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ÆRZTE
Steiermark
|| 06|2017
die Großeltern. Der Großva-
ter, selbst Berufsmusiker und
Musiklehrer, hatte zwar die
musikalische Begabung sei-
nes Enkels gefördert – dieser
lernte Klavier und Akkordeon
–, aber gleichzeitig unmissver-
ständlich klargemacht, dass
aus der Musik kein Beruf
werden dürfe. Noch ein Wi-
derstand, den Pätzold letzt-
lich überwunden hat. Denn
nach der Matura mit Aus-
zeichnung ging Pätzold zum
Studium nach Graz, obwohl
er sofort mehrere Jobange-
bote bekommen hatte. „40
bis 45 Wochenstunden in der
Industrie zu arbeiten bei nur
vier Wochen Urlaub – da hät-
te mir die Zeit für die Musik
gefehlt“, begründet Pätzold
seine damalige Entscheidung.
Also inskribierte er Verfah-
renstechnik, denn die Tech-
nik war ihm vertraut und er
wollte etwas Strukturiertes
angehen.
„Struktur“ ist generell einWort,
das im Gespräch mit Dieter
Pätzold häufig auftaucht – und
wohl auch eines seiner Le-
bensziele. Wäre er nicht so
strukturiert, könnte er wohl
kaum aus dem Effeff aufzäh-
len, wann er in den kommen-
den Jahren bei welchen Events
musizieren wird …
Aber zurück zu seinem Wer-
degang: Neben dem Technik-
studium spielte er am Konser-
vatorium Klarinette – damals
war es einfach üblich, nicht
„nur“ Saxophon zu lernen. Am
Grazer Konservatorium gab es
U. JUNGMEIER-SCHOLZ
„Pfarrer, Rechtsanwalt oder
Arzt wirst du eh nicht, also
musst du auch nicht ins Gym-
nasium gehen“, erklärte Dieter
Pätzolds Großmutter seiner-
zeit. Es sollte anders kommen.
Der Volksschuldirektor hatte
den ausgezeichneten Schüler
beauftragt, daheim zu fragen,
in welche Schule er weiterge-
hen würde. Den Auftrag hat
er folgsam erfüllt, die oben zi-
tierte großmütterliche Antwort
erhalten und am nächsten Tag
– wahrheitsgemäß und taktisch
klug formuliert – verkündet:
„Ich habe daheim gefragt und
ich möchte ins Gymnasium
gehen.“ Die Aufnahmeprü-
fung bestand er mit Leich-
tigkeit. Widerstände säumten
überhaupt noch keinen Saxo-
phonlehrer, also folglich Kla-
rinettenunterricht. Bis Pätzold
durch Zufall ein Jahr später
den frisch nach Graz beru-
fenen Saxophonisten Oto Vr-
hovnik kennenlernte, der ihm
Lehrer und Mentor wurde.
Endlich einer, der klassisch
Saxophon spielte und nicht
nur Jazz … Pätzold lernte
bei Vrhovnik, legte sogar die
Lehrbefähigungsprüfung für
Saxophon ab und wurde Grün-
dungsmitglied des Grazer Sa-
xophonquartetts, dem er noch
heute angehört.
Vom Schulterpräparat
zum Standesamt
Die Troika seiner Ausbil-
dungen komplettierte die Me-
dizin. „Ich hatte an der HTL
wenig in den Naturwissen-
schaften gelernt – das wollte
ich ändern.“ So inskribierte
er nach der eilig nachgeholten
Biologie-Matura in der Nach-
frist auch noch Medizin. Am
Programm stand der erste Se-
zierkurs und zur Section eines
Schulterpräparates wurden in
alphabetischer Reihenfolge
aufgerufen: Dieter Pätzold und
Ursula Petermichl. „Es hat ge-
klungen wie am Standesamt“,
erzählt er rückblickend. Und
so sollte es auch kommen: Die
einstigen Studienkollegen wur-
den ein Paar und heirateten.
Ursula Petermichl wollte un-
bedingt Ärztin werden – heute
betreibt sie eine allgemeinme-
dizinische Ordination in Kain-
bach – Pätzold selbst hielt sich
„nur zu zehn Prozent für ge-
eignet“. „Aber meine Frau hat
ab diesem Moment seinen
Ausbildungsweg. Als 1959 un-
ehelich geborenem Kind, die
Großeltern Reichsdeutsche,
wehte ihm in seiner Heimat
Lienz nicht nur Sympathie
entgegen: Einer wie er hätte am
Gymnasium nichts zu suchen,
meinten manche Eltern der
Mitschüler – ungeachtet sei-
ner offenkundigen Intelligenz.
Doch Widerstand scheint ihn
erst recht zu beflügeln.
Etwas Handfestes
Nachdem Pätzold in seiner
Geburtsstadt Lienz die Un-
terstufe abgeschlossen hat-
te, übersiedelte er zu seiner
Mutter nach Salzburg und
absolvierte die HTL für Elek-
trotechnik. Etwas Handfestes
solle er lernen, empfahlen
Lange bevor er
Kardiologe wurde, hat
Dieter Pätzold schon Saxophon studiert.
Beim Grazer Saxophon-Quartett ist ihm
pünktlich zum 30-Jahr-Jubiläum eine
nachhaltige Reanimation geglückt.
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Arzt im besonderen Dienst
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