AERZTE Steiermark | Jänner - page 44-45

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
Ærzte
Steiermark
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Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
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Ærzte
Steiermark
 || 01|201
Foto: Conclusio
Erkannt, nicht gebannt
Die Warnsignale sind un­
übersehbar: Rund ein Viertel
der 964 §2-Kassen-Planstellen
wurde in den letzten fünf Jah-
ren (2010 bis 2014) neu aus-
geschrieben. Und konnte nur
mit Mühe tatsächlich besetzt
werden. Bei 22 Stellenbeset-
zungen gab es klar erkenn-
bare Probleme, weiß die Kurie
niedergelassene Ärzte.
Wobei das Problem ein viel-
fältiges ist. Man kann nicht
nur vom in den Medien im-
mer wieder thematisierten
„Landärztemangel“ sprechen,
Schwierigkeiten gibt es auch
in der Stadt, es gibt ihn bei
Arbeits- und Lebensbedin-
gungen vor Ort oder der man-
gelhafte Leistungskatalog für
eine zeitgemäße ärztliche Pa-
tientenversorgung“, so der Ob-
mann der Niedergelassenen
Ärzte, Ärztekammervizeprä-
sident Jörg Garzarolli. Dass
die GKK von einem „entbehr-
lichen Schlagwort“ spricht,
wenn es um den Leistungska-
talog geht, neue Zusammenar-
beitsformen (Gruppenpraxis,
Jobsharing) aber hartnäckig
blockiere, zeige eine Verken-
nung der Wirklichkeit.
Wobei man auch im Bereich
der Sozialen Krankenversi-
cherungen ein gewisses Pro-
blembewusstsein zu entwi-
ckeln scheint: Eine in der
Ausgabe 12/2014 des SV-Or-
gans „Soziale Sicherheit“ ver-
öffentlichte Studie kommt
zum Schluss, dass „eine ge-
wisse Solidarität“ der Pati-
entinnen und Patienten „mit
dem Hausarzt und auch mit
dem ‚Hausapotheker‘ spürbar“
Ärztinnen und Ärzte sind
nach den Notarinnen und
Notaren die im Schnitt älteste
Freiberuf ler-Berufsgruppen
in der Steiermark. In den
nächsten zehn Jahren wird
rund die Hälfte der derzei-
tigen Kassenstelleninhaber in
Pension gehen. Damit wird
sich das Nachfolgeproblem
dramatisch verschärften. Das
Rekrutierungsreservoir Spi-
tal droht zu versiegen. Dort
bemüht man sich, die Be-
schäftigten zu halten und
verbesserte die Arbeitsbedin-
gungen. Außerdem locken
andere Bundesländer und das
(nahe) Ausland, vor allem
Entwicklung vorangetrieben,
statt eingebremst.
Aus der Studie des Haupt-
verbands der Sozialversiche-
rungsträger spricht aber auch
eine gewisse Ratlosigkeit:
„Interessant ist der nahezu
durchgängige anspruchs-
volle Wunsch, dass sich der
Hausarzt einerseits bei je-
dem Besuch „ausreichend Zeit
nehmen solle, dass es aber
gleichzeitig in den Ordinati-
onen keine bzw. keine allzu
langen Wartezeiten gebe. Di-
ese (eigentlich widersprüch-
liche) Patientenerwartung
wird auch von den befragten
Kassenplanstellen können immer
schwieriger nachbesetzt
werden. Die Kassen beginnen zwar, das als Problem zu er-
kennen – produktive Lösungen, wie die Lockerung der rigiden
Reglements sind aber nicht in Sicht.
Ärztinnen und Ärzten für
Allgemeinmedizin genauso
wie bei Fachärztinnen und
Fachärzten.
„Ärztemangel“ ist (noch) der
falsche Begriff. Den es man-
gelt nicht an Ärztinnen und
Ärzten, es mangelt an der
Bereitschaft, den Arztberuf
unter den Zwängen des öf-
fentlichen Gesundheitswe-
sens auszuüben. Der Bedarf
aber steigt, wie die Statistik
zeigt. 2010 und 2011 mussten
jeweils weniger als 40 Stellen
neu ausgeschrieben werden,
2014 waren es bereits mehr als
60 Stellen.
sei. „Kritik wird vor allem
an jenen Einrichtungen und
Dienstleistungen geäußert,
wo es (ärztliche) Hierarchien
gibt, also vor allem in der Spi-
talsambulanz oder bei der sta-
tionären Versorgung“, heißt
es weiter in der Studie.
Wenig Reaktion
Der größte Mangel laut die-
ser Untersuchung (für die
allerdings nur 37 Interviews
ausgewertet werden konnten):
Patienten wollten wie Men-
schen behandelt werden und
nicht wie Waren. Durch im-
mer mehr Restriktionen wird
aber genau diese negative
Deutschland, aber auch die
Schweiz.
Weil (siehe auch AERZTE
Steiermark 12/2014) Selbstbe-
stimmung das stärkste Motiv
ist, um in die Niederlassung
zu gehen, wirkt eine Wahl-
arztpraxis für viele weit an-
ziehender als die Kassenstelle
mit ihrem rigiden Reglement.
Verkennung
der Wirklichkeit
„Die Gründe für die sinkende
Bereitschaft, eine Kassenstelle
zu übernehmen, sind vielfach,
z.B. die veralteten Vergabe-
kriterien für Planstellen, die
Hausärzten wahrgenommen“,
konstatieren die Studienau-
toren Timo Fischer, Leiter der
Abteilung für evidenzbasierte
wirtschaftliche Gesundheits-
versorgung im Hauptverband,
und Tom Schmid, Politik-
wissenschaftler und Leiter
der Sozialökonomischen For-
schungsstelle (SFS) in Wien.
Garzarolli: „Man weiß im
Bereich der Krankenkassen
durchaus, dass das System
krank ist, nur reagiert man
darauf nicht oder falsch – mit
noch mehr Bürokratie für die
Vertragspartner.“
Ausgeschriebe §2-Kassenstellen 2010–2014
2014
2012
2013
2011
2010
10
30
50
20
40
60
Anteil der neu ausgeschriebenen Stellen 2010–2014
Allgemeinmedizin
Fachärzte
24,8%
24,0%
„Es ist in allen Interviews
eine gewisse Solidarität mit
dem Hausarzt und auch
mit dem ‚Hausapotheker‘
spürbar.“
Studie des Hauptverbands
„Man weiß im Bereich der
Krankenkassen durchaus,
dass das System krank ist,
nur reagiert man darauf
nicht oder falsch.“
VP Jörg Garzarolli
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