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ÆRZTE

Steiermark

 || 07_08|2017

NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE

Der ganz normale Praxiswahnsinn

Nehmen, wie vom Patienten verordnet

Vor mir sitzt Herr R., einer meiner Lieblingspatienten. Wir

kennen uns schon seit über zehn Jahren. In dieser Zeit hat

er drei Karzinome, unzählige Operationen, ein paar völlig

unverträgliche Chemotherapien und eine Strahlentherapie

überstanden. Dazu hat er noch die üblichen Leiden: Hyper-

cholesterinämie, Hypertonie, Kreuzweh und Bandscheiben-

vorfälle. Ich habe ihn leiden gesehen, aber fast nie jammern

gehört. Ich habe einige seiner Beziehungen miterlebt und

verstehe mich sehr gut mit seinem jetzigen Lebensgefährten.

Medizinisch gesehen ist Herr R. eine Großbaustelle oder

Zeitbombe. Als Mensch bewundere ich ihn. Seine Tapfer-

keit, seinen Optimismus, seine Fähigkeit, Krankheiten und

Schicksalsschläge hinzunehmen und um sein Leben zu

kämpfen und dabei weder sein Lächeln noch seinen Humor

zu verlieren.

Vor mir liegen seine Blutdruckaufzeichnungen. Trotz Vierer­

kombi sind die Werte bestenfalls suboptimal. Ich überlege

fieberhaft, was ich da jetzt noch an Gift dazutun könnte.

Ganz von sich aus meint er: „Vielleicht ist es doch der Alko­

hol?“ „Ja, wieviel trinken sie denn?“, frage ich interessiert.

„Naja, schon so drei bis vier Viertel Weißwein am Abend.

Ihnen kann ich das ja sagen.“ „Ja, Prost und wohl bekomms,

meinen Segen haben Sie. Prinzipiell. Allerdings sollten wir

aus den drei Vierteln drei Achteln machen, maximal vier.“

Ich würde echt nicht im Traum dran denken, einem Siebzig­

jährigen, der so viel durchgemacht hat, jetzt die Lifestyle-

predigt vom Kräutertee zu halten. Aber was zu viel ist, ist

zu viel. Und was die Refluxbeschwerden und den trockenen

Mund betrifft, könnte Rotwein bekömmlicher sein. „Nein,

vom Rotwein kann ich nicht schlafen. Und außerdem kriege

ich da leichter Kopfweh.“ „Und ich schlafe nach Weißwein

schlechter.“ Und schon sind wir beim Fachsimpeln über den

idealen Abendtrunk. Wir einigen uns auf einen PPI vor dem

Abendessen, um das Säureproblem in den Griff zu bekom-

men, belassen den Weißwein, damit der Schlaf gut bleibt, aber

streben eine Reduktion der Dosis an, damit sich die Leber

und der Blutdruck freuen. Zum Abschied zieht er eine riesige

Packung Merci aus der Tasche. „Mei, ist das lieb von Ihnen!

Danach kann ich gar nicht schlafen.“ „Dann müssens das halt

in der Früh nehmen!“

Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemein­

medizin.

Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2

Anekdoten aus der Sprechstunde“ (erhältlich auf Amazon).

PRAKTISCH

TÄGLICH

Von Ulrike Stelzl

Bewerbungspflicht

ist Geschichte

Neu ist, dass es keine Bewer-

bungspflicht mehr gibt (bisher

für die zehn Bestgereihten).

Dafür werden für jede Be-

werbung 0,5 Punkte ange-

rechnet, wenn innerhalb der

letzten zehn Ausschreibungen

zumindest bei sechs eine Be-

werbung ohne Zuschlag er-

folgt ist. So können je nach

Reihungsraum drei bis fünf

Punkte erreicht werden.

Bei der Anrechnung von Di-

plomen ändert sich ebenfalls

einiges. Das für alle verpflich-

tende DFP-Diplom wird nicht

mehr angerechnet. Für alle

anderen Diplome und Zerti-

fikate werden nun zwei statt

bisher ein Punkt angerechnet.

Bitte melden Sie Refresher-

kurse für die Gültigkeit be-

stimmter Diplome rechtzeitig

an das zuständige Referat

– nicht als Beilage der Bewer-

bung.

Neue Punktezahlen gibt

es auch für die Bewertung

der fachlichen Eignung.

Für die Tätigkeit als selbst-

ständig berufsberechtigte/r

angestellte/r Ärztin/Arzt von

zumindest 20 Wochenstun-

den gibt es drei statt bisher

zwei Punkte. Ebenfalls für die

Tätigkeit als hauptberuflicher

Wahl- oder Vertragsärztin/-

arzt.

Für ein Anstellungsverhältnis

unter 20 Wochenstunden gibt

es 1,5 Punkte, ebenso für die

zusätzliche ärztliche Tätig-

Wie bin ich gereiht? Um auf

diese Frage eine Antwort

zu bekommen, mussten Be-

werberinnen und Bewerber

bisher in der Ärztekammer

Einsicht in die Reihungslisten

nehmen. Ab 1. September

gibt es eine wesentliche Er-

leichterung: Mitglieder der

Ärztekammer Steiermark ha-

ben mit Benutzername und

Password online Einblick in

die Reihungslisten. Wenn die

Zugangsdaten nicht bekannt

sind, können sie über die

Website schnell angefordert

werden. Bewerberinnen und

Bewerber, die nicht Mitglieder

der steirischen Ärztekammer

sind, haben zwar keinen On-

line-Zugang, können die In-

formationen aber per E-Mail

oder telefonisch anfordern.

Aber das ist nicht die einzige

Änderung, auf die sich Ärz-

tekammer Steiermark und die

steirische Gebietskranken-

kasse verständigten.

Reihungsräume auch

für Allgemeinmedizin

Eine wichtige Neuerung ist,

dass nun auch für Ärztinnen

und Ärzte für Allgemeinme-

dizin die Bewerbungen nicht

mehr für Bezirke, sondern wie

bei Fachärztinnen und Fach-

ärzten für die drei Reihungs-

räume Graz/Graz-Umgebung,

Steiermark Nord und Steier-

mark Süd erfolgen. Zu den

Übergangsbestimmungen be-

kommen alle Bewerberinnen

und Bewerber individuelle

Informationen.

In der ab

September gültigen Reihungsrichtlinie

gibt es keine Bewerbungspflicht mehr, dafür aber

Punkte für nicht erfolgreiche Bewerbungen. Der

Einblick in die Reihungslisten ist auch online mit

Zugangsdaten möglich. Auch sonst gibt es einige

wichtige Neuerungen.

Reihungsrichtlinie: