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24

ÆRZTE

Steiermark

 || 09|2015

Foto: Fotolia

PRAXIS

z u s t ä n -

d ig f ür

Recht und

R i s i k o -

ma nage -

m e n t .

„ W i r

f ü rchten

die Ver-

p f l i c h -

tung zu noch mehr Dokumen-

tation; außerdem müssten die

Patienten der Aufzeichnung

zustimmen, was die Angele-

genheit zusätzlich verkom-

pliziert. Im Probebetrieb in

Leoben hat sich gezeigt, dass

manche Patientinnen nicht

bereit waren, per Videokon-

ferenz mit einem männlichen

Dolmetscher zu sprechen.“ Im

versuchsweisen Einsatz war

das Videodolmetschen näm-

lich bereits 2012/2013 im LKH

Leoben, in hochsensiblen Be-

reichen wie Gynäkologie, Ge-

burtshilfe und Kinder- und

Jugendheilkunde, allerdings

vorerst nur mit drei Sprachen.

Als Resümee des Probebe-

triebes wurde kein besonders

großer Bedarf gemeldet und

das Angebot daher nicht ver-

längert. Doch hier scheint sich

die Zeit gewandelt zu haben.

„Mittlerweile haben mehrere

Häuser bei uns angefragt und

wir sind aktuell dabei, ver-

schiedene Varianten durchzu-

denken“, so Schweppe. Derzeit

behelfen sich die Anstalten

der KAGes mit Dolmetschern

und Dolmetscherinnen, die

persönlich in die Klinik kom-

men oder telefonisch zur Ver-

fügung stehen. Zur Erstin-

formation haben alle Häuser

Auf klärungsbögen in den

gängigsten Sprachen.

Datenschutz hat Priorität

Geklärt werden müssen auch

noch Datenschutz-Fragen.

„Wir sorgen für ausreichende

Datensicherheit“, versichert

Merschitz. „Beim Videodol-

metschen handelt es sich um

eine verschlüsselte Punkt-zu

-Punkt-Kommunikation, die

nur vom Arzt oder der Kli-

nik initiiert werden kann.“

ÄrztInnen, die einen Vertrag

mit der SAVD haben, können

das der Datenschutzkommis-

sion melden, müssen es aber

nicht, da keine Patientendaten

erfasst werden. Kliniken –

denn in einigen Bundeslän-

dern wird Videodolmetschen

bereits angeboten – geben ihr

neues Service üblicherweise

bekannt. Dass kein Zugriff

auf die Videokommunikation

möglich ist, garantiert also

der Anbieter SAVD. Damit

sind aber – zumindest für

Kassenordinationen – noch

nicht alle Fragen geklärt.

Üblicherweise haben Kas-

senärztinnen und -ärzte eine

Internet-Verbindung als soge-

nannten Mehrwertdienst zum

Ecard-System“, erklärt Alwin

Günzberg, EDV-Experte und

spezialisiert auf Ärzte und La-

bors. Diese Standard-Inter-

netverbindung reicht jedoch

für eine störungsfreie Videoü-

bertragung nicht aus. 500 kbit

für Up- und Download sind

die Mindestanforderung.

Grundsätzlich eignen sich

fast alle üblichen Endgeräte

für das Videodolmetschen:

Laptops, iPads, Tablets und

Smartphones, sowie Stand-

PCs mit einer externen Ka-

mera. „Ab Windows 7 oder

oS 7 beim Mac passen die

Systemanforderungen“, erläu-

tert Günzberg. Die Hard-

ware sollte also kein Problem

darstellen. „Unser Ziel ist

es, soweit möglich, bestehen-

de Hardware zu verwenden.

Wir finden dabei für jeden

Kunden eine individuelle Lö-

sung“, betont Marcus Chmela,

Leiter des IT-Managements

von SAVD. Auch wenn sein

Kollege Merschitz versichert,

es sei ganz einfach, die Vo-

raussetzungen für das Video­

dolmetschen zu installieren

– und innerhalb eines Tages

möglich – rät Günzberg dazu,

die Erstinstallation von ei-

ner Fachkraft durchführen

zu lassen.

Drei Varianten

In den Kliniken müssen

sich ÄrztInnen nicht mit

der Installation von Video­

dolmetschen befassen, wohl

aber in den Ordinationen.

Drei mögliche technische Lö-

sungen existieren, um die-

ses Service auch in einzelnen

Praxen anbieten zu können:

Entweder wird die bestehende

Internetleitung durch eine

leistungsstärkere ersetzt. Das

verursacht Zusatzkosten. „Der

Standardmehrwertdienst kos­

tet monatlich 19,90 Euro; ein

Upgrade, das den nötigen Si-

cherheitsanforderungen ent-

spricht, ist nicht unter 60 Euro

pro Monat zu haben“, rechnet

Günzberg vor.

Die zweite Möglichkeit besteht

darin, mit einer unabhängigen

Internetlösung zu arbeiten,

etwa via iPad oder Tablet mit

SIM-Card. Optimal ist eine

LTE-SIM-Card. Dann erfolgt

das Videodolmetschen un-

abhängig vom Netzwerk der

Ordination und alle internen

Daten sind sicher. So arbeitet

etwa ein Linzer Krankenhaus.

Als dritte Variante steht

zur Diskussion, eine abge-

speckte reine Audio-Varian-

te zu kreieren. Die Peering

Point GmbH, beauftragt mit

der Vermarktung des GIN-

Netzes, ist sich des Bandbrei-

ten-Problems bewusst. „Weil

Videodolmetschen mit der

derzeitigen Grundkonfigura-

tion nicht machbar ist, stehen

Gespräche der Peering Point

mit SAVD bezüglich einer

Audio-Variante unmittelbar

bevor“, berichtet Geschäfts-

führer Peter Neidhart.

Kostenfrage

Der Nutzen des Videodolmet-

schens kann groß sein: Die

Versorgung von Menschen,

die über keine ausreichenden

Deutschkenntnisse verfügen,

würde nicht wesentlich mehr

Zeit benötigen als Behand-

lungen ohne Sprachbarriere.

Durch die bessere Verstän-

digungsmöglichkeit könnten

Fehldiagnosen und somit

Schadens- und Haftungsfälle

vermieden werden. Die Pro-

blematik der Familiendol-

metscher, die (vermeintlich)

Peinliches einfach verschwei-

gen oder schlichtweg nicht

auf das nötige Fachvokabular

zurückgreifen können, fiele

weg. Spricht sich die Möglich-

keit des ad-hoc-Dolmetschens

unter Menschen mit nicht-

deutscher Muttersprache ein-

mal herum, könnte auch die

Hemmschwelle sinken, prä-

ventivmedizinische Angebote

in Anspruch zu nehmen, was

letztlich Folgekosten für das

Gesundheitssystem reduzie-

ren kann.

Völlig ungelöst ist derzeit aber

noch die Kostenfrage. Für

eine Ordination macht das

Grundentgelt für Videodol-

metschen über SAVD neun

Euro monatlich aus; die Dol-

metscherinnen und Dolmet-

scher kosten pro Minute zu-

mindest einen Euro. Ein Kli-

nikverband muss mit einem

monatlichen Grundentgelt

ab 99 Euro rechnen, zuzüg-

lich der minutengenauen Ab-

rechnung des Dolmetschens.

Niedergelassene Ärztinnen

und Ärzte können für ein

Standard-Gespräch also mit

rund 16 Euro Zusatzkosten

rechnen. Und diese müssen

sie derzeit selbst tragen.

„Völlig ungelöst ist noch die Kostenfrage.“