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„Kommunikation als Leistung definieren“

Die neue PatientInnen- und Pflegeombudsfrau Michaela Wlattnig setzt sich Bürgernähe zum Ziel, will den Pflegebereich gleichwertig mit dem Spitalsbereich positionieren und sieht im niedergelassenen Bereich die Zeit gekommen, gewohntes Terrain zu verlassen.

„Ruhe bewahren in heiklen Situationen und klar filtern, was prioritär ist und was warten kann.“ Diese Fähigkeiten erachtet die neue PatientInnen- und Pflegeombudsfrau Michaela Wlattnig als ihre größten Stärken neben der fachlichen Kompetenz, die die Juristin und langjährige Patientenanwältin in psychiatrischen Einrichtungen in ihr Amt mitbringt.

Verfeinert hat sie ihre Stressresistenz im Familienleben, schließlich ist sie auch sechsfache Mutter. „Ich habe schon lange eine Führungsposition mit Gestaltungsmöglichkeiten angestrebt, sobald es mit den Kindern leichter geht, und wollte weiterhin im Bereich der Patientenrechte tätig sein“, erklärt sie. Auf die Neuausschreibung der PPO nach der Pensionierung von Renate Skledar sei sie dann eher per Zufall gestoßen. Ihre Kinder sind nun zwischen 13 und 29 Jahre alt – inwieweit eine Familiensituation mit mehreren Pubertierenden wirklich als „leicht“ zu bezeichnen ist, sei dahingestellt – aber eine große Portion beruflicher Elan ist bei ihr deutlich zu spüren.

Jedes Heim bis Ende 2020

In den ersten drei Monaten – Wlattnig ist seit Mitte September Ombudsfrau – hat sie sich vor allem um Bürgernähe, die Aufwertung des Pflegebereiches in ihrer Tätigkeit und das Teambuilding bemüht. Die Zeiten der telefonischen Erreichbarkeit, um Termine mit den zuständigen Referentinnen zu vereinbaren, wurden ausgeweitet: Nun kann man die PPO nicht nur vormittags, sondern bis 15 Uhr (freitags bis 13.30 Uhr) erreichen. Wlattnig konnte mehr Personal für den Pflegebereich erhalten, in dem sie auch regelmäßig Sprechstunden in den Pflegewohnheimen abhält. „Bis Ende 2020 möchten wir jedes steirische Pflegewohnheim einmal besucht haben“, so ihr Ziel. Begonnen hat sie damit gleich nach ihrem Amtsantritt. Zu Gute kommt ihr dabei die Gesetzesnovelle vom März 2019, die Sprechstunden in Pflegeheimen nun auch expressis verbis gesetzlich verankert hat. „Derartige Sprechstunden waren davor auch schon möglich, aber einige Heimbetreiber haben die PPO nicht gerne gesehen.“

Aufgabe der PPO ist es, Wünsche und Bedürfnisse der gepflegten Menschen aufzugreifen. In erster Linie seien es daher die Bewohnerinnen und Bewohner selbst, mit denen sie ins Gespräch käme, berichtet Wlattnig; erst in weiterer Folge gebe es manchmal Kontakte zu den Angehörigen.

Mehr Selbstbestimmung

Die Bedürfnisse der BewohnerInnen und ihrer Angehörigen sind ja naturgemäß nicht deckungsgleich. Den Sturm auf die Heimplätze nach Wegfall des Regresses sieht Wlattnig kritisch und findet dadurch das Selbstbestimmungsrecht älterer Menschen eingeschränkt. Viele würden die Heimplätze allein aufgrund ihres Pflegebedarfs nicht brauchen und wollen dort auch nicht sein.

„Es braucht gemeinde- und wohnortnahe Angebote, wie beispielsweise in Finnland. Wir müssen aufhören, in Pflegebetten zu investieren und stattdessen das Betreuungsangebot massiv ausbauen!“ Darunter fallen für sie auch Aktivitäten zur sozialen Integration – vom Tanzkurs bis zum Umgang mit dem Tablet.

Die Angehörigen können nicht den gesamten Betreuungsbedarf decken, das sei ihr wichtig klarzustellen, aber das sei kein ausreichender Grund, jemanden in einem Heim unterzubringen. „Ambulant geht immer vor stationär, nur muss dafür das entsprechende Angebot bereitgestellt werden“, betont Wlattnig.

Den Bereich der Pflege möchte die neue PatientInnen- und Pflegeombudsfrau langfristig gleichwertig wie den Spitalsbereich im Fokus haben.

Gespräch statt Dokumentation

Im Bereich der Krankenanstalten wünscht sie sich mehr Partizipation der Patienten an Entscheidungen. „Die eigene Entscheidung ist so wichtig für die Zufriedenheit.“ Als Voraussetzung für mehr Arzt-Patientengespräche als Basis zur Ermöglichung von Selbstbestimmung wünscht sie sich, „dass die Kommunikation zwischen Arzt und Patient als Leistung definiert wird“. Zeitliche Ressourcen dafür würde sie durch Entlastung bei administrativen Tätigkeiten suchen. Womit sie wohl bei einer Vielzahl an angestellten Ärztinnen und Ärzten eine offene Türe einrennt.

Gleich nach ihrem Amtsantritt auf sie zugekommen ist das KAGes-Management, mit dem sie seither in engem Kontakt steht. „Da gab es schon auch kritische Themen“, gibt sie zu. „Aber es ist immer gelungen, wertschätzend und lösungsorientiert miteinander zu kommunizieren.“ Auf die Frage, ob sie durch einen sanften Umgang mit den Krankenanstalten-Vertretern nicht Angst habe, für die Patientenschaft an Profil zu verlieren, bleibt Wlattnig gelassen: „Das heißt ja nicht, dass ich lockerlasse. Aber man erreicht nur etwas, wenn die Gesprächsbasis gut ist. Ein permanenter Kampfmodus gegen eine Institution bringt nichts.“

Substrat der Beschwerde

Auch den Umgang mit jenen Menschen, die sich an die PPO wenden, gestaltet sie sehr geradlinig. Immerhin erreichen die PPO zahlreiche Anfragen – allein im Jahr 2019 waren es bis zum Stichtag 12.12. insgesamt rund 1900. „Natürlich dürfen die Menschen auch ihren Kummer hier deponieren, aber es ist wichtig, das Substrat der Beschwerde herauszuarbeiten. Oft ist dann mit einer guten Erklärung auch der Fall erledigt.“

Eher wenige Anfragen erreichen die PPO aus dem niedergelassenen Bereich, da sind die Zahlen (die Wlattnig nicht explizit nennen möchte) über Jahre konstant. „Sind die Menschen mit dem niedergelassenen Arzt unzufrieden, gehen sie einfach nicht mehr hin. Möglicherweise wird das im Primärversorgungszentrum anders.“ Trotzdem sieht sie eine absolute Notwendigkeit in der Errichtung von PVZ und Fachärztezentren. „Es wird ein Umdenken in der Bevölkerung geben müssen, wir müssen das gewohnte Terrain verlassen. Es hilft nichts, wenn wir die Ärzte fürs Land nicht mehr finden.“

Immer einen Schritt

„Eigentlich sollte ich den Erfolg meiner Arbeit darin sehen, dass sich die Anzahl der Beschwerden drastisch reduziert. So lernt man es zumindest in der Führungskräfteausbildung. Kleine Erfolge werde ich darin sehen, dass die PPO noch bekannter sein wird und noch deutlicher als Rechtsschutzorganisation verankert, aber auch wenn wir zeitnah Lösungen finden.“ Langfristig – also nach ihrer (ersten) Funktionsperiode von fünf Jahren – möchte Wlattnig eine veränderte Zielrichtung im Pflegebereich sehen, wo Experten und Betroffene gemeinsam planen und die ambulante Betreuung deutlich ausgebaut wird. Die PVZ sollen sich gut etablieren und es möge (auch dadurch) ein Regulativ gefunden werden, um die Patientenströme von den Ambulanzen wegzulenken.

„Immer einen Schritt weiter kommen in Richtung Lösung“, lautet ihr Arbeitsmotto. In manchen Bereichen wird es viele Schritte brauchen.

Michaela Wlattnig wurde 1963 in Feldbach geboren und wuchs im Südburgenland auf. Zum Studium der Rechtswissenschaften kam sie nach Graz. Von 1994 bis 2015 war sie als Juristin im VertretungsNetz Patientenanwaltschaft tätig, als parteiliche Vertretung von zwangsweise untergebrachten psychisch Erkrankten und als Rechtsberaterin im offenen Stationsbetrieb – vorwiegend im heutigen LKH Graz II, Standort Süd. Interimistisch leitete sie zeitweise die Patientenanwaltschaft für Steiermark, Kärnten und Osttirol. Im Jahr 2015 wechselte sie zu pro mente Steiermark, wo sie die Forensik und die sozialpsychiatrischen Tagesstrukturen geleitet hat, bis sie mit Mitte September 2019 von der Landesregierung zur steirischen PatientInnen- und Pflegeombudsfrau bestellt wurde. Im juristischen wie medizinischen Bereich hat sie zahlreiche Fortbildungen absolviert, ebenso eine Ausbildung für Führungskräfte. Ihre Freizeit verbringt sie mit der Familie und beim Lesen, ist aber auch fußballaffin. Und zeigt einen deutlichen Zug zum Tor.

AERZTE Steiermark 01/2020
 

Foto: steiermark.at/Streibl




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