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ÆRZTE

Steiermark

 || 07_08|2017

5|2017

Eiko Meister

„Facharztzentren“:

Soll es enger werden?

Facharztzentren sollen dort entstehen, wo bishe-

rige Spitalsstandorte ihre Betten verlieren. Das ist

natürlich erkennbar ein Versuch, Bürgermeistern

die bittere Nachricht, dass sie ihr Spital verlieren,

ein wenig zu versüßen.

Nun wird es aber Fachärztezentren nur mit Fach-

ärztinnen und Fachärzten geben können. Und da

stellt sich die Frage, woher die kommen sollen.

Aus den Spitälern? Das wird schwierig, denn ein

wichtiger Grund für die Reduktion der Standorte

ist, dass größere Einheiten geschaffen werden, die

sich leichter tun, Ärztinnen und Ärzte Kranken-

anstalten-Arbeitszeitgesetz-konform einzusetzen.

Eine andere Möglichkeit, die auch explizit im

RSG steht, ist, bereits niedergelassene Fachärz-

tinnen und Fachärzte dazu zu bewegen, „freiwil-

lig“ in Zentren umzusiedeln.

Das wird dem einen oder der anderen vielleicht

sogar gefallen. Aber wenn es freiwillig sein soll,

dann darf man kein planerisches Prinzip da-

raus machen. Oder ist die Freiwilligkeit nur ein

scheinbare? Soll die Vergabe von Kassenplan-

stellen in Hinkunft an die Ansiedlung in einem

Facharztzentrum geknüpft werden?

Das, was da auf dem Tisch liegt, ist entweder ein

unausgegorenes Konzept, oder es werden wich-

tige Punkte nicht angesprochen.

Was aber sehr wohl angesprochen wird: In die-

sen Facharztzentren soll es einen vorgegebenen

Fächermix geben. Es dürfen also nicht Fachärz-

tinnen und Fachärzte aller Disziplinen – „freiwil-

lig“ – in ein Zentrum einziehen, sie müssen das

richtige Fach haben.

All das erweckt den Anschein einer Verengung

der Möglichkeiten für Fachärztinnen und Fach-

ärzte. Da geht es dann nicht mehr um gute Ver-

sorgungsangebote und -prozesse, sondern um

ganz bestimmte Strukturen. Das ist schlecht.

Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann

der Kurie Angestellte Ärzte.

INTRA

KONT A

Was der Plastinator mit seinen „Körperwelten“ weltweit

als großes Geschäft betreibt, hat nichts mit moderner

Wissenschaft oder Anatomie zu tun. Es darf angezweifelt

werden, dass die Ausstellung aus rein wissenschaftlichem

Interesse am menschlichen Körper besucht wird. Befür-

worter sagen zwar, dass durch die Schau vielen Menschen

Hintergrundwissen vermittelt wird – und das mag auch

für die Anfänge der Ausstellung gegolten haben. Doch

heutzutage gewähren YouTube und Co. jederzeit detail-

liertere Einblicke in die Anatomie des Menschen.

Eher handelt es sich hier wohl um ein lukratives Spiel mit

Schaurigkeiten und Sensationslust, das sich stark an der

Grenze zur ethischen Vertretbarkeit bewegt. Denn derlei

Objekte müssen heutzutage nicht mehr aus „mensch-

lichem Material“ hergestellt werden, identische Kunst-

stoffmodelle könnten diese Funktion übernehmen. Ohne

präparierte Leichenteile würden aber wohl die Besucher-

zahlen drastisch sinken.

Was fasziniert derart an toten Körpern, die bizarr und

sogar obszön in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellt

werden? Handelt es sich um einen menschenunwürdigen

Tabubruch? Wird gegen die Bestattungsverordnung ver-

stoßen? Verändert sich unser Verhältnis zumThema Tod?

Inwiefern trägt es zur Verrohung der Gesellschaft bei,

wenn aus reiner Schaulust Menschenschicksale verdrängt

werden? Und darf diese „Horrorschau“ Kindern guten

Gewissens zugemutet werden? Fragen, die letztlich jede/r

Einzelne für sich beantworten muss.

Fakt ist, dass es sich bei „Körperwelten“ aus medizi-

nischer Sicht um keine Anatomie-Schau handelt. Viel-

mehr wird hier ein zum Teil irritierendes Gruselkabinett

geboten, das nachhaltig negative Gefühle auslösen kann.

Sogar wenn man davon ausgeht, dass jene Medienberichte,

die von skrupellosen Geschäften mit Leichen ungeklärter

Herkunft berichten, unwahr sind und alle Körper, wie von

Hagens beteuert, von den Menschen selbst zur Verfügung

gestellt wurden – für die Medizinische Universität Graz

ist diese Art der Leichendarstellung, die jeglichen wissen-

schaftlichen Hintergrunds entbehrt, ethisch in höchstem

Maße bedenklich.

Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg ist Facharzt für Innere

Medizin und Hämato-Onkologie sowie Rektor der

Medizinischen Universität Graz.

Hellmut Samonigg

Körperwelten: Spiel mit

Schaurigkeiten?