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ÆRZTE

Steiermark

 || 10|2015

Arzt im besonderen Dienst

Fotos: Conclusio

Puzzlesteine für

Europas Geschichte

Ob als Arzt

für Innere Medizin oder Autor historischer Roma-

ne: Antonín Polach interessiert sich in jedem Fall für das, was

sich unter der Oberfläche abspielt.

U. JUNGMEIER-SCHOLZ

„Wenn sie mit Herz ausgeübt

wird, erfüllt die Medizin den

Menschen“, so das Credo von

Antonín Polach, Oberarzt für

Innere Medizin im LKH Wag-

na. Ohne Zweifel erfüllt ihn

sein Beruf. Trotzdem bleibt

in seinem Leben noch Zeit

und Raum für einen weite-

ren Herzenswunsch, nämlich

den, historische Romane zu

schreiben.

Seit seinem 14. Lebensjahr fas-

ziniert ihn das, was wir aus der

Vergangenheit wissen – und

viel mehr natürlich das, was

wir noch nicht wissen. „Die

europäische Geschichte ist wie

ein Puzzle für mich“, erzählt

Polach. „Nach Jahrzehnten

der Auseinandersetzung mit

ihr erkenne ich schon das Ge-

samtbild; aber einzelne Puz­

zlestücke fehlen noch. Immer,

wenn ich einen dieser Teile

entdecke, der sich plötzlich ins

Gesamtbild fügt, erfüllt mich

das mit einem schönen Gefühl

und wenn ich einen besonders

schönen Stein finde, schreibe

ich darüber, um mein Wissen

weiterzugeben.“

Zu Weihnachten wird sein

zehntes Buch erscheinen

– in tschechischer Sprache,

wie die anderen davor. Denn

Polach ist ein Beutesteirer;

seine Wurzeln liegen in der

damaligen Tschechoslowakei.

Geboren 1959 in Novy Jicin,

im tschechischen Landesteil,

studierte er in Olmütz Me-

dizin. Klingt einfach, war es

aber nicht. Als Tochter eines

Großbauern galt seine Mutter

als Klassenfeind und konn-

te selbst nur über Umwege

Bildung erlangen. Auch für

den Enkel war seine Her-

kunft ein schweres politisches

Erbe. Trotzdem gelang es ihm,

Arzt zu werden und damit

– ohne es zu wissen – den ei-

gentlichen Traumberuf seiner

Mutter zu ergreifen. Erst vor

zehn Jahren hat er von ihrem

Berufswunsch erfahren; sie

war letztlich Lehrerin für Phy-

sik und Mathematik gewor-

den. Von ihrem Drängen hat

er nichts bemerkt: „Sie muss

mich wohl sehr geschickt ge-

lenkt haben.“ Denn eigentlich

wollte Polach Historiker wer-

den; schließlich unterrichtete

sein Vater Geschichte. Dass

es doch anders gekommen ist,

sieht er rückblickend sehr po-

sitiv. „Als Historiker wäre ich

in irgendeinem Archiv gelan-

det. Als Mediziner arbeite ich

mit lebenden Menschen. Das

ist noch viel spannender.“

Diagnostische

Leidenschaft

Aber zurück zu den Steinen,

die ihm auf dem Weg zum

Medizinstudium in den Weg

gelegt worden waren. Wäh-

rend seine Mutter in jungen

Jahren in der Fabrik arbeiten

musste, um als Angehörige der

Arbeiterklasse zu gelten und

deshalb doch berufsbegleitend

maturieren zu dürfen, war die

Reifeprüfung in den 1970ern

für den Sohn schon problem-

los möglich. Auch der Nume-

rus clausus, die Tatsache, dass

sich 1300 junge Menschen um

nur 250 Studienplätze bewor-

ben hatten, stellte für ihn kein

unüberwindbares Hindernis

dar. Seine Leistungen spra-

chen für sich. „Aber die ideo-

logische Begutachtung durch

die kommunistische Partei,

die für einen Studienplatz

vonnöten war, hätte ich nie ge-

schafft.“ Verschmitzt lächelnd

meint er, gleich wie die Öster-

reicher fänden auch die Tsche-

chen trotz aller Widrigkeiten

immer einen Weg, da es dort

wie hier gute Menschen gebe.

Der Direktor seiner Schule

beantragte einfach keine ideo­

logische Begutachtung, ein

Freund seines Onkels an der

Universität „übersah“, dass

die Begutachtung nicht erfolgt

war und so konnte Polach

Medizin studieren. Geschichte

wurde sein Hobby. „Was diese

beiden Fachrichtungen jedoch

verbindet“, resümiert er, „ist

die Frage nach dem Warum.

Als Arzt gebe ich mich ja auch

nicht mit der Beschreibung der

Symptome zufrieden, sondern

suche nach den Ursachen, um

eine adäquate Behandlung zu

finden.“ Diese „diagnostische

Leidenschaft“, wie er sie nennt,

sollten Mediziner wie Histo-

riker seiner Meinung nach

unbedingt verspüren.

Sowohl als Arzt als auch als

Autor möchte Polach sein Wis-

sen weitergeben. Schon in der

Slowakei begleitete er junge

Kollegen in den ersten Berufs-

jahren, heute ist er in Wagna

Ausbildungsoberarzt. Wenn

er über historische Zusam-

menhänge schreibt, tut er das

explizit, um anderen zu er-

möglichen, Geschichte besser

zu verstehen und daraus zu

lernen. Spaß am Lesen dürfen

sie ja trotzdem haben.

Zufall hilft

beim Schreiben

Die Zeit für seine litera-

rische Betätigung war und ist

immer knapp, aber manch-

mal kommt ihm der Zufall

zur Hilfe. Während er schon

zu Gymnasialzeiten Gedichte