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ÆRZTE

Steiermark

 || 10|2017

NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE

Der ganz normale Praxiswahnsinn

Wie von der Frau Doktor verordnet

Die ganze Woche hatte ich mich mit Halsentzündung und

Gelenkschmerzen in die Ordi geschleppt, war trotzdem lieb

und freundlich und habe voll Mitgefühl und Verständnis

massenweise Leute in den gewünschten Krankenstand ver-

setzt, die um Lichtjahre besser aussahen als ich selbst. Das ist

prinzipiell nichts Neues und auch nichts Ungewöhnliches und

irgendwie gehört das, glaube ich, auch zum Arztsein dazu.

Denn ich kenne keinen Kollegen, der das anders handhabt.

Neu ist, dass es mir diesmal gereicht hat. Ich will nicht nur

ein Wochenende zum Auskurieren. (Ein Wochenende reicht

ja gar nicht zum Auskurieren, man hat damit gerade genug

Zeit, um so richtig zu registrieren, wie krank und müde man

wirklich ist.) Nein, diesmal will ich mehr! Und da ich eine

wirklich liebe und kompetente Kollegin kenne, die mir gele-

gentlich mal die Praxis abnimmt, beschloss ich, mich genau-

so wie ganz normale Kranke in meinem Elend zu suhlen und

selbiges zu pflegen und zu zelebrieren.

Durch die Terminpraxis können wir recht gut planen, wer

oder was auf uns zukommt und teilten der Kollegin eher

unkomplizierte Patienten zu. Akute Notfälle muss eh je-

der nehmen, wie sie kommen, aber es gibt keine geplanten

Desaster für sie. Auch sehe ich mir Befunde immer an und

mache Notizen in die Kartei, damit sie bei der Besprechung

weiß, in welche Richtung ich denke. Korrekturen, Verbesse-

rungsvorschläge und Geistesblitze ihrerseits sind trotzdem

willkommen.

Also war da auch Frau M. Diese zeigte sich schon an der

Rezeption höchst unerfreut über meine Abwesenheit. Die

beste aller Assistentinnen beruhigte sie, dass in dieser Pra-

xis nichts ohne mein Wissen und meine Zustimmung ge-

schehen würde. Da ihr LDL-Cholesterin mittlerweile trotz

aller pflanzlichen Therapieversuche auf über 200 geklettert

war, hatte ich in der Kartei vermerkt: „Atorvastatin 20 und

Kontrolle in zwei Monaten“. Die Kollegin versuchte dies

an die Frau zu bringen. Welche wütend abrauschte mit den

Worten: „Das lass ich mir von Ihnen nicht vorschreiben!“ Im

Hinausrauschen hörte sie nicht mehr die Antwort: „Der The-

rapievorschlag ist aber von der Frau Doktor Stelzl, mit lieben

Grüßen. “

Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für

Allgemeinmedizin.

Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2

Anekdoten aus der Sprechstunde“ (erhältlich auf Amazon).

PRAKTISCH

TÄGLICH

Von Ulrike Stelzl

Steiermark) und Inserate in

Zeitungen und Zeitschriften

gehören natürlich ebenfalls

dazu. Auf Youtube demons-

triert der österreichische Arzt

und Kabarettist Omar Sarsam,

wie es ohne Ärzte wäre … bei

drohendem Herzinfarkt greift

man zu den Starthilfe-Klem-

men für ein Auto, eine Blind-

darmoperation kann man mit

ein wenig Geschick und einem

Manche hätten ja gerne, dass

es ohne Ärzte geht. Und in ei-

nigen Gesundheitsplanungs-

papieren geht es ja tatsächlich

ohne sie. Da ist dann von

Gesundheitsdiensteanbietern

oder Versorgungseinheiten

die Rede. Nur: In der Realität

ist es anders. Patientinnen

und Patienten wollen nicht

von einem „GDA“ behandelt

werden oder imWartezimmer

einer „Versorgungseinheit“

sitzen. Sie wollen richtige

Menschen, Ärztinnen und

Ärzte eben. Und genau darum

geht es in der aktuellen Kam-

pagne der Österreichischen

Ärztekammer.

Großplakate, unter anderem

am Palmers-Hochhaus in

Wien, etwas kleinere an vielen

Orten im Land (auch in der

Die ÖÄK startet

eine Kampagne, um die Bedeu-

tung von Ärztinnen und Ärzten ins Bewusstsein zu

rufen – denn PatientInnen fangen mit Gesundheits-

diensteanbietern verständlicherweise nur wenig an.

„Ohne Ärzte geht‘s

„Ärzte haben die Men-

schen zu versorgen und

die Politik folgt einem

‚Kostendämpfungspfad‘.“

Norbert Meindl

Der Kinderchi-

rurg und Ka-

barettist Omar

Sarsam bereitet

das Thema

auf Youtube

humoristisch

auf (links), es

gibt aber auch

ernsthafte In-

formationen.