

Wahlarzt Martin Georg Mil-
lauer, Beate Hartinger-Klein,
frühere Generaldirektor-Stell-
vertreterin im Hauptverband
der österreichischen Sozialver-
sicherungsträger, der Unter-
nehmer Manfred Kainz und
der frühere ORF-Redakteur
Günther Bauer angehören,
stellte sich hinter das Anliegen.
„Gerechtigkeit muss sein.
Dem fühle ich mich verpflich-
tet. Das gilt natürlich auch,
wenn Menschen krank sind.
Als ich es zuerst gehört habe,
wollte ich es ja gar nicht glau-
ben, dass es diese Ungerech-
tigkeit gibt, dass Versicherte
verschiedener Krankenkassen
unterschiedliche und teils er-
bärmlich schlechte Rückersät-
ze bekommen, die weit von 80
Prozent entfernt sind“, nennt
Gosch sein persönliches Mo-
tiv für diese Initiative.
Millauer spricht von einer
„Bestrafung der Wahlarztpa-
tienten, die abgestellt gehört“.
Es habe „gleiches Recht für
alle“ zu gelten. Dem dürfe
sich die steirische GKK nicht
länger verschließen.
Der steirische Ärztekammer-
präsident Herwig Lindner
weist darauf hin, dass Wahl-
ärzte gemeinsam mit den
Kassenärzten heute die me-
dizinische Grundversorgung
Der ganz normale Praxiswahnsinn
Hausarzt oder Hellseher?
Einen guten Hausarzt macht unter anderem ja die Tatsache
aus, dass er oder sie ein guter Diagnostiker ist. Das bedeutet,
dass er oder sie viel und gut fortgebildet ist, den Patienten in
ausführlichen Anamnesegesprächen genau zuhört und sich
dann von seinem oder ihrem berühmten Bauchgefühl zur
richtigen Diagnose leiten lässt. So weit so gut.
Das Bauchgefühl erspart allerdings bei so manch einem dia-
gnostischen Verdacht auch nicht in allen Fällen eine genaue
laborchemische Abklärung. Und da liegt jetzt der Hund
begraben.
Gerade habe ich mit meinem Labor telefoniert, weil die
wieder ein paar der von mir angeforderten Parameter nicht
verrechnen können. Besonders schlimm ist es bei den Klei-
nen Kassen. Da gibt es einen sehr eng gefassten Katalog von
Diagnosen, die diesen oder jenen Parameter dem Arzt oder
Labor dann auch gestatten.
Als Erstes geht es um einen Patienten mit neurologischen
Ausfällen und der Nebendiagnose Langzeit-PPI-Einnahme.
Ich wollte ein Vitamin B12. Kriege ich nur, wenn ich Anämie
auf den Ü-Schein schreibe. Die hat er aber nicht. Dass bei
seinen Diagnosen aber ein B12 mehr als gerechtfertigt ist,
passt nicht in den Katalog. Ich mache nie wildes Rundum-
screening, aber was ist, wenn‘s medizinisch indiziert ist und
nicht nur versicherungsbürokratisch? Dann ist da noch die
blasse und dünne Studentin, die den ganzen Tag in ihrem
Forschungslabor brütet und deren Mutter und Oma ich
schon wegen Osteoporose behandle. Ich wollte ein Vitamin
D. Kriege ich aber nicht so einfach. Gut, in diesem Fall traue
ich mich wetten, dass sie den Mangel hat und schreibe das
beherzt auf den Ü-Schein. Was ich mit Herrn S., seines Zei-
chens mit allen Symptomen des metabolischen Syndroms
gesegnet, machen werde, ist mir noch nicht klar. Der Nüch-
ternzucker ist erhöht, ich will einen HBA1c. Die SVA zahlt
diesen aber nur bei bewiesenem Diabetes. Soll ich dem jetzt
einen andichten, weil er ihn ja wahrscheinlich sowieso krie-
gen wird? Ich will Haarausfall, Müdigkeit, Nagelbruch, Stoff-
wechsel und Knochenbröseln seriös abklären dürfen und
nicht im Kaffeesud lesen müssen!
Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für
Allgemeinmedizin.
Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2
Anekdoten aus der Sprechstunde“ (erhältlich auf Amazon).
PRAKTISCH
TÄGLICH
Von Ulrike Stelzl
NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE
80 Prozent des Kassentarifs
bekommen ASVG-Versicher-
te nach landläufiger Meinung
von ihrer Krankenkasse zu-
rück, wenn sie eine Wahlarzt-
praxis aufsuchen. Ärztinnen
und Ärzte wissen natürlich,
dass es komplizierter ist:
Aufgrund spezieller Berech-
nungsmethoden, die Limite
und Degressionen von Kas-
sentarifen ins Kalkül ziehen,
kann diese Rückerstattung
aber auch nur einen Bruchteil
ausmachen. Beim ärztlichen
Gespräch etwa sind es daher
für steirische GKK-Versicher-
te nur rund 14 Prozent des
Kassentarifs.
Besonderes Ärgernis: In an-
deren Bundesländern sind
die Krankenversicherten teils
deutlich bessergestellt als in
der Steiermark und bekom-
men weit mehr zurück.
Im Jahr 2015 thematisier-
te das Arbeiterkammer-
Vizepräsident Franz Gosch
(ÖAAB-FCG). Das Ergebnis:
Ein Beschluss im Sozialpo-
litischen Ausschuss der Ar-
beiterkammer Steiermark,
an die GKK Steiermark her-
anzutreten, damit diese die
Benachteiligung steirischer
Versicherter beende. Das blieb
praktisch ohne Resonanz.
Konsequenz war die Grün-
dung der Plattform „GePad
– Gerechtigkeit für Patienten
durchsetzen“. Ein Personen-
komitee, dem neben Gosch
auch der Präsident der Ärzte-
kammer Steiermark, Herwig
Lindner, Vizepräsident und
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ÆRZTE
Steiermark
|| 04|2017
Mehr als 12.000
Gerechte Rückersätze für
Wahlarztpatientinnen
und -patienten – dafür haben mehr 12.300 Men-
schen in steirischen Wahlarztpraxen unterschrie-
ben. Die Unterschriftenlisten sind mittlerweile an
die Gebietskrankenkasse übergeben worden.
„Bestrafung der
Wahlarztpatienten, die
abgestellt gehört“
Martin Georg Millauer