AERZTE Steiermark | Dezember - page 7

Ærzte
Steiermark
 || 12|2014
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„Heraus verlagern!“ Wie oft haben wir diese Flos-
kel schon gehört. Um Ambulanzen und die dort
tätigen Spitalsärztinnen und -ärzte zu entlasten,
sollen wir, die „Niedergelassenen“, spitalsersetzende
Leistungen erbringen.
An sich wäre das ja kein Problem. Wir haben die
Qualifikation, wir wissen, wie es geht. Was wir
(und die Versicherten) aber nicht haben, ist ein Lei-
stungskatalog, der diese Leistungen erlaubt.
Natürlich spricht nichts dagegen, einen Herzultra-
schall auch in der freien Praxis zu erbringen – nur
ein Beispiel von vielen. Aber Nichtbezahlung, Li-
mite und Degressionen be- und verhindern oft ge-
nug die Leistungserbringung in der Praxis.
Das neue Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz ver-
schärft dieses Problem. Das ist uns bewusst. Und
wir weisen auch regelmäßig darauf hin, dass „struk-
turelle Maßnahmen“ in den Spitälern kongruente
strukturelle Maßnahmen bei den Kassen erfordern.
Aber eigentlich ist es nicht (nur) die Sache der nie-
dergelassenen Ärztinnen und Ärzte, das zu tun. Es
wäre hoch an der Zeit, dass Spitalsträger, wie die
KAGes, und Eigentümer, wie das Land Steiermark,
endlich in der notwendigen Deutlichkeit darauf
hinweisen, dass auch die sozialen Krankenversi-
cherungen die Pflicht haben, zu einer geglückten
Gesundheitsreform beizutragen.
Viel zu lange wurde dieses Thema ausgeklammert –
vielleicht, weil befürchtet wurde, dass man sich bei
den Kassen mit solchen Vorstößen nur eine blutige
Nase holt?
Vielleicht braucht es ja nur ein bisschen mehr Mut
und Entschlossenheit, um auch dort ein Umdenken
einzuleiten. Krankenkassen sind zwar Selbstverwal-
tungskörper, aber kein Selbstzweck.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
In wenigen Tagen sollte der Landtag die neue dienstrechtliche
Regelung für Ärztinnen und Ärzte in den Landeskrankenhäu-
sern beschlossenen haben. Dann sind die neuen Arbeitsbedin-
gungen auch gesetzlich fixiert. Damit ist etwas gelungen, das in
anderen Bundesländern und bei Spitalsträgern Beachtung und
Respekt findet. An der Medizinischen Universität wünschen sich
viele Kolleginnen und Kollegen, dass die Ärztekammer durch
Rektorat und Betriebsrat nicht von den Verhandlungen fernge-
halten werde, in den Ordensspitälern bemüht man sich um eine
gleichwertige Regelung.
Viele Kolleginnen und Kollegen in der KAGes
stehen dieser Tage vor einer für sie wichtigen
Frage: Sollen sie sich für ein Opt-out entscheiden
oder nicht?
Wir geben ganz bewusst keine allgemeine Emp-
fehlung ab. Weil es eine zutiefst persönliche Entscheidung ist.
Ohne Opt-out sind faktisch etwa drei Nachtdienste möglich, mit
Opt-out – rechtlich und auch de facto – sechs oder gar acht pro
Monat. Wer jetzt schon nicht mehr als drei Dienste pro Monat
macht, wird sich also nicht für ein Opt-out entscheiden. Opt-out
muss auch nicht zwangsläufig sechs oder mehr Dienste bedeuten,
wenn man sich intern darauf verständigt, dass vielleicht fünf ge-
nügen. Spezielle Fragen stellen sich für Teilzeitbedienstete.
Dort, wo eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Leitung und
Bediensteten besteht, wird eine Opt-out-Entscheidung auch nicht
missbraucht werden, um eine Kollegin bzw. einen Kollegen zu
zwingen, mehr Dienste zu machen, als die Betroffenen wollen.
Damit ist die Opt-out-Frage auch eine Nagelprobe dafür, wie
gut das Klima in der jeweiligen Organisationseinheit ist. Wie
viel Vertrauen und Respekt es gibt. Wobei kein Vorgesetzter gut
beraten ist, der das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter enttäuscht oder gar einen Vertrauensvorschuss gegen sie
verwendet. Denn jedes Opt-out kann widerrufen werden.
Daher bieten wir eine fundierte Entscheidungsgrundlage – in
dieser Ausgabe von AERZTE Steiermark und jederzeit bei in-
dividuellen Beratungsgesprächen. Wir maßen uns aber keine
generelle Empfehlung an. Ärztinnen und Ärzte brauchen keine
Bevormundung.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 36.
Jörg Garzarolli
Selbstverwaltung ja,
Selbstzweck nein
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, Der Standard, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Opt-out: Sie entscheiden,
wir liefern die Grundlagen
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