

ÆRZTE
Steiermark
|| 06|2017
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Fotos: Oliver Wolf, Teresa Rothwangl
Das ASVG ist voller Möglichkeiten. Ein Beispiel:
Mittel der Krankenversicherung können auch
zur Förderung und Unterstützung von gemein-
nützigen Einrichtungen, die der Verhütung oder
Früherkennung von Krankheiten, der Verhütung
von Unfällen, … der Sicherstellung der Leistung
ärztlicher Hilfe oder der Betreuung von Kranken
dienen, sowie zur Förderung der Niederlassung
von Vertragsärzten (Vertrags-Gruppenpraxen) in
medizinisch schlecht versorgten Gebieten und zur
Aufrechterhaltung der Praxis in solchen Gebieten
verwendet werden …“
heißt es dort.
Nur findet vieles gar nicht oder nur halbherzig
statt, weil es Geld kostet. Und einiges verhindert
der Gesamtvertrag, etwa die Anstellung von
Ärzten bei Ärzten oder das Jobsharing.
Ja, wir Ärzte halten dieses „Gesundheitsreform
umsetzungsgesetz“ (GRUG), das in der öffent-
lichen Debatte immer noch als Primärversor-
gungsgesetz bezeichnet wird, tatsächlich für
überflüssig. Aber nicht, weil wir gegen Primär-
versorgung sind, wie uns in der Öffentlichkeit
immer wieder vorgeworfen wird. Sondern weil
wir wissen, dass neue Gesetze immer nur neue
Hindernisse bringen.
Natürlich ist dieses Gesetz in der aufgeheizten
politischen Stimmung so etwas wie ein Prestige-
projekt des Gesundheitsministeriums. Verhin-
derungsregelungen (Ärzteanstellung, Jobsharing
…) zu beseitigen, überflüssige Leistungen in der
Honorarordnung durch dringend notwendige zu
ersetzen, Kontingentierung (nicht nur im ärzt-
lichen Bereich) zu streichen, um das Teamwork
der Gesundheitsprofessionen zu erleichtern, die
Leistungen der Krankenkassen für ihre Versi-
cherten zu harmonisieren, das alles würde die
Gesundheitsversorgung wirklich weiterbringen.
Das möchte ich gemeinsam mit der steirischen
GKK zustande bringen. Entschlacken wir ge-
meinsam die Gesundheitsbürokratie.
Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann
der Kurie Niedergelassene Ärzte.
EXTRA
Norbert Meindl
Entschlacken wir die
Gesundheitsbürokratie
STANDORTBESTIMMUNG
Herwig Lindner
Frau Gesundheitsministerin,
lassen Sie forschen
Einfache Probleme sind uns die liebsten. Die Diskussion um das
frühere Primärversorgungsgesetz, das jetzt Gesundheitsreform
umsetzungsgesetz, kurz GRUG, heißt, läuft nun wieder darauf
hinaus, dass die Gesundheitsministerin dafür und die Ärzte-
kammer dagegen ist (obwohl sie doch inzwischen dafür war).
Nun haben Vertreterinnen und Vertreter der Ärztekammer nie
gesagt, dass sie dieses Gesetz für sinnvoll oder nötig erachten,
sie haben immer nur betont, dass dieses Gesetz, wenn es schon
nicht vermieden werden kann, so wenig unvernünftig sein soll
wie möglich. Und hier ist tatsächlich
einiges gelungen, der letzte Gesetzes
entwurf ist weniger misslungen als
seine Vorläufer.
Reicht das, wenn ein Gesetz nicht
völlig misslungen ist, wenn ihm die
schlimmsten Giftzähne gezogen wur-
den? Es sollte nicht reichen.
Der Commonwealth Fund hat vor
drei Jahren einen Report veröffent
licht, in dem es vor allem darum ging, das US-Gesundheitssy-
stem kritisch zu beleuchten. Tatsächlich ergab das Ranking von
elf Staaten (ohne Österreich) in zehn Kriterien, dass die USA am
schlechtesten und Großbritannien am besten abschneidet. Nur
in einem Wert sind die beiden Staaten praktisch gleich schlecht,
dem Output. Ein günstiges, durchreguliertes und ein teures,
kaum reguliertes Gesundheitssystem schaffen es also – beide –
nicht, die Bürger lange gesund zu halten.
Da stellt sich unweigerlich die Frage, ob der Versuch, durch eine
andere, komplexere gesetzliche Regulierung die Qualtät zu verbes-
sern, nicht überhaupt in die Irre führt.
Ja, es ist wichtig, die Gesundheitsversorgung weiterzuentwickeln,
etwas auszuprobieren. Nur genau das tut ein Gesetz nicht. Ein Ge-
setz hat den Zweck, Fakten, die außer Zweifel stehen, einen rechtli-
chen Rahmen zu geben. Es meißelt Überzeugungen in Stein. Der-
zeit gibt es einige sehr unterschiedliche Versuche, Primärversor-
gung anders zu gestalten. Diese Versuche sollten sich entwickeln
können, bevor sie per Gesetz in ihren Entfaltungsmöglichkeiten
wieder gehemmt und andere überhaupt unmöglich gemacht wer-
den. Österreich hat eine Forscherin zur Gesundheitsministerin. Sie
soll forschen lassen.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark.
DEBATTE