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26

ÆRZTE

Steiermark

 || 04|2017

RECHT

zeigt auch, dass der OGH

diese Vorgehensweise zu wür-

digen weiß.

Je ängstlicher, desto

weniger Aufklärung

Das betroffene Paar stützte

sein Rechtsmittel an den

OGH, aber auch darauf, dass

DIETER MÜLLER

Die Wahrscheinlichkeit, dass

ein niedergelassener Gynä-

kologe mit einer Vasa praevia

konfrontiert wird, ist äußerst

gering: Sie tritt bei einer von

2.500 bis 5.000 Geburten auf;

umgerechnet auf den fachärzt-

lichen Alltag ungefähr einmal

in 125 Berufsjahren. Trotzdem

klagte ein Elternpaar nach der

Totgeburt seines Sohnes, der

nach der perinatalen Ruptur

einer Vasa praevia verblu-

tet war, den behandelnden

niedergelassenen Gynäkolo-

gen aufgrund unzureichender

Aufklärung über diese seltene

Komplikation. Auch seien sie

als werdende Eltern zu wenig

über die alternative Möglich-

keit aufgeklärt worden, per

Sectio zu entbinden.

Der Fall ging durch die In-

stanzen – vom Landesgericht

für Zivilrechtssachen Graz

über das Oberlandesgericht

Graz bis hin zum Obersten

Gerichtshof. Dieser bestä-

tigte nun kürzlich die Ab-

weisungen der Klage durch

die Vorinstanzen und sprach

damit den Arzt frei.

Medizinisch

nicht indiziert

Der Arzt konnte belegen, bei

der betroffenen Schwange-

ren seinerzeit nicht nur die

im Mutter-Kind-Pass vor-

gesehenen drei Ultraschall-

Untersuchungen vorgenom-

men zu haben, sondern sogar

die werdende Mutter eine

besonders ängstliche und be-

sorgte Patientin gewesen sei

und der behandelnde Arzt

sie deshalb besonders umfas-

send hätte aufklären müssen.

Jedoch gerade aufgrund ihrer

Ängstlichkeit, so der OGH,

sei eine extensive Aufklärung

sieben Sonographien; zudem

einen Combined Test samt

Messung der Nackenfalte

und eine nicht obligatorische

CTG-Kontrolle. Aus keinem

Befund habe sich eine Indi-

kation für eine Sectio ergeben,

weshalb auch keine spezielle

Aufklärung über diese Ent-

bindungsmethode stattgefun-

den hat. Auf eine Vasa praevia

habe es keinerlei Hinweis

gegeben.

Ohne konkrete Anzeichen

für diese Komplikation, so

der OGH, sei ein vaginaler

Farbdoppler-Ultraschall – die

einzige Diagnosemöglichkeit

für eine Vasa praevia – medi-

zinisch nicht indiziert gewe-

sen. Eine gezielte Suche nach

einer derart seltenen Anoma-

lie sei weder im Mutter-Kind-

Pass noch im Rahmen eines

Organscreenings vorgesehen,

auch gebe es keine Leitlinien

dazu. Den Arzt trifft also kein

Versäumnis. Dieser Fall ist

nicht nur ein Beispiel für die

korrekte Durchführung und

Dokumentation der Behand-

lung durch den Arzt, sondern

Nach einer Totgeburt

infolge der Ruptur einer Vasa praevia

klagte ein Elternpaar den behandelnden Gynäkologen wegen

unzureichender ärztlicher Aufklärung. Der Fall ging durch alle

Instanzen; der Arzt bekam Recht.

OGH-Entscheid entlastet

niedergelassenen Gynäkologen

„Dieser Fall ist nicht nur ein Beispiel

für die korrekte Durchführung und

Dokumentation der Behandlung

durch den Arzt, sondern zeigt auch,

dass der OGH diese Vorgehensweise

zu würdigen weiß.“

Dieter Müller

Foto: Fotolia