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ÆRZTE

Steiermark

 || 11|2016

Foto: Ärztekammer Steiermark

NACHRUF

Helmut Hammer, 1918–2016

Anlässlich seines 95. Geburts-

tags im Jahr 2013 brachte

AERZTE Steiermark ein Por-

trait Helmut Hammers. Es

basierte auf einem ausführ-

lichen Gespräch mit ihm. Die

Zusammenfassung hat er aus-

drücklich gelobt und freigege-

ben. Wir veröffentlichen die-

sen Text nochmals.

„Haben Sie heute schon die

Presse gelesen?“,

fragt Hel-

mut Hammer. Er hat. Speziell

ein längeres Essay des Philo-

sophen Peter Kampits über

die Würde des Alters. Zwar

teilt er die Meinung des Ethi-

kers nicht in allen Belangen,

aber sie beschäftigt ihn. Hel-

mut Hammer, promovierter

Mediziner, Obermedizinalrat,

langjähriger, damals noch

praktischer, Arzt in Graz-

Mariatrost, Stadtarzt, ehema-

liger Vizepräsident der Ärz-

tekammer Steiermark, ist vor

kurzem 95 Jahre alt geworden.

„Hochbetagt“ nennen das die

Demoskopen.

„Wahrschein-

lich bin ich einer der ältesten

promovierten Mediziner der

Steiermark“,

sagt er.

Nach der Matura schwank-

te der im letzten Jahr des

Ersten Weltkriegs Geborene

zwischen Medizin einerseits

und Politik, Geschichte und

Recht andererseits. In po-

litisch mehr als bewegten

Zeiten entschied er sich für

das unpolitische Fach, für die

Medizin. Seine Promotion

zum Doktor der gesamten

Heilkunde fiel in den nächs­

ten, den Zweiten Weltkrieg.

Den hat er mitgemacht, zuerst

als normaler Soldat, dann

als Sanitäter, dann als Arzt.

„Lernen durch Tun“, sagt er,

hieß das Prinzip. Mangelte es

an Fachwissen, ersetzte man

es durch Zuwendung. „Wenn

man geschwommen ist, hat

man etwas versucht“, erzählt

er. Denn die universitäre Aus-

bildung hätte wohl besser sein

können, aber sie konnte eben

nicht besser sein, in diesen

Zeiten.

Sehr viel später erst sei er

darauf gekommen, dass es

„die Droge Arzt“ gibt. Dass

der Arzt allein dadurch wirkt,

dass er da ist, unabhängig

davon, was er tut. Richtlinien,

Technisierung und Kontrolle

würden dieser Droge einen

Teil der Wirkung nehmen.

„Grundsätzlich ist das nicht

schlecht, aber es darf nicht

das Bestimmende sein“, sagt

Helmut Hammer nachdenk-

lich.

Ende 1945 kam er nach Graz.

Nach Kriegsende galt es, wie-

der Fuß zu fassen. Durch ei-

nen glücklichen Zufall konnte

er seine klinische Ausbildung

nachholen, zwei Jahre hin-

durch. Unmittelbar danach

übernahm er die Kassenpra-

xis in Graz-Mariatrost von

seinem Vorgänger. Die Pati-

enten haben den Neuen nicht

mit offenen Armen empfan-

gen:

„Am ersten Tag hatte ich

21 Patienten, am nächsten

19, dann 18 …“

Aber Helmut

Hammer hat nicht aufgege-

ben.

„20 Jahre haben ganz

der Medizin gehört.“

Er wur-

de Stadtarzt und ärztlicher

„Platzhirsch“:

„Aber es gab

auch nicht viele andere.“

In den 60er-Jahren kam er

in die ärztliche Berufspoli-

tik. Da erkannte er, dass die

Gesundheitspolitik nicht nur

aus Praktikern bestand, war

Konkurrent und gleichzeitig

Unterstützer des zehn Jahre

jüngeren Präsidenten Richard

Piaty: „Wir waren uns inhalt-

lich in vielen Belangen einig.“

Im Zentrum stand der freie

Arztberuf. Weswegen er auch

zur Nebenbeschäftigung von

Spitalsärzten eine eigene Mei-

nung hat:

„So lange ein Teil

der Oberärzte auch eine Pra-

xis führt, ist das Spital nicht

völlig verbeamtet.“

Die Gesundheits- und Be-

rufspolitik hat er aus vie-

len Perspektiven erlebt und

mitgestaltet. Fast zehn Jahre

war er im Fachbeirat der So-

zialversicherung tätig, Ethik-

kommission, Notarztwesen,

Landessanitätsrat …

Durch seine Kinder und En-

kel verfolgt er die Entwick-

lung des Arztberufes sehr

unmittelbar. Die Bürokratie

führt zu Überforderung und

dem Gefühl, schikaniert zu

werden.

„Die Situation hat

sich verschlechtert.“

Eines ist ihm wichtig:

„Hohes

Lob der Altersversorgung.“

Die

Ärztepension ist die Butter

auf dem Brot, auch wenn sie

mit hohen Beiträgen in der

Jugend verbunden ist.

Bei Helmut Hammers Bestat-

tungsfeier sagte sein Freund

Kurt Jungwirth, ehemaliger

steirischer Landehauptmann-

stellvertreter und Landeskul-

turreferent, in der Trauerrede:

„Helmut Hammer hat Heilung

gebracht und Heilung gesucht.“

Und wohl auch gefunden.

Helmut Hammer, 56 Jahre niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin,

30 Jahre Mitglied der Vollversammlung der Ärztekammer Steiermark,

16 Jahre deren Vizepräsident, starb im 99. Lebensjahr.

Helmut

Hammer bei

den Grazer

Fortbildungs­

tagen 2002

– als aufmerk-

samer Zuhörer.