordination in Bruck – da
bleibt leider wenig Zeit für die
Fische, aber die Faszination ist
ungebrochen.
Dass er heute noch ein Aqua-
rium hat, meint er, verdanke
er den stabilen Nerven seiner
Frau Bettina. Denn als die bei-
den vor sechs Jahren ihr neues
Haus gerade bezogen hatten
und das zweieinhalb Meter
lange Aquarium im Herzen
ihres Wohnzimmers zum
ersten Mal mit den nötigen
1500 Litern Wasser aufgefüllt
wurde, passierte ein Malheur:
Aufgrund eines Fehlers in der
Verklebung der Aquarienwän-
de lief das gesamte Wasser aus
und versickerte im Wohnzim-
mer. Als sie spätabends von
einem Theaterbesuch nach
diese Fische seine Wasserland-
schaft bevölkern? „Ich finde es
spannend, eine Artenvielfalt
im Aquarium zu halten, die
auch in der Natur gemeinsam
lebt. Außerdem zeigen speziell
die Buntbarsche ein interes-
santes Sozialverhalten, bei der
Fortpflanzung, wenn ältere
Geschwister die jüngeren auf-
ziehen, aber auch beim Revier-
verhalten.“ Das ökologische
Gleichgewicht von Vermeh-
rung und Gefressenwerden
funktioniert sogar auf diesem
vergleichsweise engen Raum
einwandfrei; der Fischbestand
erneuert sich von selbst. Im-
mer wieder gibt es sowohl bei
den Buntbarschen als auch bei
den Kuckuckswelsen Junge.
Einige davon werden aller-
dings gefressen, sodass die
Besetzung konstant bei etwa
35 Fischen liegt. Einige davon
haben ihr Leben schon in die-
sem Aquarium begonnen.
Hierarchie unter
Ärzten wie Fischen
„Fische sind intelligent – und
sie beobachten uns genauso
wie wir sie“, erklärt Schritt-
wieser und demonstriert den
Wahrheitsgehalt seiner Aussa-
ge. Öffnet er die Tür zu jenem
Kasten, in dem er das Futter
aufbewahrt, versammelt sich
der gesamte Schwarm in je-
ner Ecke des Aquariums, die
sich am nächsten beim Kasten
befindet. In diese Ecke streut
Schrittwieser dann auch die
Krill Chips. Was anschließend
passiert, entlarvt das Vorur-
teil von Fischen als ruhigen,
friedliebenden Haustieren als
Lüge: Sofort wird ersichtlich,
wer die Ranghöchsten der
Gemeinschaft sind, die das
meiste Futter abbekommen.
„Keine Angst – ich füttere ge-
nug, sodass alle satt werden“,
beruhigt er. Aber nicht nur
beim Fressen zeigt sich die
interne Hierarchie. Beobachtet
man die Fische über einen
längeren Zeitraum, sind auch
die Revierkämpfe der schil-
lernden Buntbarsch-Männ-
chen nicht zu übersehen. Sie
fixieren einander mit den Au-
gen, bevor sie rasch aufeinan-
der zuschwimmen wie mit-
telalterliche Ritter im Turnier
aufeinander zureiten. Gefragt
nach den Parallelen zwischen
Aquarien und chirurgischen
Abteilungen fallen dem Aqua-
risten auch sofort die Hierar-
chien und Revierkämpfe ein.
Jene Auseinandersetzungen,
von denen er meint, sie sähen
aus einer gewissen Distanz gar
nicht mehr so unvermeidlich
aus… „Aber man muss sich
ihnen eben stellen, wenn man
nicht ins Eck gedrängt wer-
den möchte.“ Das ist Schritt-
wieser zweifelsohne gelungen.
Während er als kleiner Bub
noch Tierforscher hatte wer-
Zwischen Fischen
und OP-Tischen
Afrikanische Buntbarsche und
Kuckuckswelse gehören
ebenso zum Leben des Chirurgie-Primars Rudolf Schrittwieser
wie Hernien-OPs: In Bruck an der Mur oder Windhuk.
Prim. Rudolf Schrittwieser: 1.500
Liter Malawisee im Wohnzimmer.
ARZT IM BESONDEREN DIENST