

20
ÆRZTE
Steiermark
|| 04|2017
Foto: Fotolia
SERIE
PRIMÄRVERSORGUNG 4
waren. 2014 waren dort 2.516
AllgemeinärztInnen und
2.597 Pflegekräfte beschäftigt.
In einem USF arbeiten im
Schnitt 5 bis 8 Allgemein-
medizinerInnen mit rund 6
bis 10 Pflegekräften („family
nurses“) und anderen Ge-
sundheitsberufen zusammen,
um ein Einzugsgebiet von
4.000 bis 18.000 Personen zu
versorgen, wobei jede/r Ärzt
In für zirka 2.000 bis 2.500
Personen zuständig ist. Die
USF nutzen entweder den
verfügbaren Raum innerhalb
eines bestehenden PVZ oder
einen von den regionalen
Gesundheitsbehörden errich-
teten Neubau. Jede USF hat
ein klar definiertes Leistungs-
spektrum, eine fortgeschritte-
ne Patientendokumentation,
ein stringentes Qualitätsma-
nagement und auf drei Jahre
ausgerichtete Versorgungs-
ziele.
2009 wurden die PVZ zu 74
Verbünden (Agrupamentos
de Centros de Saúde – ACES)
zusammengeführt, die zwi-
schen 50.000 und 200.000
Menschen versorgen. ACES
haben eine ausgeprägte Ma-
nagementstruktur und unter
Geburt und gesunden Le-
bensjahren liegen Portugal
und Österreich ebenfalls nahe
beieinander. Portugal kommt
mit deutlich weniger als der
Hälfte der Krankenhaus-
betten Österreichs aus (3,3
statt 7,6 pro 1.000 Einwohner).
Die Zahl der Krankenhaus
entlassungen liegt bei nur
einem Drittel (85 statt 263
Personen pro 1.000 Einwoh-
ner) und die Zahl der ver-
meidbaren Krankenhausein-
weisungen aufgrund von Dia-
betes mit 80 pro 100.000 Ein-
wohner bei etwas über einem
Viertel der Zahlen Österreichs
(296 pro 100.000).
Bereits Mitte der 1970er Jahre
etablierte Portugal Primär-
versorgungszentren (PVZ)
nach dem Vorbild des Nati-
onal Health Service (NHS)
im UK. 1979 wurde per Ge-
setz die Ausbildung zur/m
Fachärztin/-arzt für Familien-
medizin eingeführt. Ein Jahr
später folgte eine zweite Ge-
neration von PVZ, in die sich
die Bevölkerung einschrei-
ben musste und die seither
als Gatekeeper in Richtung
FachärztInnen oder Kranken-
häuser funktionieren. 1999
anderem einen klinischen Rat,
der aus einem/r Familienme-
dizinerIn als Vorsitzendem/r,
einem/r Public-Health-Medi-
zinerIn, einer Pflegekraft und
einer weiteren Gesundheits-
fachkraft besteht. Die ACES
sind nur zum Teil selbständig,
da sie über keine Finanzho-
heit verfügen und gegenüber
den vier Regionalbehörden,
bei denen die Verantwortung
für Planung und Ressourcen
allokation liegt, rechen-
schaftspflichtig sind. ACES
passen die Primärversorgung
an die Besonderheiten und
Bedürfnisse der von ihnen
versorgten Regionen an. 2009
erreichte die globale Wirt-
schaftskrise Portugal und be-
einträchtigte die finanzielle
Unterstützung der Reform.
Die Zahl der neu errichteten
USF sank ebenso wie die
Zahl der Neueinstellungen
von ÄrztInnen und Pflegeper-
sonen. 2012 beschloss das Ge-
sundheitsministerium auch
eine Verringerung der Zahl
der ACES auf nur noch 53.
Dabei wurden sowohl die
Charakteristiken der jewei-
ligen Population als auch der
Sekundärversorgung durch
FachärztInnen und Kranken-
häuser berücksichtigt. Exper-
ten sind sich aber einig, dass
die starke Primärversorgung
mitverantwortlich dafür war,
dass die gesundheitlichen
Negativeffekte der Krise in
Portugal vergleichsweise gut
kompensiert werden konnten.
UK – alte Stärken
und neue Krisen
Das Vereinigte Königreich
(UK) ist bei der achtfachen
folgte die dritte Generation
von selbstorganisierten PVZ,
die regionale Bedarfsanalysen,
Qualitätszirkel, strukturierte
Versorgungspfade und andere
Instrumente der Qualitätssi-
cherung einsetzten. Die Ver-
öffentlichung der positiven
Evaluierungsergebnisse im
Jahr 2003 leitete die vierte
Reformwelle ein. Diese wurde
zuletzt vom European Forum
for Primary Care (EFPC) als
eine der innovativsten in der
europäischen Primärversor-
gung bezeichnet.
Zentrales Element war der
Aufbau autonomer multipro-
fessioneller Familiengesund-
heitseinheiten (Unidades de
Saúde Familiar – USF), die
über ein Mischsystem von
Kopfpauschalen, Einzelleis
tungsvergütungen und leis-
tungsabhängigen Bezah-
lungen finanziert werden. Im
September 2006 nahmen die
ersten vier USF ihre Arbeit
auf, im Dezember 2007 er-
öffnete schon die hundertste
USF und im Mai 2014 gab
es 396 solcher Zentren, bei
denen rund 5,7 Millionen
Menschen bzw. 59 Prozent der
Bevölkerung eingeschrieben
Portugal –ein
Land mit
Tradition:
Eine der
Ikonen dieser
ehrwürdigen
Vergangenheit
ist das Kloster
Batalha in
der gleichna-
migen Klein-
stadt. Seit fast
35 Jahren ist
es UNESCO-
Weltkultur-
erbe.