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Frau mit den bäss-ten Bässen

Johanna Leitner ist die eine Hälfte des ärztlichen Teams der neu eröffneten „Allgemeinmedizin Gries“. Und ein Drittel der Band „Coffeebugs“. Wäre sie nicht Ärztin geworden, hätte sie wohl E-Bass studiert.

Ursula Scholz

„Coffeebugs“ heißen die Braunen Kaffeewanzen im Süden von Afrika. Antestiopsis orbitalis. „Coffeebugs“ heißt aber auch eine Band, die im Norden von Graz in der Schallschutzkabine im eigenen Keller probt. Irgendetwas zwischen Pop und Raeggae; jedenfalls fast immer Songs aus der eigenen Feder: „burt“, „feeling alive“, „I´m here now“ zum Beispiel. „Wir haben uns Coffeebugs genannt, weil wir immer so viel Kaffee getrunken haben. Aber einen Bandnamen zu finden, ist etwas sehr Schwieriges“, erzählt Johanna Leitner, Allgemeinmedizinerin und E-Bassistin der Coffeebugs. Mittlerweile ist die Formation auf drei Personen zusammengeschrumpft: Leitner, ihre Zwillingsschwester Magdalena und ihren Partner Stefan Geister. „Gleich schwer wie einen Bandnamen zu finden, war es jetzt wieder, die Praxis zu benennen.“ „Allgemeinmedizin Gries“ lautet der Name von Leitners neuem Projekt, das sie kürzlich zusammen mit ihrer Kollegin Elisabeth Wejbora gestartet hat. Weniger fantasievoll als die Kaffeewanzen, aber durchaus treffend.

Zu perfektionistisch

Die Band läuft daneben noch weiter, wenn auch derzeit nur auf Sparflamme. Daran ist gar nicht unbedingt Johanna Leitners neues „Baby“, die Gruppenpraxis in einem Grazer Brennpunktviertel, schuld, sondern eher das Fast-noch-Baby ihrer Zwillingsschwester Magdalena. Oder beides zusammen. Derzeit tritt die Band kaum auf, sondern textet, komponiert und spielt nur für sich selbst und auf Festen von Freunden. Früher war das anders, da stand zum Beispiel alljährlich die Streckenbelebung während des Graz-Marathons fix am Programm, aber auch Auftritte in kleinen Lokalen gab es öfter. „Dann ist uns das Organisieren zu viel geworden …“ Immerhin ist ja auch Johanna Leitner Mutter zweier Kinder und der Band-Schlagzeuger deren Vater, was gemeinsame nächtliche Auftritte nicht eben erleichtert.

Gespielt wird immer noch konsequent, veröffentlicht wird von den Coffeebugs allerdings nichts, während Leitners erste Band durchaus auch CDs aufgenommen hat. Obwohl in demselben Keller, in dem sich die Schallschutzkabine („das Teuerste an unserer neuen Wohnung“) befindet, auch ein kleines Studio eingerichtet ist. „Ich glaube, wir sind zu perfektionistisch. Wir sind nie so ganz zufrieden, also wird kein Song richtig fertig. Anders als im gemieteten Studio hat man mit der eigenen Infrastruktur ja keinen Zeitdruck.“

Head over Heels

Regelmäßiges Spielen steht für Johanna Leitner trotzdem auf dem Programm. „Jeden Tag eine halbe Stunde, da wissen die Kinder, dass sie mich nicht anreden dürfen.“ Als Ausgleich zum Job, aber auch, um das andere, das Musikerinnen-Ich zu pflegen.

Dass sie einmal beim E-Bass landen würde, war zu Beginn von Leitners musikalischer Karriere noch nicht absehbar. Blockflöte und Klavier hat sie zehn Jahre lang gespielt, gleich wie ihre Zwillingsschwester, und das bei ihrer Herzenslehrerin: Barbara Osei-Weiss. Mit ihr als Schlagzeugerin und ein paar weiteren Jungmusikerinnen haben die Leitner-Mädels mit 17 dann auch ihre erste Frauenband gegründet: Head over Heels . Nach dem Abgang zweier Bandmitglieder wurde zumindest eine Schlagzeug­erin gesucht. „Bei einem Konzert haben wir dann Stefan spielen gesehen und ab da war die Band gemischt.“ Allerdings brauchte sie einen neuen Namen. Coffeebugs also.

Head over Heels hatte jedoch ganz gut zu Johanna Leitner gepasst: „A girl with a taste for the world“, wie es im gleichnamigen ABBA-Song heißt, ist auch sie. Lebenshungrig und energiegeladen verschiebt sie nichts auf später, sondern verfolgt ihre Träume hartnäckig und zielstrebig – und zeitnah. „Ich habe mit sieben Jahren meine Mutter verloren. Dadurch habe ich schon früh ein Bewusstsein für meine Endlichkeit entwickelt“, räsoniert sie. „Das ist nicht unwichtig für einen Arzt, denn auch viele Patienten setzen sich mit diesem Thema auseinander.“

„Erste richtige Bassistin“

Mit der Wahl ihres Band-Instrumentes ist die heute 38-Jährige vor gut zwei Jahrzehnten in eine Männerdomäne eingedrungen. Aber dass sie E-Bass spielen will, war für sie gleich bei der Bandgründung klar. „Das ist einfach Meines.“ Obwohl Johanna Leitner äußerst zierlich ist, handhabt sie das schwere Instrument, dessen Saiten sich nur mit trainierten Fingern abteilen lassen, scheinbar mühelos. „Ein bisschen Fitness braucht man dafür schon“, sagt sie lächelnd. Die holt sie sich beim Laufen – oder eben beim Üben.

Wenig respektvoll wurde in ihren Anfangszeiten bei Bandwettbewerben mit reinen Frauengruppen umgegangen, aber einmal hat bei einem Wettbewerb der Betreuer für die E-Bassisten anerkennend gemeint: „Du bist die erste richtige Bassistin, die ich je gesehen habe.“ Kurz hat sie dann damit geliebäugelt, E-Bass zu studieren, aber sie wollte dafür nicht nach Linz übersiedeln. Also doch Medizin, wie der Vater – und auch die Mutter, selbst Architektin, entstammte einer Ärzte-Familie.

Johanna Leitner suchte sich in Graz einen Lehrer und landete bei Wolfram „Woofy“ Abt, dem E-Bassisten von Opus und STS, der auch mit Rainhard Fendrich und Papermoon gespielt hat. „Wenn du nicht zum Üben gekommen bist, dann spielen wir eben in der Stunde“, hat er gesagt, wenn sie unvorbereitet zu ihm kam. Aufgrund dieser Einstellung war das Musizieren auch neben dem Studium immer möglich. Mit Woofys Suizid im Februar 2008 endete Johanna Leitners Musikunterricht von einem Tag auf den anderen.

Lockmittel Gruppenpraxis

Die ärztliche Karriere hatte da gerade erst begonnen. Im Turnus hat Leitner überlegt, in welche Richtung sie gehen möchte. „Etwas mit persönlichem Bezug, also Gynäkologie oder Psychiatrie“, war ihr Wunsch. Aber keine allgemeinmedizinische Praxis, denn bei ihrer älteren Schwester hat sie gesehen, mit welchem Arbeitspensum und welcher Verantwortung die Niederlassung verbunden ist. „Eine Einzelpraxis hätte ich nie gemacht“, betont sie auch heute. Erst das Angebot einer Gruppenpraxis konnte sie für die Allgemeinmedizin gewinnen. Zusammen mit ihrer jetzigen Praxis-Partnerin Elisabeth Wejbora leitete sie davor die I.K.A., die Interdisziplinäre Kontakt- und Anlaufstelle für suchtmittelabhängige Menschen, als die Gruppenpraxis ausgeschrieben wurde. Wejbora befand sich gerade auf Urlaub, aber ein Telefonat genügte, um sie von der Idee einer gemeinsamen Praxis zu überzeugen, für die die beiden Ärztinnen letztlich den Zuschlag bekommen haben.

Aus der Gynäkologie ist also nichts geworden, aber mit den drei PSY-Diplomen der Ärztekammer hat Johanna Leitner immerhin eine profunde Ausbildung im psychotherapeutischen Bereich absolviert, auf die sie auch in ihrer allgemeinmedizinischen Praxis zugreift. Das Arbeiten im Team, so hofft sie, möge genügend zeitliche Freiheit bringen, um sich den Menschen als solchen intensiver widmen zu können – und nicht nur ihrem aktuellen gesundheitlichen Problem.

Denn Johanna Leitner stellt hohe Ansprüche, an ihre Arbeitsweise ebenso wie an die Qualität der von ihr gespielten E-Bässe. Letztere sammelt sie mittlerweile. Sechs oder sieben Stück davon hortet sie daheim: den Fender Jaguar, den Fender Precision Bass ... „Aber man spielt ja dann doch immer nur mit einem“, gibt sie zu. Eben immer mit dem gerade besten, dem bäss-ten der Bässe sozusagen.

AERZTE Steiermark 11/2019

 

Fotos: beigestellt




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