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ÆRZTE
Steiermark
|| 04|2017
SERIE
PRIMÄRVERSORGUNG 4
Grafik: Conclusio
PsychologInnen und Heb-
ammen ist dort schon seit
vielen Jahren etabliert. 85
Prozent der HausärztInnen
sind selbstständig, der Rest
ist bei einer/m anderen Haus
ärztIn angestellt. Practice
Nurses übernehmen medi-
zinische Aufgaben wie das
Management chronischer Er-
krankungen, dürfen Medi-
kamente verschreiben und
diagnostische Tests anordnen.
Rekordverdächtige 96 Pro-
zent aller Behandlungsan-
lässe können innerhalb der
Hausarztpraxen gelöst wer-
den und nur 4 Prozent werden
an die fachärztliche Sekun-
därversorgung überwiesen.
Fast alle Versicherten sind bei
einer/einem HausärztIn ein-
geschrieben, dürfen diese/n
aber problemlos wechseln. Es
gibt eine klare Aufgabenver-
teilung zwischen allgemein-
medizinischer Primär- und
fachärztlicher Sekundärver-
sorgung. In den Niederlanden
steht eine Primärversorgung
rund um die Uhr, jeden Tag
zur Verfügung. Außerhalb
der normalen Ordinations-
STEFAN KORSATKO
Im letzten Teil dieser Arti-
kelserie
a
wollen wir uns drei
Länder anschauen, deren Pri-
märversorgung in der Krin-
gos-Studie mit „stark“ bewer-
tet wurde – die Niederlan-
de, Portugal und das United
Kingdom (UK). Auffallend ist
vor allem die sehr hohe Be-
wertung der gesundheitspo-
litischen Strategien und Rah-
menbedingungen in diesen
Ländern, die seit vielen Jahren
das Fundament für die Um-
setzung einer erfolgreichen
Primärversorgung darstellen.
Alle drei Länder priorisie-
ren schon lange eine multi-
professionelle, wohnortnahe
Versorgung im Sinne von
„Primary Health Care (PHC)“
und sind ständig bemüht,
diese weiter zu verbessern.
Alle drei Länder haben ein
striktes Gatekeeping-System.
Das bedeutet, Allgemeinme-
dizinerInnen oder Primär-
versorgungseinrichtungen
müssen im Krankheitsfall zu-
erst aufgesucht werden. Dem-
entsprechend exzellent sind
die allgemeinmedizinische
Ausbildung und akademische
Verankerung und die daraus
resultierende Versorgungsfor-
schung.
Die Niederlande –
Benchmark in Europa
Die Niederlande haben bei
halber Fläche doppelt so viele
Einwohner wie Österreich.
10,8 Prozent des Bruttoin-
landsprodukts (BIP) fließen
in das fast ausschließlich über
Sozialversicherungsbeiträge
finanzierte Gesundheitssys
zeiten wird dies durch größe-
re Ärztekooperativen gewähr-
leistet. Diese agieren auch
in der Notfallversorgung als
Gatekeeper und überweisen
PatientInnen nur im Bedarfs-
fall ins Krankenhaus.
Die allgemeinmedizinische
Ausbildung nach der Promo-
tion dauert drei Jahre und
findet in acht darauf spezia-
lisierten Institutionen statt.
Das erste Jahr wird in Notfall
ambulanzen verbracht, das
zweite Jahr großteils in der
Primärversorgung, wobei der
Fokus auf dem Management
chronischer Erkrankungen
liegt. Das dritte Jahr wird aus-
schließlich in der Lehrpraxis
absolviert. Begleitend werden
die zukünftigen allgemein-
medizinischen FachärztInnen
in wichtigen Kompetenzen
wie Kommunikation, wissen-
schaftlichem und evidenz-
basiertem Arbeiten, interdis-
ziplinärer Zusammenarbeit,
Praxismanagement etc. ge-
schult. In kaum einem Land
ist die akademische Veran-
kerung der Allgemeinmedi-
zin, die praxisrelevante Ver-
sorgungsforschung, die Zahl
der daraus resultierenden
hausärztlichen Leitlinien und
wissenschaftlichen Publika-
tionen, das System der Pa-
tientendokumentation und
des Qualitätsmanagements
so ausgeprägt wie in den Nie-
derlanden.
Erfahrungsbericht von Mar
cus Schmidt, deutscher All
gemeinmediziner in
Ausbildung (gekürzt
und zusammengefasst):
tem. Bei der Lebenserwartung
liegen die Niederlande und
Österreich nahe beieinander.
Bei der gesunden Lebenser-
wartung schneiden die Nie-
derlande etwas besser ab. Die
Niederlande kommen mit
zwei Drittel der Kranken-
hausbetten Österreichs aus
(4,6 statt 7,6 pro 1.000 Ein-
wohner) und liegen auch bei
der Zahl der Krankenhaus
entlassungen deutlich nied-
riger (119 statt 263 Personen
pro 1.000 Einwohner). Mit 70
pro 100.000 Einwohner liegt
die Zahl der vermeidbaren
Krankenhauseinweisungen
aufgrund von Diabetes bei
nur einem Viertel der Werte
Österreichs (296 pro 100.000).
Die Niederlande haben eines
der modernsten Primärver-
sorgungssysteme Europas
und sind bemüht, dieses
ständig weiterzuentwickeln.
Die multiprofessionelle Zu-
sammenarbeit von im Schnitt
drei Allgemeinmedizine-
rInnen („huisarts“) mit Pfle-
gekräften, Physiotherapeu-
tInnen, PharmazeutInnen,
Primärversorgung in den
Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich.
Die Musterschüler
Auffallend ist vor allem die sehr hohe
Bewertung der gesundheitspolitischen
Strategien und Rahmenbedingungen in
diesen Ländern, die seit vielen Jahren
das Fundament für die Umsetzung einer
erfolgreichen Primärversorgung darstellen.