Es war eine großartige Veranstaltung zur neuen
Ausbildungsordnung, die kürzlich in der Ärzte-
kammer stattfand. Dem Motto „Offene Worte“
wurde sie mehr als gerecht – denn tatsächlich wur-
den sehr offene gesprochen.
Die Ziele sind klar: Die Ausbildung soll die
Grenzen für Österreichs Ärztinnen und Ärzte
offener machen, es geht um eine „Europäisierung“.
Zweitens geht es um eine Steigerung der Ausbil-
dungsqualität durch bessere Qualitätssicherung
für die Ausbildungsstätten, bessere Dokumenta-
tion der Ausbildungsinhalte und Befreiung von
vielen ausbildungsfernen Tätigkeiten. Die bessere
Dokumentation bedeutet auch mehr Ehrlichkeit:
Es wird nicht mehr so leicht möglich sein, Ausbil-
dungsinhalte, die für die Auszubildenden gar nicht
erlebbar waren, so nebenbei zu bestätigen.
Ja, es gibt auch Zweifel: Vor allem war immer
wieder die Sorge herauszuhören, dass dieses
ambitionierte Ausbildungsprogramm angesichts
geringerer personeller Ressourcen (Stichwort Ar-
beitszeitgesetz) nicht realisierbar ist.
Aber die Ausbildungsqualität zu senken – oder
auch nur zu akzeptieren, dass sie stagniert –, wäre
der falsche Weg: So würden nur noch mehr junge
Kolleginnen und Kollegen möglichst rasch nach
dem Studium in Länder „flüchten“, in denen es
eine attraktivere Ausbildung gibt. Und diese „Bil-
dungsflüchtlinge“ werden etwa in Deutschland
auch sehr herzlich willkommen geheißen.
Schlechte Ausbildung verursacht also Ärzteman-
gel. Das haben Spitalsträger wie die KAGes auch
bereits erkannt und bemühen sich mit Hilfe einer
eigenen Ausbildungskoordinatorin und Ausbil-
dungsoberärzten erkennbar um mehr Planbarkeit.
Das greift nicht unmittelbar, aber es ist die einzige
Chance, damit wieder mehr junge Medizinerinnen
und Mediziner hierzulande eine Perspektive sehen.
Vizepräsident Dr. Martin Wehrschütz
ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte.
INTRA
Weiterer Kurienbericht ab Seite 42.
Martin Wehrschütz
Schlechte Ausbildung
schafft Ärztemangel
KONT A
Wie schwierig und zum Teil prekär die Situation
vieler Kinder und Jugendlicher in der Steiermark ist,
wird allzuoft nur an „tragischen“ Einzelschicksalen,
die die Medien aufgreifen, deutlich. Die behördliche
Kinder- und Jugendhilfe ist aber täglich damit kon-
frontiert, dass Familienstrukturen zunehmend ver-
fallen, dass es viel Armut und auch viel Migration
gibt. Wir sehen aber auch deutlich, dass fehlendes
Wissen von Eltern, wie wichtig eine gute Bindung
für die Entwicklung und ein gesundes Aufwachsen
ist, sich sehr negativ auf Kinder und Jugendliche
auswirken kann. Die Fallzahlen steigen kontinuier-
lich, die Kosten explodieren, es stehen kaum Res-
sourcen für frühe Hilfen zur Verfügung. Der Fokus
liegt auf „Reparatur“ und nicht auf Prävention.
Verschärft werden diese Probleme durch mangelnde
Vernetzung und das Fehlen einer multiprofessio-
nellen Strategie im Helfernetzwerk.
Im Bezirk Leibnitz wird nun begonnen, das be-
stehende Kinder- und Jugendhilfesystem (früher
„Jugendwohlfahrt“) auf flexible Hilfen umzustel-
len – ab Jänner 2016 wollen wir versuchen, junge
Familien schon während der Schwangerschaft der
(werdenden) Mütter zu erreichen. Und: Wir wollen
versuchen, die Hilfeangebote zur Förderung einer
sicheren Bindung zwischen Eltern und Kindern zu
erweitern. Denn wir sind überzeugt, dass damit sehr
früh entscheidende Weichenstellungen in Richtung
einer aus ganzheitlicher Sicht gesunden Entwicklung
gelegt werden können. Damit kann es gelingen, den
Fokus weg von Reparatur hin zu Prävention zu legen.
Diese Strategie wird aber nur dann gelingen, wenn
uns die Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen!
Wir wollen geeignete Kooperationsmodelle entwi-
ckeln, um einen Schulterschluss all jener zu errei-
chen, die rund um die Entwicklung und Gesundheit
von Kindern arbeiten. Möglichkeiten sind unter
anderem: Sprechstunden in Ihrer Praxis, Teilnahme
an Vernetzungstreffen, Unterstützung beim Clea-
ring hinsichtlich Bindungssicherheit. Entstehen soll
durch unsere gemeinsame Strategie ein Netz an Un-
terstützung, damit Kindsein wieder gelingen kann!
Kritik, Anregungen und Ideen bitte an: Martin Of-
ner, Leitender Sozialarbeiter in der BH Leibnitz, e-
Martin Ofner
Neue
Wege
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ÆRZTE
Steiermark
|| 11|2015