Previous Page  14 / 60 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 14 / 60 Next Page
Page Background

14

ÆRZTE

Steiermark

 || 10|2017

Die Gabe der Pferde

Eichberger betont, auch ihr

selbst hätten die Pferde dabei

geholfen, den richtigen Weg

zu finden – oder beizube-

halten. „Nach besonders he-

rausfordernden Arbeitstagen

fällt es nicht immer leicht,

abzuschalten. Sobald ich aber

bei den Pferden bin, muss ich

mich voll aufs Hier und Jetzt

konzentrieren.“ Denn die

nehmen feinste menschliche

Signale wahr und können

sogar Adrenalin riechen. Das

ist ein Talent, über das Eich-

berger selbst gerne verfügen

würde. „Wenn ein kranker

Mensch die Ordination be-

tritt, wüsste ich auch gerne

so schnell und treffsicher, wo-

rauf ich mich einstellen muss.“

Zudem hilft die Sensibilität der

Tiere, die Persönlichkeit jener

Menschen weiterzuentwickeln,

die sie führen (wollen). Wer

da nämlich nicht ganz bei der

Sache ist, erlebt, wie es sich

anfühlt, von einem Pony spa-

zieren geführt zu werden, das

sich kurzerhand zum besten

Grasplatz begibt. „Da müssen

U. JUNGMEIER-SCHOLZ

Schon als Kind entdeckte

Ursula Eichberger jene beiden

großen Leidenschaften, die

ihr späteres Berufsleben be-

stimmen sollten: die Medizin

und die Pferde. In ihrer Hei-

matstadt Kapfenberg wohnte

sie direkt neben einer Haus­

ärztin. „Sie ist mein großes

Vorbild.“ Gleich angrenzend

an den Hof, in dem Eich-

berger in ihrer Freizeit oft in

einer Baumkrone saß, lag ein

Reitstall. Bereits als Sechsjäh-

rige überredete sie ihre Eltern

dazu, ihr Reitunterricht zu

ermöglichen. Ab da durfte sie

ein- bis zweimal im Monat

reiten. Viel öfter saß sie im

Baum und studierte das Ver-

halten der Tiere – wovon sie

heute noch profitiert.

Bereits vor dem Ende ihres

Medizinstudiums in Graz

kaufte sie sich ihr erstes ei-

genes Pferd, das noch heute

in ihrer Herde lebt. „Diese

Stute war anfangs so schwie-

rig im Umgang, dass ich mich

entscheiden musste, sofort et-

was zu unternehmen oder sie

gleich wieder zu verkaufen.“

Eichberger gab dem Pferd

eine Chance und vertiefte

sich in „Natural Horseman-

ship“ – in das, was man als

Pferdef lüsterei bezeichnet.

Auf diesem Weg ist sie auch

beim Westernreiten gelandet:

weil in dieser Disziplin mehr

Reiter zu finden sind, die sich

eingehend mit der Pferdesee-

meine Patienten oft über sich

selbst schmunzeln und kön-

nen sich danach wesentlich

besser konzentrieren, als wenn

ich sie auf ihre Zerstreutheit

hingewiesen hätte.“

Pferde sind auch erstaunlich

versiert darin, die mensch-

liche Körpersprache zu in-

terpretieren. Im Umgang mit

ihnen lässt sich daher ein ru-

higes, sicheres Auftreten trai-

nieren. Auf diese Kompetenz

wird Ursula Eichberger in

naher Zukunft mehr als sonst

zurückgreifen, denn ihr steht

eine gravierende berufliche

Veränderung bevor – wenn sie

mit Oktober ihre Kassenarzt-

stelle in Birkfeld antritt.

Für alle Fälle gerüstet

Den Weg dorthin hat sie nicht

im Galopp, sondern wie einen

Wanderritt in Etappen genom-

men: Nach dem Medizinstu-

dium in Graz startete sie mit

einer internistischen Fach-

arztausbildung an der Grazer

Stoffwechsel-Ambulanz, wo

sie häufig – auch im wissen-

schaftlichen Kontext – mit

le beschäftigen. Mittlerweile

verfügt sie über abgeschlos-

sene Übungsleiter-Ausbil-

dungen imWesternreiten und

Voltigieren und ist zudem

geprüfte Wanderreitführerin.

Dosis Pferd

gegen Burnout

Doch ihr Brotberuf sind nicht

– oder nicht unmittelbar – die

Pferde: Eichberger ist Allge-

meinmedizinerin mit Diplom

für psychotherapeutische

Medizin sowie ausgebildete

Verhaltenstherapeutin. In ih-

rer therapeutischen Arbeit

allerdings verbindet sie häufig

ihre medizinische mit ihrer

hippologischen Kompetenz.

Während der Therapiestun-

den dürfen Patientinnen und

Patienten der Reha-Klinik St.

Radegund mit Eichbergers

mittlerweile sechs eigenen

Pferden – drei Ponys und drei

Großpferde – ganz spezielle

Erfahrungen machen. „Viele

sind aufgrund eines Burn-

outs in der Rehabilitation

und kommen im Kontakt mit

dem Pferd zur Ruhe. Ande-

re knüpfen in einer schwie-

rigen Lebensphase, in der

sie nach einem gesundheit-

lichen Ereignis Rehabilitation

benötigen, im Umgang mit

den Tieren an positive Kind-

heitserfahrungen an“, erzählt

Eichberger. „Aber auch Men-

schen mit Angst- und Pani-

kattacken profitieren von der

Arbeit mit Pferden. Sie lernen,

sich ihrer Angst zu stellen.“

SERIE

Ärztin im besonderen Dienst

Vollblut-Ärztin verschreibt

eine Dosis Pferd

Allgemeinmedizinerin und Verhaltenstherapeutin

Ursula

Eichberger findet bei ihren Pferden Distanz zum Arbeitsstress.

Aber auch Patientinnen und Patienten empfiehlt sie zur

Heilung manchmal eine Dosis Pferd.

Fotos: Furgler, beigestellt

„Als Einzelkämpferin

wäre ich wohl nicht

in eine Ordination

gegangen – aber

dieses Modell passt

sehr gut für mich.“