

ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2017
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90. Das gilt sowohl für die
männlichen Funktionärskol-
legen als auch die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter der
Kammer. Den schlechtesten
Wert hat die Beachtung durch
die Kollegen, sie liegt aber
immer noch bei 64 (siehe Gra-
fiken, Seite 12).
Das stärkste Motiv für das
Engagement der Ärztinnen
ist es, „die weibliche Sicht
auf standespolitische Belange
einzubringen“ – hier liegt der
Durchschnitt bei über 75. Das
gilt nicht nur für Themen, die
als „typisch weiblich“ gelten:
„Sich zu beklagen oder zu
jammern ist leicht, sich aber
einzusetzen für die Ausbil-
dung, die Abflachung hierar-
chischer Strukturen oder für
eine menschlichere Behand-
lung im System gibt mir Mut
und Kraft, und hinterlässt das
Gefühl, nicht mehr bloß ein
Spielball im System geworden
zu sein“, sagt Martina Lem-
merer, Chirurgie-Oberärztin
bei den Barmherzigen Brü-
dern und Mitglied im Aus-
schuss für ärztliche Ausbil-
dung.
Wie kann es aber gelingen,
die Hürden aus dem Weg zu
räumen, die Ärztinnen den
Weg in die Kammer versper-
ren? Kinderbetreuung wäh-
rend der Sitzungen (51,43)
und die bessere Abstimmung
von Terminen (47,14) haben
hier die höchsten Werte. Den
Stein der Weisen gibt es aber
nicht. Es gehe um eine grund-
legende Haltung, glaubt Mi-
Wenn man mit Männern
spricht, sagt keiner, dass er
nicht gerne mehr Frauen in
den Gremien hätte. Nur wür-
den zu wenige Frauen Funk-
tionen übernehmen wollen.
Stimmen Sie dem zu oder
halten Sie das für eine Fehlein-
schätzung?
Diese Einschätzung trifft
wohl zu und ich kann verste-
hen, dass sich Frauen diesen
Schritt doppelt und dreifach
überlegen, ganz einfach weil
man die Doppelbelastung mit
Job und Familie nach wie vor
nicht schönzureden braucht,
denn sie ist noch immer vor-
handen. Dinge werden besser,
Männer werden nicht mehr
als Sonderlinge angesehen,
wenn sie zur Versorgung ih-
rer Familie beruflich zurück-
stecken. So wird es Frauen
leichterfallen, Führungsposi-
tionen wahrzunehmen. Und
ganz ehrlich, glaube ich, dass
hier ein gewisses Ungleichge-
wicht bestehen bleiben wird,
welches sich erst ausgleicht,
wenn die eigenen Kinder aus
dem Haus sind, weil ich es
auch als durchaus gesund
finde, wenn die Rollenbilder
nicht zur Gänze auf den Kopf
gestellt werden.
Oft hört man den Vorwurf,
dass die Rahmenbedingungen
in Institutionen nicht „frau-
enfreundlich“ seien. Haben
Sie in der Ärztekammer
Kärnten etwas geändert, um
sie frauenfreundlicher zu ma-
chen bzw. haben Sie das noch
vor?
Ich persönlich verstehe da-
runter zum Beispiel eine
gewisse Termin- und Sit-
zungshygiene. Wir achten in
der Terminisierung darauf,
dass Besprechungen und Sit-
zungen nicht zur Gänze zu
Lasten der Zeit gehen, die wir
mit unseren Kindern verbrin-
gen. Sprich, ich nehme mir
lieber einen Tag Zeitausgleich
von meinem Krankenhaus-
job, um Termine zu erledigen,
während die Kinder in der
Schule sind. Ich bin sehr un-
flexibel bei kurzfristigen Ter-
minen oder Terminverschie-
bungen, sage dann auch nein.
Und hier liegt nun der Un-
terschied in frauenfreundlich
oder nicht. Wenn man frau-
enfreundlich ist, dann ver-
steht und akzeptiert man die-
ses NEIN zu Terminen, wenn
man nicht frauenfreundlich
ist, rümpft man die Nase und
sagt: „Die hat eh nie Zeit!“
Meine Frau Präsidentin [Petra
Preiß, Anm. d. Red.] hat hier
auf wundervolle Art Toleranz
mit mir, sich selbst und auch
allen anderen Frauen in der
Kammer gegenüber.
Was würden Sie anderen Ärz-
tekammern raten?
Nicht die Dinge um das
Frauen- oder Männerthema
herum zu beleuchten, son-
dern Rahmenbedingungen
zu schaffen, die es für alle
Kammerräte möglich ma-
chen, gute Arbeit zu leisten.
Es war ja auch in Kärnten
nicht ganz einfach, Ärztinnen
zu motivieren. Was waren
Ihre Argumente? Und anders-
herum: Welche Argumente
haben Sie selbst überzeugt?
Ich musste nicht überzeugt
werden, weil ich ein zutiefst
politischer Mensch bin, und
andere Ärztinnen kann man
nur überzeugen, wenn man
ein sinnbringendes Miteinan-
der hat. Ich glaube, Frauen
brauchen Tätigkeiten in der
Standesvertretung nicht, um
darüber ihren Selbstwert zu
definieren.
Wie gehen die Männer mit
dieser Situation um?
Die Anfrage in einem per-
sönlichen Gespräch an mich
beim ersten österreichischen
Kammertag, ob ich eine Quo-
tenfrau bin, hat mich zum
Schmunzeln gebracht.
gen Terminen“
„Männer werden nicht mehr als Sonderlinge
angesehen, wenn sie zur Versorgung ihrer Familie
beruflich zurückstecken.“