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Es gibt gute Gründe, die steirische Spitalsland-

schaft zeitgemäß zu verändern. Und man muss der

steirischen Landespolitik eine faire Chance geben,

es zu versuchen. Auch aus Sicht der Ärztinnen

und Ärzte. Sie wollen wissen, wie in 15 oder 20

Jahren die Spitäler ausschauen werden. Danach

richten die Leitungen ihre Personalpolitik aus –

Fachärztinnen und Fachärzte kann man nämlich

nicht bei Amazon kaufen, die muss man ausbilden.

Junge Kolleginnen und Kollegen brauchen langfri-

stige Perspektiven. Es geht dabei ja auch um pri-

vate Entscheidungen. Banales Beispiel: Es ist nicht

sehr sinnvoll, den Lebensmittelpunkt an einem

Spitalsstandort einzurichten, den es in 20 Jahren

in dieser Form nicht mehr geben wird.

Aber es wäre vielleicht klug, wenn „Reformer“

nicht nur subtrahieren und multiplizieren, son-

dern auch zuhören. Wenn ein Gesundheitspoli-

tiker 1.000 Studienplätze an den Medizinischen

Universitäten will, gibt es eine Folgefrage: Wo sind

die Ausbildungsplätze für die Absolventinnen

und Absolventen in den Spitälern? Wo sind die

Ausbildungsoberärztinnen und -ärzte, die diese

zusätzlichen jungen Ärztinnen und Ärzte anleiten?

Wenn solche Fragen nicht konkret bedacht wer-

den, dann werden sich nur Deutschland und die

Schweiz darüber freuen, dass die österreichischen

Medizinuniversitäten mehr künftige Ärztinnen

und Ärzte für sie „produzieren“.

Die Rechnung ist nämlich einfach: 4 von 10 in

Österreich ausgebildeten Medizin-AbsolventInnen

verlassen das Land so schnell sie können. Würde

man sie halten und die Bürokratie reduzieren,

müsste Österreich keinen einzigen zusätzlichen

Studienplatz schaffen. Das wäre zwar keine spekta-

kuläre Forderung, sondern eine reale Lösung. Die

kostet Geld? Ja, natürlich. Aber sicher nicht mehr

als 1.000 Studierende mehr pro Jahr. Und für die-

ses Geld gäbe es dann wirklich genug Ärztinnen

und Ärzte in Österreich.

Vizepräsident Dr. Martin Wehrschütz

ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte.

INTRA

Weiterer Kurienbericht ab Seite 41.

Martin Wehrschütz

Reformer müssen

zuhören lernen

KONT A

Heimo Potzinger

Mittun statt abtun

6

ÆRZTE

Steiermark

 || 11|2016

Mit der Ankündigung einschneidender Neuerungen

im Gesundheitswesen hat die Politik einmal mehr auch

im Osten und Südosten der Steiermark eine Standort-

diskussion riskiert. Aber ein Sturm der Entrüstung

sollte nicht übers Land fegen. Das hat zwei Gründe:

Zum einen scheinen die Spitäler in der Region aus Sicht

und nach Einschätzung der Direktoren und Patienten

wenigstens von Schließungen weitgehend verschont zu

bleiben. Zum anderen werden sich Kommunalpolitiker

und regionale Abgeordnete hüten, schlafende Hunde

zu wecken.

Denn: Die künftige Einteilung in Erstversorgung,

Schwerpunktkrankenhäuser oder vollwertige Spitäler

ist ein offenes, die konkreten Standorte dafür aber ein

(noch) gut behütetes Geheimnis. Bei genauem Hin-

schauen ist die Region gut aufgestellt. In der Oststei-

ermark münden Selbstbewusstsein und Strategie im

Schulterschluss statt in Alleingängen. Mit der Fusion

der Häuser von Feldbach und Fürstenfeld ist das viert-

größte Spital des Landes entstanden. Im Schutzmantel

des Krankenhausverbundes wollen auch die LKHs

Bad Radkersburg und Wagna der Standortdiskussion

entfliehen. Weiz nimmt sich als eines der am besten

ausgelasteten Häuser selbstsicher aus der Schusslinie,

Hartberg ist zwar vorübergehend in Deckung gegangen,

könnte aber optional wie schon einmal mit einer Alli-

anz – etwa mit Oberwart – liebäugeln. Schon die Vor-

gänger von Gesundheitslandesrat Christopher Drexler

haben Reformen versprochen – oder vielmehr ange-

droht. Mit allseitigem Gegenwind kamen sie nicht vom

Fleck. In solchen Fällen lautet die Devise der Politik:

Lieber Finger weg von unbeliebten Einschnitten, ehe

man zu allererst selbst dem Sparstift zum Opfer fällt!

Doch Drexler ist Intellektueller, Gestalter und Scharf-

macher in einem. Er ist der starke Mann in der Landes-

partei, eine unpopuläre Reform haut ihn keineswegs

um. Er wird das Gesundheitswesen und seine Struk-

turen umkrempeln. Und: Auch wenn er sich „seine“

umfassende Reform nicht auf die LKH-Standorte

reduzieren lassen wird, so sind ihm in Spitalsfragen

„Verbündete“ in der Oststeiermark zweifellos lieber als

gebündelter Zweifel wie in anderen Regionen.

Heimo Potzinger ist Redaktionsleiter der

WOCHE Südoststeiermark.