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ÆRZTE
Steiermark
|| 11|2015
FRÜHERKENNUNG
Neue Vorsorge: „niere.schützen“
Niereninsuffizienz wird vielfach
erst erkannt, wenn bereits kar-
diovaskuläre Folgeschäden wie Herzinfarkt oder Schlaganfall ein-
getreten sind. Umso wichtiger ist es, frühzeitig herauszufiltern, ob
in Verdachtsfällen tatsächlich eine chronische Nierenerkrankung im
Entstehen ist. Hier setzt das neue Vorsorge-Konzept „niere.schützen“
(oder „Niere 60/20“) an.
WALTER HOCH
Univ.-Prof. Alexander Rosen-
kranz, Leiter der klinischen
Abteilung für Nephrologie am
LKH-Univ. KlinikumGraz und
Vorsitzender der Österreichi-
schen Gesellschaft für Nephro-
logie, will die Versorgung chro-
nischer Nierenerkrankungen
(CKD für „chronic kidney
disease“) neu strukturieren.
„Nephrologie im strengen Sinn
wird zwar intramural betrie-
ben, aber von hier ist ein enger
Kontakt mit den Niedergelas-
senen, dem Gesundheitsfonds
und den Versicherungen nötig“,
betont Rosenkranz die Bedeu-
tung der Zusammenarbeit.
Von Grund auf
vorbeugen
Umso genauer sollen die nie-
dergelassenen Allgemeinme-
dizinerInnen bei ihren Pati-
entInnen auf die vier Risiko-
faktoren für eine CKD – Hy-
pertonie, Adipositas, Diabetes
mellitus oder terminale Nie-
reninsuffizienz in der Familie
– achten. Liegt einer davon vor,
kann mittels Blut- (Kreatinin-
und eGFR-Bestimmung) und
Harn-Untersuchung (Albu-
min/Kreatinin-Quotient) eine
CKD ausgeschlossen oder be-
stätigt werden.
Der frühzeitige Nachweis, so
Rosenkranz, sei entscheidend,
um entsprechende Interventi-
onen setzen und so das Tempo
des Funktionsverlustes verzö-
gern zu können.
Konkret stehe im Konzept für
diese Phase die Zahl 60 für
den Abfall der Nierenfunktion
unter 60 Prozent eines Nie-
rengesunden. PatientInnen mit
besonders erhöhtem kardiovas-
kulärem oder renalem Risiko
werden an eine/n InternistIn
oder NephrologIn weiterge-
leitet. Trete ein Abfall der Nie-
renleistung unter 20 Prozent
ein, werden PatientInnen auf
dieser Stufe zur Vorbereitung
einer Nierenersatztherapie an
ein Referenzzentrum überwie-
sen, erklärt Rosenkranz. Hier
stünde ein hochspezialisier-
tes Team aus NephrologInnen,
Pflegekräften, DiätologInnen
und SozialarbeiterInnen bereit.
In der Steiermark gibt es je
eines in Graz und Bruck mit
jeweils einem Einzugsbereich
von rund einer halben Million
EinwohnerInnen.
Neues Schema
Ein neues Überweisungssche-
ma, dessen Ausrollung be-
vorsteht, soll Zeit und Wege
sparen. Je früher die Diagnose
vorliege, desto schneller kön-
ne dann ein Gespräch mit
NephrologIn, PatientIn und
Familienangehörigen darüber
geführt werden, welche the-
rapeutischen Maßnahmen für
die individuelle Situation am
geeignetesten seien. Hierzu
solle auch ein entsprechend
angepasster Patientenaufklä-
rungsbogen beitragen.
Mit Jänner 2016 startet das
Projekt „niere.schützen“ in der
Steiermark (es wird vom Land
Steiermark, dem Gesundheits-
fonds, den Krankenversiche-
rungen und der Ärztekammer
unterstützt). Ende November
ist ein Kick-Off-Meeting vor-
gesehen, bei dem u. a. akkor-
diert werden soll, zu welchem
der drei steirischen Labors die
Proben geschickt werden sol-
len. (Darüber wird AERZTE
Steiermark im Dezember be-
richten.) „Kärnten und Vorarl
berg haben schon angefragt
und wollen es übernehmen“,
freut sich Rosenkranz über das
österreichweite Interesse.
Wenn es gelänge, die Geschwin-
digkeit des Leistungsabfalls
um 25 Prozent zu verzögern,
würde das eine Steigerung der
Lebenszeit und eine Einspa-
rung an Behandlungskosten
bedeuten, blickt Rosenkranz in
die Zukunft.
Ein Zahlenbeispiel hierzu
führt ein Dossier der Öster-
reichischen Gesellschaft für
Nephrologie (ÖGN) an: Durch
verstärkte Vorsorge könnten
in zehn Jahren österreichweit
eine Einsparung von 38 Mio.
Euro sowie 2.242 zusätzliche
Lebensjahre erreicht werden.
Um diese Ziele abzusichern,
müssten auch genügend Aus-
bildungsplätze für Nephrolo-
gInnen zur Verfügung stehen.
Auch könne nur so die in zehn
Jahren erwartete „Epidemie“
an Dialyse-PatientInnen infol-
ge der Baby-Boomer-Jahrgän-
ge bewältigt werden, richtet
sich Rosenkranz an die für die
Gesundheit verantwortlichen
Politiker.
Infos:
www.niere-hochdruck.at„2.242 zusätzliche
Lebensjahre“
Alexander Rosenkranz
Fotos: MUG, Fotolia