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ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2017
Die Gabe der Pferde
Eichberger betont, auch ihr
selbst hätten die Pferde dabei
geholfen, den richtigen Weg
zu finden – oder beizube-
halten. „Nach besonders he-
rausfordernden Arbeitstagen
fällt es nicht immer leicht,
abzuschalten. Sobald ich aber
bei den Pferden bin, muss ich
mich voll aufs Hier und Jetzt
konzentrieren.“ Denn die
nehmen feinste menschliche
Signale wahr und können
sogar Adrenalin riechen. Das
ist ein Talent, über das Eich-
berger selbst gerne verfügen
würde. „Wenn ein kranker
Mensch die Ordination be-
tritt, wüsste ich auch gerne
so schnell und treffsicher, wo-
rauf ich mich einstellen muss.“
Zudem hilft die Sensibilität der
Tiere, die Persönlichkeit jener
Menschen weiterzuentwickeln,
die sie führen (wollen). Wer
da nämlich nicht ganz bei der
Sache ist, erlebt, wie es sich
anfühlt, von einem Pony spa-
zieren geführt zu werden, das
sich kurzerhand zum besten
Grasplatz begibt. „Da müssen
U. JUNGMEIER-SCHOLZ
Schon als Kind entdeckte
Ursula Eichberger jene beiden
großen Leidenschaften, die
ihr späteres Berufsleben be-
stimmen sollten: die Medizin
und die Pferde. In ihrer Hei-
matstadt Kapfenberg wohnte
sie direkt neben einer Haus
ärztin. „Sie ist mein großes
Vorbild.“ Gleich angrenzend
an den Hof, in dem Eich-
berger in ihrer Freizeit oft in
einer Baumkrone saß, lag ein
Reitstall. Bereits als Sechsjäh-
rige überredete sie ihre Eltern
dazu, ihr Reitunterricht zu
ermöglichen. Ab da durfte sie
ein- bis zweimal im Monat
reiten. Viel öfter saß sie im
Baum und studierte das Ver-
halten der Tiere – wovon sie
heute noch profitiert.
Bereits vor dem Ende ihres
Medizinstudiums in Graz
kaufte sie sich ihr erstes ei-
genes Pferd, das noch heute
in ihrer Herde lebt. „Diese
Stute war anfangs so schwie-
rig im Umgang, dass ich mich
entscheiden musste, sofort et-
was zu unternehmen oder sie
gleich wieder zu verkaufen.“
Eichberger gab dem Pferd
eine Chance und vertiefte
sich in „Natural Horseman-
ship“ – in das, was man als
Pferdef lüsterei bezeichnet.
Auf diesem Weg ist sie auch
beim Westernreiten gelandet:
weil in dieser Disziplin mehr
Reiter zu finden sind, die sich
eingehend mit der Pferdesee-
meine Patienten oft über sich
selbst schmunzeln und kön-
nen sich danach wesentlich
besser konzentrieren, als wenn
ich sie auf ihre Zerstreutheit
hingewiesen hätte.“
Pferde sind auch erstaunlich
versiert darin, die mensch-
liche Körpersprache zu in-
terpretieren. Im Umgang mit
ihnen lässt sich daher ein ru-
higes, sicheres Auftreten trai-
nieren. Auf diese Kompetenz
wird Ursula Eichberger in
naher Zukunft mehr als sonst
zurückgreifen, denn ihr steht
eine gravierende berufliche
Veränderung bevor – wenn sie
mit Oktober ihre Kassenarzt-
stelle in Birkfeld antritt.
Für alle Fälle gerüstet
Den Weg dorthin hat sie nicht
im Galopp, sondern wie einen
Wanderritt in Etappen genom-
men: Nach dem Medizinstu-
dium in Graz startete sie mit
einer internistischen Fach-
arztausbildung an der Grazer
Stoffwechsel-Ambulanz, wo
sie häufig – auch im wissen-
schaftlichen Kontext – mit
le beschäftigen. Mittlerweile
verfügt sie über abgeschlos-
sene Übungsleiter-Ausbil-
dungen imWesternreiten und
Voltigieren und ist zudem
geprüfte Wanderreitführerin.
Dosis Pferd
gegen Burnout
Doch ihr Brotberuf sind nicht
– oder nicht unmittelbar – die
Pferde: Eichberger ist Allge-
meinmedizinerin mit Diplom
für psychotherapeutische
Medizin sowie ausgebildete
Verhaltenstherapeutin. In ih-
rer therapeutischen Arbeit
allerdings verbindet sie häufig
ihre medizinische mit ihrer
hippologischen Kompetenz.
Während der Therapiestun-
den dürfen Patientinnen und
Patienten der Reha-Klinik St.
Radegund mit Eichbergers
mittlerweile sechs eigenen
Pferden – drei Ponys und drei
Großpferde – ganz spezielle
Erfahrungen machen. „Viele
sind aufgrund eines Burn-
outs in der Rehabilitation
und kommen im Kontakt mit
dem Pferd zur Ruhe. Ande-
re knüpfen in einer schwie-
rigen Lebensphase, in der
sie nach einem gesundheit-
lichen Ereignis Rehabilitation
benötigen, im Umgang mit
den Tieren an positive Kind-
heitserfahrungen an“, erzählt
Eichberger. „Aber auch Men-
schen mit Angst- und Pani-
kattacken profitieren von der
Arbeit mit Pferden. Sie lernen,
sich ihrer Angst zu stellen.“
SERIE
Ärztin im besonderen Dienst
Vollblut-Ärztin verschreibt
eine Dosis Pferd
Allgemeinmedizinerin und Verhaltenstherapeutin
Ursula
Eichberger findet bei ihren Pferden Distanz zum Arbeitsstress.
Aber auch Patientinnen und Patienten empfiehlt sie zur
Heilung manchmal eine Dosis Pferd.
Fotos: Furgler, beigestellt
„Als Einzelkämpferin
wäre ich wohl nicht
in eine Ordination
gegangen – aber
dieses Modell passt
sehr gut für mich.“