AERZTE Steiermark | Jänner - page 6-7

Ærzte
Steiermark
 || 01|2015
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Vorsorglich „wacheln“ die Krankenkassen wieder
mit dem Konkursbescheid. Heuer soll es zwar einen
Überschuss von rund 60 Millionen geben, aber 2015
und 2016 drohe ein Abgang, weil es der Wirtschaft
schlecht geht, die Arbeitslosigkeit und die Medika-
mentenkosten steigen.
Die düstere Warnung ist kein schlechter Schachzug.
Angesichts der österreichweit schwierigen Lage
in den Spitälern ist es wohl zu erwarten, dass die
Länder die Geduld verlieren und einen Beitrag der
Krankenkassen – Stichwort Spitalsentlastung – lei-
sten. Da ist es hilfreich, wenn gleich einmal auf die
leeren Kassen hingewiesen wird.
Vorerst betont man einmal, dass die Gesundheits-
reform nichts mit den Kassen zu tun hat. „Da die
Sozialversicherung ein Drittel ihrer Beitragseinnah-
men der Spitalsfinanzierung zur Verfügung stellt,
hätten die den Ländern entstehenden Mehrkosten
keine Auswirkungen auf die Kassen“, wird der
Hauptverbandsvorsitzende Peter McDonald in den
Medien zitiert.
Das ist nicht unser Streit, obwohl es schon erstaunt,
wie wenig die Länder entgegensetzen, wenn die
Krankenkassen sich aus der gemeinsamen Verant-
wortung stehlen. Wirklich Besorgnis erregend wird
es aber, wenn es – abgesehen vom PHC-Getöse, das,
wenn es so kommt, wie es sich die Kassen vorstellen,
zwar einiges kosten, aber für die Breitenversorgung
wenig bringen wird, – praktisch keine Reaktionen
auf den massiv steigenden Kassenärzte-Bedarf gibt.
Die Ärzte werden schon „verantwortungsvoll
agieren“, sagt McDonald. Das tun sie auch. Aber
ein großer Teil der Systemverantwortung liegt bei
den Krankenkassen. Und dieses System ist krank.
Es wird also Zeit, dass die Kassen einen entspre-
chenden Beitrag zu dessen Gesundung leisten und
nicht nur auf ein Wirtschaftswunder hoffen.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
An den (erheblichen) Unterschied zwischen Brutto und Netto
haben wir uns gewöhnt, auch wenn er uns jeden Monat Schmer-
zen bereitet. Wenn aber, so wie jetzt, die Brutto-Gehälter für
SpitalsärztInnen mehr als deutlich steigen, fällt die Differenz
zum Netto-Einkommen besonders stark auf. Und man empört
sich. Nicht zu Unrecht. Tatsache ist, dass die Lohnsteuer in Ös-
terreich deutlich über der deutschen und schweizer liegt. Was
es heimischen Arbeitgebern zusätzlich schwer macht, konkur-
renzfähige Gehälter zu bezahlen. Weit über 40 Prozent gehen
bei der Lohnstruktur für Spitalsärzte direkt in
das Bundesbudget. Besonders dramatisch wird es,
wenn man aufgrund des höheren Gehalts in den
Spitzensteuersatz von 50 Prozent gerät. Kleines
Beispiel: Bei einem zu versteuernden Einkommen
von 48.000 Euro beträgt der Durchschnittssteu-
ersatz in Österreich 31,4 und in Deutschland 24,9
Prozent. Der Unterschied: mehr als 3.000 Euro …
Schon höre ich sagen: Dann senkt wenigstens die Beiträge zum
Wohlfahrtsfonds! Ein legitimer Wunsch, aber nicht ohne Tü-
cken. Abgesehen davon, dass eine Senkung die Pensionsansprü-
che senkt und es nicht ganz einfach ist, bestehende Ansprüche
davon unberührt zu lassen, gibt es ein besonderes Schmankerl:
Jeder bei den Wohlfahrtsfond-Beiträgen eingesparte Euro erhöht
die Lohnsteuer. Mit ein bisschen Pech (Steuerprogression) kön-
nen 100 Euro weniger Wohlfahrtsfondsbeitrag nur 25 Euro mehr
netto bedeuten. Für 75 Euro bedankt sich der Finanzminister.
Dennoch: Ich möchte, dass wir das ernsthaft und breit diskutie-
ren. Die grundlegende Frage: Sind wir bereit, uns einen gerin-
geren Wohlfahrtsfondsbeitrag mit einer höheren Steuerlast zu
erkaufen? Und nehmen wir hin, dass wir jetzt etwas mehr haben,
die Pensionssicherung dadurch aber reduziert wird?
In einem Punkt – dort wo wir Handlungsspielraum ohne nega-
tive Auswirkungen haben – haben wir sofort gehandelt. Beim
Kammerbeitrag. Der wurde noch im Dezember um 0,35 Pro-
zentpunkte oder um rund 15 Prozent für angestellte und auf-
grund der Kostenstellenrechnung etwas weniger für niedergelas-
sene Kolleginnen und Kollegen gesenkt.
Eines darf in keinem Fall vergessen werden: Kaum eine Diskus-
sion in anderen Bundesländern findet ohne den Hinweis auf das
steirische Modell statt. Das hätten alle (Nichtsteirer) sehr gerne.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 44.
Jörg Garzarolli
Die Kassen haben
Systemverantwortung
debatte
Warum ist in der Steiermark etwas gelungen, das
in anderen Bundesländern nicht möglich ist?
Warum wird das „steirische Modell“ beschwo-
ren und gleichzeitig versucht, den Ärzten eine
Billigvariante zu verkaufen? Warum polemisie-
ren die Landeshauptleute von Oberösterreich,
Kärnten … wild gegen die böse Ärzteschaft? Die
Frage ist berechtigt, die Antwort einfach: So wie
in anderen Bereichen auch, bemüht man sich
hierzulande, Sachpolitik zu machen, anstatt Pro-
pagandaschlachten zu führen und Medienschar-
mützel auszutragen.
Dass wir keinen Krieg geführt haben, sondern mit
Sachargumenten überzeugen konnten, erscheint
manchem verdächtig. So etwas darf es heutzutage
doch nicht (mehr) geben. Sollte es aber.
Haben wir alle Probleme gelöst? Ganz gewiss
noch nicht. Die Senkung der Kammerumlage
und der Versicherunganteile am Wohlfahrts-
fondsbeitrag war ein sofort eingeleiteter Schritt,
damit auch netto mehr herauskommt. Hier müs-
sen wir breit abgestimmt aber noch die bestmög-
liche Lösung finden. Daran wird gearbeitet.
Es gibt Kritik daran, dass das KA-AZG Über-
gangsfristen vorsieht, statt einer sofortigen, rei-
nen 48-Stunden-Woche. Dabei sollte man aber
nicht übersehen, dass bereits die jetzige Regelung
stringenter ist als die deutsche. Die Zustimmung
zum Opt-out kann in Österreich innerhalb einer
Frist von acht Wochen zurückgezogen werden, in
Deutschland sind es sechs Monate. In Deutschland
sind 60 Stunden mit Opt-out ein unbefristeter Zu-
stand, hier werden es in drei Jahren maximal 55
und in sechs Jahren ohne Ausnahme 48 Stunden
sein. Nach Jahren der Verzögerung und der Igno-
ranz (die genug Anlass zur Kritik geben) haben wir
jetzt ein strengeres Arbeitszeitgesetz als Deutsch-
land. Darüber kann man sich durchaus freuen.
Vizepräsident Dr. Martin Wehrschütz
ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte.
intra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 42.
Martin Wehrschütz
Deutschland muss auf
Österreich schauen
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, STGKK/Furgler, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Brutto und Netto: 15 Millionen
für das Bundesbudget
kont a
Es freut mich sehr, dass ich vom Ärztekammer-Maga-
zin eingeladen wurde, eine Kolumne zu verfassen. An-
dererseits: Irgendwie bezeichnend, dass diese Kolumne
ausgerechnet unter dem Titel „Kontra“ läuft. Da steckt
die Rolle der programmierten Gegenspielerin ja schon
im Arbeitsauftrag drinnen…
Dabei wäre es – quasi als guter Vorsatz fürs neue Jahr
– vielleicht ganz nett, das Verbindende vor das Tren-
nende zu stellen. Ärztinnen und Ärzte auf der einen,
die soziale Krankenversicherung auf der anderen Seite
– diese Achse bildet trotz fallweise unterschiedlicher
Sichtweisen eine Einheit, ohne die unser Gesundheits-
system nicht funktionieren würde.
Nur das Zusammenspiel dieser beiden tragenden Säu-
len garantiert den Menschen, dass ihre medizinische
Versorgung auch in den kommenden Jahren und Jahr-
zehnten auf einem Niveau angeboten werden kann, das
international keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Und genau diese Menschen sind es ja schließlich, für
die wir Verantwortung tragen.
Wenn in der Öffentlichkeit zuweilen der Eindruck
entsteht, dass es in der Diskussion um Reformen im
Gesundheitswesen primär darum geht, einzementierte
Strukturen mit aller Gewalt zu verteidigen, so sollte
das nicht weiter verwundern. Es ist allerdings so gut
wie nie die Sozialversicherung, die zur Boulevardkeule
greift und Schreckensszenarien an die Wand malt oder
Negativ-Klischees bedient. Nehmen wir als Beispiel
nur den gebetsmühlenartig wiederholten Vorwurf der
überbordenden Verwaltung: Was bitte könnte beim
Verwaltungsaufwand der STGKK, der gerade einmal
1,81 Prozent der Gesamtaufwendungen beträgt, noch
eingespart werden?
Mein Vorschlag: Wie wär’s – im Sinn der gemeinsamen
Sache – mit mehr Sensibilität und weniger „Krieg der
Worte“? Wie wär’s mit mehr seriösen Argumenten und
weniger Agitation gegen die „andere Seite“? Kurz: Wie
wär’s mit mehr „Pro“ und weniger „Kontra“?
Mag.
a
Verena Nussbaum ist seit November 2013 Obfrau
der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse.
Verena Nussbaum
Es muss nicht immer
kontra sein …
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