AERZTE Steiermark 07/08 2014 - page 14

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Ærzte
Steiermark
 || 07/08|2014
Foto: Schiffer
elga
„Datenmoloch“ ELGA
gewinnt e-health-Preis
93 Prozent der Österreicher­
innen und Österreicher ha-
ben einen Hausarzt. Zu den
sieben Prozent, die keinen
haben, gehört der stellver-
tretende Generaldirektor des
Hauptverbandes der Sozial-
versicherungsträger, Volker
Schörghofer. Das gab er bei
einer ELGA-Podiumsdis-
kussion zu, die Ende Juni
auf Einladung der „Weißen
Wirtschaft“ im Haus der In-
dustriellenvereinigung in
Wien stattfand. Gerade für
Patienten wie ihn habe ELGA
große Vorteile.
Die konträre Position nahm
Georg Markus Kainz, Prä-
sident der Datenschutzorga-
nisation Quintessenz, ein:
„Ich möchte einen Hausarzt
haben, der mich durch das
System steuert.“ Mit ELGA
werde ein „Datenmoloch“ auf-
gebaut. In der dezentralen
Datenspeicherung – von den
ELGA-Vertretern häufig als
Argument für die Datensi-
cherheit verwendet – sieht
Kainz eher Nachteile als Vor-
teile: Sobald man es geschafft
habe, in das „Mini-Internet“
ELGA einzudringen, könne
man es auch missbräuchlich
verwenden. Kainz bedauerte
es, dass die Daten nicht im
Bundesrechenzentrum, das
bereits jetzt Steuerakten sehr
sicher verwahre, gespeichert
werden. Hier hakte auch der
Hauptredner des Abends, der
Wiener Ärztekammerpräsi-
dent Thomas Szekeres ein:
„Gesundheitsakten sind viel
heikler als Steuerakten.“
Mit ihm vertrat Eiko Meister,
Notfallmediziner und Inter-
nist am LKH-Universitäts-
klinikum Graz sowie Prä-
sidialreferent in der Ärzte-
kammer Steiermark, ärztliche
Positionen und äußerte Be-
denken gegen allzu schnelle
Befundübermittlung: „Wenn
die Daten schneller sind als
die Kommunikation zwischen
Arzt und Patient“, sehe er ein
Problem. Meister übte auch
Kritik an der Funktionalität:
„ELGA ist eine Meta-Suchma-
schine, die nicht suchen kann.“
Susanne Herbek, ebenfalls
Ärztin und Geschäftsführerin
der ELGA Gesellschaft, versi-
cherte, dass bis zum Start von
ELGA die Datenaufbereitung
soweit verbessert werde, dass
in den ELGA-Daten gesucht
werden könne.
„Zu ambitioniert“
Dieser ELGA-Start wird nach
letzten Informationen jeden-
falls um ein Jahr verzögert,
statt Anfang 2015 erst zum
Jahresende stattfinden. Sie
begründete die Verschiebung
des Starts für die öffentlichen
Spitäler gegenüber der Aus-
tria Presse Agentur damit,
dass man noch verschiedene
technische Komponenten, so-
wohl zentral als auch bei den
verschiedenen Krankenhaus-
verbünden, einrichten müsse:
„Der Zeitplan war für das
komplexe System zu ambi-
tioniert“, sagte Herbek dazu
gegenüber der Tageszeitung
Kurier.
Verfassungsklage
Probleme gibt es auch an der
rechtlichen Front: Ein Wiener
Facharzt für Frauenheilkunde
und Geburtshilfe hat beim
Verfassungsgerichtshof den
Antrag auf Aufhebung des
ELGA-Gesetzes eingebracht.
Angefochten werden dabei
sämtliche Bestimmungen
des Gesetzes, insbesondere
der Eingriff in das Daten-
schutzrecht, die Verantwort-
lichkeiten für die Datensi-
cherheit durch den Arzt, die
Verantwortlichkeit des Arztes
für lückenhafte Befunder-
stellungen und daraus resul-
tierende mögliche Behand-
lungsfehler sowie Eingriffe
in das Eigentumsrecht, weil
Ärztinnen und Ärzten Aufga-
ben hinsichtlich Haftung und
Datensicherheit aufgebürdet
würden, die diese nicht erfül-
len könnten.
„Mit meinem Antrag an den
Verfassungsgerichtshof will
ich den Patienten und der
Ärzteschaft ein unsinniges,
unsicheres und teures Projekt
ersparen“, sagte der Arzt.
Laut ELGA denken offenbar
zumindest 165.000 Österrei-
cherinnen und Österreicher
ähnlich. Über 150.000 sind
bereits abgemeldet, weitere
15.000 Formulare werden
noch bearbeitet. Der Löwen-
anteil der Abmeldungen er-
folgt per Formular (140.000)
rund 10.200 über das ELGA-
Portal.
Kleiner Trost: Das ELGA-
Portal siegte kürzlich beim
e-Government Wettbewerb
2014 in Berlin in der Katego-
rie „e-health“.
Der ELGA-Start verzögert
sich um ein Jahr. Weiterhin gibt es
funktionale und rechtliche Bedenken.
„ELGA ist
eine Meta-
Suchmaschine,
die nicht suchen
kann.“
Eiko Meister,
Gesundheitssprecher der
Weißen Wirtschaft
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