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ÆRZTE
Steiermark
|| 09|2015
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PRAXIS
z u s t ä n -
d ig f ür
Recht und
R i s i k o -
ma nage -
m e n t .
„ W i r
f ü rchten
die Ver-
p f l i c h -
tung zu noch mehr Dokumen-
tation; außerdem müssten die
Patienten der Aufzeichnung
zustimmen, was die Angele-
genheit zusätzlich verkom-
pliziert. Im Probebetrieb in
Leoben hat sich gezeigt, dass
manche Patientinnen nicht
bereit waren, per Videokon-
ferenz mit einem männlichen
Dolmetscher zu sprechen.“ Im
versuchsweisen Einsatz war
das Videodolmetschen näm-
lich bereits 2012/2013 im LKH
Leoben, in hochsensiblen Be-
reichen wie Gynäkologie, Ge-
burtshilfe und Kinder- und
Jugendheilkunde, allerdings
vorerst nur mit drei Sprachen.
Als Resümee des Probebe-
triebes wurde kein besonders
großer Bedarf gemeldet und
das Angebot daher nicht ver-
längert. Doch hier scheint sich
die Zeit gewandelt zu haben.
„Mittlerweile haben mehrere
Häuser bei uns angefragt und
wir sind aktuell dabei, ver-
schiedene Varianten durchzu-
denken“, so Schweppe. Derzeit
behelfen sich die Anstalten
der KAGes mit Dolmetschern
und Dolmetscherinnen, die
persönlich in die Klinik kom-
men oder telefonisch zur Ver-
fügung stehen. Zur Erstin-
formation haben alle Häuser
Auf klärungsbögen in den
gängigsten Sprachen.
Datenschutz hat Priorität
Geklärt werden müssen auch
noch Datenschutz-Fragen.
„Wir sorgen für ausreichende
Datensicherheit“, versichert
Merschitz. „Beim Videodol-
metschen handelt es sich um
eine verschlüsselte Punkt-zu
-Punkt-Kommunikation, die
nur vom Arzt oder der Kli-
nik initiiert werden kann.“
ÄrztInnen, die einen Vertrag
mit der SAVD haben, können
das der Datenschutzkommis-
sion melden, müssen es aber
nicht, da keine Patientendaten
erfasst werden. Kliniken –
denn in einigen Bundeslän-
dern wird Videodolmetschen
bereits angeboten – geben ihr
neues Service üblicherweise
bekannt. Dass kein Zugriff
auf die Videokommunikation
möglich ist, garantiert also
der Anbieter SAVD. Damit
sind aber – zumindest für
Kassenordinationen – noch
nicht alle Fragen geklärt.
Üblicherweise haben Kas-
senärztinnen und -ärzte eine
Internet-Verbindung als soge-
nannten Mehrwertdienst zum
Ecard-System“, erklärt Alwin
Günzberg, EDV-Experte und
spezialisiert auf Ärzte und La-
bors. Diese Standard-Inter-
netverbindung reicht jedoch
für eine störungsfreie Videoü-
bertragung nicht aus. 500 kbit
für Up- und Download sind
die Mindestanforderung.
Grundsätzlich eignen sich
fast alle üblichen Endgeräte
für das Videodolmetschen:
Laptops, iPads, Tablets und
Smartphones, sowie Stand-
PCs mit einer externen Ka-
mera. „Ab Windows 7 oder
oS 7 beim Mac passen die
Systemanforderungen“, erläu-
tert Günzberg. Die Hard-
ware sollte also kein Problem
darstellen. „Unser Ziel ist
es, soweit möglich, bestehen-
de Hardware zu verwenden.
Wir finden dabei für jeden
Kunden eine individuelle Lö-
sung“, betont Marcus Chmela,
Leiter des IT-Managements
von SAVD. Auch wenn sein
Kollege Merschitz versichert,
es sei ganz einfach, die Vo-
raussetzungen für das Video
dolmetschen zu installieren
– und innerhalb eines Tages
möglich – rät Günzberg dazu,
die Erstinstallation von ei-
ner Fachkraft durchführen
zu lassen.
Drei Varianten
In den Kliniken müssen
sich ÄrztInnen nicht mit
der Installation von Video
dolmetschen befassen, wohl
aber in den Ordinationen.
Drei mögliche technische Lö-
sungen existieren, um die-
ses Service auch in einzelnen
Praxen anbieten zu können:
Entweder wird die bestehende
Internetleitung durch eine
leistungsstärkere ersetzt. Das
verursacht Zusatzkosten. „Der
Standardmehrwertdienst kos
tet monatlich 19,90 Euro; ein
Upgrade, das den nötigen Si-
cherheitsanforderungen ent-
spricht, ist nicht unter 60 Euro
pro Monat zu haben“, rechnet
Günzberg vor.
Die zweite Möglichkeit besteht
darin, mit einer unabhängigen
Internetlösung zu arbeiten,
etwa via iPad oder Tablet mit
SIM-Card. Optimal ist eine
LTE-SIM-Card. Dann erfolgt
das Videodolmetschen un-
abhängig vom Netzwerk der
Ordination und alle internen
Daten sind sicher. So arbeitet
etwa ein Linzer Krankenhaus.
Als dritte Variante steht
zur Diskussion, eine abge-
speckte reine Audio-Varian-
te zu kreieren. Die Peering
Point GmbH, beauftragt mit
der Vermarktung des GIN-
Netzes, ist sich des Bandbrei-
ten-Problems bewusst. „Weil
Videodolmetschen mit der
derzeitigen Grundkonfigura-
tion nicht machbar ist, stehen
Gespräche der Peering Point
mit SAVD bezüglich einer
Audio-Variante unmittelbar
bevor“, berichtet Geschäfts-
führer Peter Neidhart.
Kostenfrage
Der Nutzen des Videodolmet-
schens kann groß sein: Die
Versorgung von Menschen,
die über keine ausreichenden
Deutschkenntnisse verfügen,
würde nicht wesentlich mehr
Zeit benötigen als Behand-
lungen ohne Sprachbarriere.
Durch die bessere Verstän-
digungsmöglichkeit könnten
Fehldiagnosen und somit
Schadens- und Haftungsfälle
vermieden werden. Die Pro-
blematik der Familiendol-
metscher, die (vermeintlich)
Peinliches einfach verschwei-
gen oder schlichtweg nicht
auf das nötige Fachvokabular
zurückgreifen können, fiele
weg. Spricht sich die Möglich-
keit des ad-hoc-Dolmetschens
unter Menschen mit nicht-
deutscher Muttersprache ein-
mal herum, könnte auch die
Hemmschwelle sinken, prä-
ventivmedizinische Angebote
in Anspruch zu nehmen, was
letztlich Folgekosten für das
Gesundheitssystem reduzie-
ren kann.
Völlig ungelöst ist derzeit aber
noch die Kostenfrage. Für
eine Ordination macht das
Grundentgelt für Videodol-
metschen über SAVD neun
Euro monatlich aus; die Dol-
metscherinnen und Dolmet-
scher kosten pro Minute zu-
mindest einen Euro. Ein Kli-
nikverband muss mit einem
monatlichen Grundentgelt
ab 99 Euro rechnen, zuzüg-
lich der minutengenauen Ab-
rechnung des Dolmetschens.
Niedergelassene Ärztinnen
und Ärzte können für ein
Standard-Gespräch also mit
rund 16 Euro Zusatzkosten
rechnen. Und diese müssen
sie derzeit selbst tragen.
„Völlig ungelöst ist noch die Kostenfrage.“