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AERZTE Steiermark 07-08/2023

 

Strafrecht: Für Ärzt:innen die Büchse der Pandora?

Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht – Begrifflichkeiten, mit denen man als Ärztin/Arzt im beruflichen Kontext in der Regel nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Doch wann können Ärztinnen/Ärzte strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden und mit welchen Schritten können sie sich zur Wehr setzen? Ein Überblick.

Theresia Leitinger & Stefan Kaltenbeck

 

Verletzung des Berufsgeheimnisses

Ärztinnen und Ärzte sowie deren Hilfspersonal sind nach § 54 Ärztegesetz zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Nur in gesetzlich ausgewiesenen Fällen ist das Abgehen von dieser Verpflichtung erlaubt. Dazu zählen etwa gesetzliche Meldepflichten des Arztes oder die Entbindung des Arztes von der Verschwiegenheitspflicht durch den Patienten, d. h. durch die von der Offenbarung des Geheimnisses bedrohte Person selbst.

Weiters sind Ärzte zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn sich bei Untersuchung des Patienten der Verdacht ergibt, dass gegenüber diesem eine gerichtlich strafbare Handlung gesetzt wurde, die etwa eine schwere Körperverletzung des Patienten zur Folge hat. Wichtig ist, dass die Verschwiegenheitspflicht vor allem dann besteht, wenn die Offenbarung des Berufsgeheimnisses nicht zum Schutz höherwertigerer Interessen, wie z. B. der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege, unbedingt erforderlich ist.

Geht daher der Arzt außerhalb der gesetzlich normierten Fälle von der Verschwiegenheitsverpflichtung ab und legt ohne Einwilligung Details über den Gesundheitszustand eines Patienten offen, kann der Tatbestand der Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäß § 121 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt sein.

Behandlungs- und Aufklärungsfehler

Auch Behandlungs- und Aufklärungsfehler sind in praxi haftungsträchtige Bereiche: Wurde der Patient im Zuge einer ärztlichen Behandlung nicht ausreichend aufgeklärt, fehlt eine Einwilligung in die Behandlung oder unterläuft dem behandelnden Arzt ein Behandlungsfehler, ist neben der zivilrechtlichen auch eine strafrechtliche Haftung denkbar.

Einschlägige Tatbestände nach dem Strafgesetzbuch sind neben einer (qualifizierten) fahrlässigen Körperverletzung beispielsweise auch die eigenmächtige Heilbehandlung gemäß § 110 StGB, welche ein Strafmaß von bis zu 6 Monaten vorsieht. Bei § 121 StGB und § 110 StGB handelt es sich um Privatanklagedelikte, welche der Patient von sich aus zur Anzeige bringen muss, was in praxi auch regelmäßig vorkommt. Der Tatbestand des § 110 StGB ist auch dann erfüllt, wenn die Behandlung lege artis durchgeführt wird. Relevant ist hierbei die fehlende Einwilligung, außer es handelt sich bspw. um Gefahr in Verzug und der Patient ist nicht ansprechbar.

Ermittlungsverfahren als Chance

Sollte es zu einer Anzeige gegen den betroffenen Arzt und somit zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kommen, ist es ratsam, die Beiziehung einer rechtskundigen Person in Anspruch zu nehmen.

Da das Ermittlungsverfahren jene Phase ist, in der die Polizei unter Anleitung der Staatsanwaltschaft relevante Informationen zusammenträgt und Entscheidungen trifft, die Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens haben können, ist es sinnvoll, bereits in dieser Phase anwaltlichen Rat oder eine rechtliche Hilfestellung bei der Ärztekammer einzuholen.

Am Ende des Ermittlungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob die gesammelten Beweise für eine Anklage ausreichen und es in weiterer Folge zu einer Hauptverhandlung vor dem Strafgericht kommt, oder ob ein Rücktritt von der Verfolgung respektive die Einstellung des Verfahrens erfolgt.

Die Einhaltung der Dokumentationspflicht nach § 51 Ärztegesetz und die Zurverfügungstellung der relevanten Unterlagen über den betroffenen Fall sind für die Aufarbeitung des Sachverhalts das Um und Auf. In diesem Stadium kann eine gute Dokumentation entscheidend für den Ausgang des Ermittlungsverfahrens sein.

Im Ermittlungsverfahren sind zur Beweissicherung Zeugen-, Beschuldigten- und Opfereinvernahmen durch die Polizei und/oder Staatsanwaltschaft vorgesehen. Kommt es zur polizeilichen Beschuldigtenvernehmung, besteht das Recht, den eigenen Anwalt beizuziehen. Dabei hat der Anwalt die Möglichkeit, auf etwaige unzulässige oder für den Fall nicht relevante Fragen der Behörde zu reagieren und im Vorfeld den Mandanten auf die psychisch doch recht belastende Befragungssituation optimal vorzubereiten. Im Ermittlungsverfahren ist es außerdem bereits möglich eine Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem eine Anordnung der Staatsanwaltschaft bewilligt worden ist, einzubringen und einen Einspruch wegen Rechtsverletzung zu erheben, wenn eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung der Strafprozessordnung angeordnet oder durchgeführt wurde.

Hauptverfahren

Spätestens in der Hauptverhandlung ist die Beiziehung eines Strafverteidigers unbedingt ratsam, je nach Gerichtszuständigkeit sogar verpflichtend, wie z. B. im Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Schöffen- oder Geschworenengericht und in Einzelfällen auch vor dem Einzelrichter.

Im Idealfall wird das gesamte Strafverfahren ab dem Beginn des Ermittlungsverfahrens von einem Verteidiger begleitet. In der Hauptverhandlung wird der Angeklagte erneut vernommen, wobei ihm nach § 157 Abs. 1 Z 1 Strafprozessordnung ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht zukommt.

Das Verfahren endet mit der Urteilsverkündung inklusive Rechtmittelbelehrung. Das Gericht lässt auch etwaige Milderungsgründe, wie z. B. ein reumütiges Geständnis, das zur wesentlichen Wahrheitsfindung beigetragen hat, oder die Unbescholtenheit des Angeklagten in die Entscheidungsfindung miteinfließen. In den Fällen leicht fahrlässiger Körperverletzung endet diese Konstellation meist mit einer diversionellen Erledigung; das bedeutet, dass es meist gegen Zahlung eines Geldbetrags zu keinem Schuldspruch kommt und der Angeklagte nach Verfahrensausgang nicht vorbestraft ist.

 

Dr. Theresia Leitinger, M.A.I.S., ist Rechtsanwältin in Graz mit strafrechtlicher Spezialisierung.

 

Schneller beim Strafrecht als man denkt

„Wo ist bloß die Schnittstelle zwischen Strafrecht und Medizin, wenn ich doch beruflich eigentlich alles richtig mache?“, wird sich wohl so manche:r denken.

Und dennoch, oft geht es schneller als man denkt und man erhält einen Brief eines Anwalts, der Polizei oder des Gerichts.

Heutzutage hat fast jede:r eine Rechtsschutzversicherung und es wird viel mehr hinterfragt, als dies früher der Fall war. Nicht nur im Bereich Gewährleistung bei Gebrauchsgegenständen ist die Produktrücksendementalität allgegenwärtig. Auch im Bereich von Dienstleistungen und Behandlungen wird heutzutage deutlich mehr hinterfragt, gefordert und geklagt als früher.

Es gibt spezialisierte Anwälte für vermeintliche Behandlungsfehler und auch Patientenanwaltschaften kümmern sich um mögliche Ansprüche und Beschwerden. Es langen aktuell rund 10 Patientenbeschwerden pro Woche in der Ärztekammer zu verschiedensten Themen ein. Das Verständnis für Wartezeiten sinkt. Das Vertrauen in ärztlicherseits verordnete Therapievorschläge kommt zunehmend abhanden. Die Einsicht, dass nur kurze ärztliche Behandlungseinheiten möglich sind, fehlt immer öfter.

Daher ist es für alle Ärzte wichtig, vorbereitet und sensibel bei rechtlichen Themen zu sein. Ein Patient wird lauter im Wartezimmer? Ein Patient verlässt das Wartezimmer verärgert, weil er nicht gleich drankommt? Die Ordinationsangestellten sollten geschult sein und einen Aktenvermerk machen! Die Polizei kommt in die Ordination und ersucht um Herausgabe einer Patientenakte? Eine Abklärung über den eigenen Anwalt oder die ÄK sollte Standard sein! Es tritt eine Komplikation bei einer Behandlung auf? Eine besonders gute Dokumentation sollte erstellt werden.

Lassen Sie sich bei rechtlichen Themen jedenfalls nicht drängen und zu vorschnellen Handlungen verleiten. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für den Sachverhalt. Wählen Sie am besten im Voraus einen Anwalt Ihres Vertrauens. Und nehmen Sie bitte unser Beratungsangebot in der Ärztekammer an, wählen Sie 0316-8044-0 und lassen Sie sich beraten.

Dr. Stefan Kaltenbeck, Bakk., ist stellvertretender Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Steiermark.

 

Tipp

 Wird man als Arzt mit rechtlichen Ansprüchen konfrontiert, ist es ratsam, so früh wie möglich eine rechtliche Erstinformation über die Ärztekammer einzuholen oder sich durch den Anwalt des Vertrauens beraten zu lassen und zwar jedenfalls, bevor man die erste Aussage gegenüber einer Behörde abgibt.

  • 121 StGB: „Wer ein Geheimnis offenbart oder verwertet, das den Gesundheitszustand einer Person betrifft und das ihm bei berufsmäßiger Ausübung eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes […] anvertraut worden oder zugänglich geworden ist […], ist mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“

Gemäß § 117f Abs. 2 ÄrzteG hat die Staatsanwaltschaft die Österreichische Ärztekammer über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Arzt zu informieren.

Rechtskonflikte können auch psychisch sehr belasten. Eine erste Entlastung und Orientierung bietet das kostenlose Beratungsformat der Ärztekammer über AMBOSS (Anti-Mobbing-Burn Out-Supervisionsstelle). Kontaktstelle in der Ärztekammer: Mag. Isabell Polanec, per E-Mail: amboss@aekstmk.ort.at, per Telefon: 0316 8044-45.

 

Fotos: Adobe Stock, Larentzakis, Furgler




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