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ÆRZTE
Steiermark
|| 04|2017
RECHT
zeigt auch, dass der OGH
diese Vorgehensweise zu wür-
digen weiß.
Je ängstlicher, desto
weniger Aufklärung
Das betroffene Paar stützte
sein Rechtsmittel an den
OGH, aber auch darauf, dass
DIETER MÜLLER
Die Wahrscheinlichkeit, dass
ein niedergelassener Gynä-
kologe mit einer Vasa praevia
konfrontiert wird, ist äußerst
gering: Sie tritt bei einer von
2.500 bis 5.000 Geburten auf;
umgerechnet auf den fachärzt-
lichen Alltag ungefähr einmal
in 125 Berufsjahren. Trotzdem
klagte ein Elternpaar nach der
Totgeburt seines Sohnes, der
nach der perinatalen Ruptur
einer Vasa praevia verblu-
tet war, den behandelnden
niedergelassenen Gynäkolo-
gen aufgrund unzureichender
Aufklärung über diese seltene
Komplikation. Auch seien sie
als werdende Eltern zu wenig
über die alternative Möglich-
keit aufgeklärt worden, per
Sectio zu entbinden.
Der Fall ging durch die In-
stanzen – vom Landesgericht
für Zivilrechtssachen Graz
über das Oberlandesgericht
Graz bis hin zum Obersten
Gerichtshof. Dieser bestä-
tigte nun kürzlich die Ab-
weisungen der Klage durch
die Vorinstanzen und sprach
damit den Arzt frei.
Medizinisch
nicht indiziert
Der Arzt konnte belegen, bei
der betroffenen Schwange-
ren seinerzeit nicht nur die
im Mutter-Kind-Pass vor-
gesehenen drei Ultraschall-
Untersuchungen vorgenom-
men zu haben, sondern sogar
die werdende Mutter eine
besonders ängstliche und be-
sorgte Patientin gewesen sei
und der behandelnde Arzt
sie deshalb besonders umfas-
send hätte aufklären müssen.
Jedoch gerade aufgrund ihrer
Ängstlichkeit, so der OGH,
sei eine extensive Aufklärung
sieben Sonographien; zudem
einen Combined Test samt
Messung der Nackenfalte
und eine nicht obligatorische
CTG-Kontrolle. Aus keinem
Befund habe sich eine Indi-
kation für eine Sectio ergeben,
weshalb auch keine spezielle
Aufklärung über diese Ent-
bindungsmethode stattgefun-
den hat. Auf eine Vasa praevia
habe es keinerlei Hinweis
gegeben.
Ohne konkrete Anzeichen
für diese Komplikation, so
der OGH, sei ein vaginaler
Farbdoppler-Ultraschall – die
einzige Diagnosemöglichkeit
für eine Vasa praevia – medi-
zinisch nicht indiziert gewe-
sen. Eine gezielte Suche nach
einer derart seltenen Anoma-
lie sei weder im Mutter-Kind-
Pass noch im Rahmen eines
Organscreenings vorgesehen,
auch gebe es keine Leitlinien
dazu. Den Arzt trifft also kein
Versäumnis. Dieser Fall ist
nicht nur ein Beispiel für die
korrekte Durchführung und
Dokumentation der Behand-
lung durch den Arzt, sondern
Nach einer Totgeburt
infolge der Ruptur einer Vasa praevia
klagte ein Elternpaar den behandelnden Gynäkologen wegen
unzureichender ärztlicher Aufklärung. Der Fall ging durch alle
Instanzen; der Arzt bekam Recht.
OGH-Entscheid entlastet
niedergelassenen Gynäkologen
„Dieser Fall ist nicht nur ein Beispiel
für die korrekte Durchführung und
Dokumentation der Behandlung
durch den Arzt, sondern zeigt auch,
dass der OGH diese Vorgehensweise
zu würdigen weiß.“
Dieter Müller
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