

ÆRZTE
Steiermark
|| 07_08|2017
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Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, Grafik: Konrad Lindner
Patientinnen und Patienten wollen rasch und gut
behandelt werden. Sie wollen schnell Termine
bekommen. Sie wollen auch an Tagesrandzeiten
offene Praxen vorfinden und sie wollen, dass die
medizinische Betreuung erschwinglich ist.
Ob die Ärztinnen und Ärzte und andere Gesund-
heitsprofessionen das mit Einzelverträgen (wie in
Eisenerz), mit einem Gruppenpraxisvertrag oder
mit gar keinem Kassenvertrag (wie immer noch
in Mariazell) zustande bringen, ist ihnen herz-
lich egal. Sie machen sich über die Unterschiede
nicht einmal Gedanken. Warum sollten sie auch?
Ähnlich ist es auch bei Bürgermeisterinnen und
Bürgermeistern. Die interessieren rechtliche
Feinheiten überhaupt nicht, sie wollen in ihren
Gemeinden nur eine gesicherte Versorgung.
Logische Schlussfolgerung: Um den Bedürfnis-
sen der Bevölkerung und der Kommunalpolitik
gerecht zu werden, braucht es eine Vielfalt an
Möglichkeiten. Gruppenpraxen sind gut, aber sie
sind nicht die einzige Variante. Es gibt Ärztinnen
und Ärzte, die lieber ihre Einzelverträge behalten
– und trotzdem kooperieren.
Es scheint aber so, dass die Entscheidungsträger
in der Verwaltung (auch den Krankenkassen)
das Primärversorgungsgesetz sehr eng auslegen
und dessen Möglichkeiten gar nicht ausschöpfen
wollen. Engagierten Ärztinnen und Ärzten, die
gesetzeskonform kreative Lösungen anstreben,
werden gewaltige Hindernisse in den Weg gestellt.
Was wir prognostiziert haben, tritt also ein, noch
bevor das Gesetz überhaupt richtig in Kraft getre-
ten ist: Es findet eine Primärversorgungsverhinde-
rung statt, wenn Kolleginnen und Kollegen nicht
genau das machen, was den Planern und Verwal-
tern vorschwebt. Es geht nicht um Lösungen im
Sinne der Patientinnen und Patienten bzw. Ge-
meinden und kommunalen PolitikerInnen. Es geht
ums Prinzip und um das Einsparen von Kosten.
Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann
der Kurie Niedergelassene Ärzte.
EXTRA
Norbert Meindl
Das Gesetz beginnt
schon zu verhindern
STANDORTBESTIMMUNG
Herwig Lindner
Die Politik muss
die richtigen Hebel bewegen
Der RSG 2025 ist gut gemeint und in seinen Ambitionen auch
gut gedacht. Spitalsstandorte sinnvoll zusammenfassen, das be-
deutet eine wesentliche Erleichterung bei der so wichtigen Ein-
haltung des Krankenanstaltenarbeitszeitgesetzes. Spitalsambu-
lanzen entlasten, den niedergelassenen Bereich stärken … mehr
Nähe, Beteiligung und Qualität, das klingt ja alles großartig, da
kann man nur dafür sein. Allein, die Realität der Zahlen spiegelt
diese Ambitionen nicht wider. „Das geht sich nicht aus“, habe ich
in einem Kommentar in der
Kleinen Zeitung
geschrieben.
Natürlich ist es statthaft und sogar
sinnvoll, trotz steigender Bevölke-
rungszahlen und eines immer höheren
Durchschnittsalters, 800 Spitalsbetten
einzusparen, aber nur wenn es dafür
entsprechenden Ersatz gibt. Aber der
ist außerhalb der Spitäler nicht vor-
gesehen. 614 Kassenplanstellen für
Allgemeinmedizin gab es schon vor
15 Jahren und soll es in zehn Jahren
immer noch geben. Das ist Stagnation,
nicht Stärkung. Dass 2025 ein Siebentel
dieser Menschen, dieser Ärztinnen und Ärzte, in Zentren arbei-
ten sollen, ist kein Milderungsgrund. So gewaltig können die von
Planern behaupteten Synergien gar nicht sein, um diese Lücken
zu schließen. Und andere Gesundheitsprofessionen gibt es jetzt
auch schon. Die oft apostrophierte Superkrankenschwester, die
Ärztinnen und Ärzte entlasten soll, gefällt Planern. Nur: Wer Ärz-
temangel sagt, muss auch Pflegekräftenotstand sagen. In Deutsch-
land zum Beispiel, wo man viel realistischer ist, tut man das auch.
Wunschdenken hilft nicht weiter.
Aber vielleicht wird ja die IT die ärztliche Arbeit ersetzen? Na-
türlich, die IT-gestützte Medizin nimmt an Bedeutung zu – und
damit meine ich nicht das träge und gar nicht mehr zeitgemäße
ELGA-System. Damit sie aber auch in der Steiermark an Bedeu-
tung zunehmen kann, sollte man endlich Qualitätsstandards
für die medizinische Telekommunikation entwickeln (es gibt sie
in vielen Ländern, aber nicht in Österreich). Und man sollte vor
allem die technische Infrastruktur schaffen. Eine 40-prozentige
Breitbandabdeckung in der Steiermark, über die Zeitungen kürz-
lich berichtet haben, ist international schlecht. Gerade im länd-
lichen Raum ist Schmalband die Realität. Diese Hebel muss die
Politik bewegen.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark.
DEBATTE