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ÆRZTE

Steiermark

 || 06|2017

ben ein hohes Risiko, eine De-

pression oder Angststörung

zu entwickeln. Jan Joost Meijs,

Inhaber des Zentrums, be-

klagt auch, dass seine Einrich-

tung mehr ein Krankheits- als

ein Gesundheitszentrum sei.

Auch wenn Gesundheitsför-

derung und Prävention kaum

Bestandteile der Grundver-

sorgung sind, gibt es doch

eine Vielzahl von Program-

men, die als Projekte öffent-

lich finanziert werden.

Was aber auffällt: Das Team-

work zwischen Hausärzten,

Pflege und anderen Gesund-

heitsberufen geht sehr un-

kompliziert vonstatten, auch

wenn der Zugang zu Physio­

therapie und anderen Ge-

sundheitsleistungen versiche-

rungsmäßig begrenzt ist.

Die Organisationsformen für

Gesundheits- und Hausarzt-

zentren sind wenig reglemen-

tiert – es gibt unterschied-

lichste Formen der struktu-

rellen Zusammenarbeit. So

ist jedes der fünf Zentren in

Nieuwegein anders struktu-

riert. Alle befinden sich aber

in privaten Händen, nicht

nur – aber vorwiegend – von

Ärzten, die selbst in den Zen-

tren tätig sind. Generell ist die

Bereitschaft zur Selbstorgani-

sation groß. Übergeordnete

Organisationen auf regionaler

und nationaler Ebene werden

von den Ärzten selbst getra-

gen.

Dieser Artikel erschien in der

Österreichischen Ärztezeitung

Nr. 10, 25. Mai 2017.

GESUNDHEITSVERSORGUNG

Die Output-Zahlen der OECD

zeigen ein weit weniger klares

Bild: Die Lebenserwartung

der Niederländer ist etwa

gleich hoch wie die der Ös-

terreicher. Die Zahl der per

Befragung erhobenen gesun-

den Lebensjahre (Healthy Life

Years/HLE) ist zwar etwas

höher als die in Österreich,

die beiden Länder liegen aber

in der gleichen Gruppe, wie

der Arzt und Public-Health-

Experte Franz Piribauer be-

tont, der die steirische Delega-

tionsreise in die Niederlande

fachlich betreut hat.

Dass die Niederländer durch-

gehend gesundheitsbewusst

leben, kann man auch nicht

behaupten, wie die Public-

Hea lth-Daten eines Ge-

sundheitszentrums in der

6 0 . 0 0 0 -E i nwohne r- St adt

Nieuwegein zeigen: Demnach

sind 76 Prozent der Einwoh-

ner nicht fit genug, 53 Prozent

haben Übergewicht, 24 Pro-

zent rauchen, 46 Prozent ha-

weisung vom „huisarts“ geht,

außer im lebensbedrohlichen

Notfall, nämlich gar nichts.

Und auch in diesem Fall läuft

die Entscheidung für eine

etwaige Krankenhauseinwei-

sung über die hausärztliche

Telefon-Triage.

Billig ist dieses niederlän-

dische Gesundheitssystem

dennoch nicht: Die gesamten

Gesundheitsausgaben machen

10,8 Prozent des BIP aus, die

öffentlichen 8,5 Prozent. In

Österreich sind es zum Ver-

gleich 10,4 bzw. 7,9 Prozent

(Zahlen aus Health at a Glance

2016/OECD). Auch der Patient

muss in den Niederlanden –

wenig überraschend – tiefer in

die Tasche greifen als in Öster-

reich. Der Beitrag für die staat-

lich regulierte Grundversor-

gung, die in den Niederlanden

über jährlich wechselbare pri-

vate Krankenversicherungen

läuft, ist etwa deutlich höher

als in Österreich. Dazu kommt

ein monatlicher Fixbetrag von

rund 90 bis etwa 240 Euro –

je mehr bezahlt wird, desto

größer sind die Wahlmög-

lichkeiten und umso geringer

die spezifischen Selbstbehalte.

Und dann gibt es noch den all-

gemeinen Selbstbehalt von 385

Euro pro Jahr, der fällig wird,

wenn ein Patient fachärztliche

oder Spitalsbetreuung in An-

spruch nimmt.

Aber die Holländer lieben of-

fenbar ihre Gesundheitsver-

sorgung: Seit 2008 liegen die

Niederlande unangefochten

an der Spitze des European

Health Consumer Index, wäh-

rend Österreich dort seine

Spitzenposition aus dem Jahr

2007 verloren hat. Die Ver-

antwortlichen für den Report

erklären den Erfolg der Nie-

derlande damit, dass „Politiker

und Bürokraten“ in den Nie-

derlanden „weiter von opera-

tiven Entscheidungen über die

Gesundheitsversorgung ent-

fernt scheinen als in fast jedem

anderen europäischen Land“.

An den Tagesrandzeiten gibt es in

den Niederlanden kaum reguläre

Versorgung, aber ein flächende-

ckendes Notfallsystem.