AERZTE Steiermark 12/2025

 

Ärztliche Aufklärung bei Minderjährigen und Fremdsprachigkeit

Die ärztliche Aufklärung ist mehr als ein Pflichtgespräch. In Teil 2 unseres Rechtsthemas geht es um die Aufklärung im Kindes- und Jugendalter und was Ärzt:innen bei vorhandenen Sprachbarrieren bei der Einwilligung beachten müssen.

Ob ein Kind wirksam aufgeklärt werden und folglich in eine Behandlung einwilligen kann, ist grundsätzlich nicht vom Alter, sondern von der Entscheidungsfähigkeit abhängig. Ausschlaggebend ist, ob es die Bedeutung des Eingriffs, dessen Folgen und Risiken sowie mögliche Alternativen nachvollziehen kann. Dabei ist eine Prüfung im Einzelfall erforderlich, wobei verschiedene Faktoren wie Reife, Gesundheitszustand, Persönlichkeit, Schwere des Eingriffs, Risiken und Spätfolgen berücksichtigt werden müssen.

Wenn Kinder entscheiden

Bei mündigen Minderjährigen (14-18 Jahre) wird die Entscheidungsfähigkeit grundsätzlich vermutet. Liegt sie vor, kann nur das Kind selbst in die Behandlung einwilligen. Fehlt diese Fähigkeit hingegen, müssen die Eltern bzw. gesetzlichen Vertreter:innen zustimmen und dementsprechend aufgeklärt werden; eine nur durch das Kind selbst „abgesegnete“ Behandlung wäre in diesem Fall rechtswidrig. Auch wenn eine altersgerechte Information sinnvoll sein kann, bedarf es in diesen Fällen keiner unmittelbaren (zusätzlichen) Aufklärung des Kindes. Bei schwerwiegenden Eingriffen wie Operationen mit erheblichen Risiken oder dauerhaften Folgen fordert das Gesetz auch bei entscheidungsfähigen Minderjährigen zusätzlich die Zustimmung und damit auch die Aufklärung der Eltern bzw. gesetzlichen Vertreter:innen. Eine Ausweitung eines Eingriffs gegen den erklärten Willen der Obsorgeberechtigten ist unzulässig und haftungsbegründend.

Bei Notfällen

Lediglich in aktuellen Notfällen, bei besonders dringenden Eingriffen, darf auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters behandelt werden, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre.

Besonderes gilt im Übrigen für die Durchführung ästhetischer Behandlungen und Operationen; diese sind an Unter-16-Jährigen generell unzulässig. Zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr dürfen sie nur mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten vorgenommen werden.

Dolmetsch: Einwilligung bei Sprachbarrieren

Bei fremdsprachigen Patient:innen sind Ärzt:innen zunächst dazu verpflichtet, das konkrete Verständnis der Patient:innen aktiv zu überprüfen. Verfügt dieser/diese über ausreichende Deutschkenntnisse, sodass er/sie das Beschwerdebild grundsätzlich schildern und Anamnese- sowie Rückfragen beantworten kann, ist er/sie deutschsprachigen Patient:innen gleichgestellt. In diesen Fällen trifft die Patient:innen im Aufklärungsgespräch auch eine Mitwirkungspflicht, vereinzelte Verständnisprobleme anzusprechen und aktiv nachzufragen. Bestehen hingegen Zweifel an der Sprachkenntnis und ist eine ausreichende Kommunikation über eine gemeinsame Drittsprache (z. B. Englisch) nicht möglich, müssen – außer in Notfällen – eine Sprachmittlung bzw. (Berufs-)Dolmetscher beigezogen werden. Diese können im Einzelfall durch sprachkundige Spitalsmitarbeitende oder Vertrauenspersonen der Patient:innen gestellt werden, wobei die Übersetzung durch beigezogene Kinder auf Grund der meist hinzukommenden Verständnisschwierigkeiten – vor allem bei komplexen Krankheitsbildern und Behandlungen – vermieden werden sollte. Einige Krankenanstaltenträger haben diesbezüglich Guidelines, die eine Beiziehung von Kindern als Dolmetsch untersagen. Wichtig ist, den Ärzt:innen jedenfalls genügend Zeit für die Übersetzung einzuräumen, die Reaktion der Patient:innen genau zu beobachten und verständliche Zusammenfassungen der Kernaussagen zu tätigen.

Im Fall einer nicht dringlichen Maßnahme, sollte eine Behandlung bei unüberwindbaren Sprachbarrieren bis zur Möglichkeit einer lege-artis-Aufklärung verschoben werden. Ob ein Abwarten möglich ist, hängt in erster Linie von der Dringlichkeit und organisatorischen Machbarkeit ab.

Doppelte Hürde: jung, fremdsprachig

Besonders anspruchsvoll können sich Situationen gestalten, in denen Minderjährigkeit und Sprachbarrieren aufeinandertreffen. Diesfalls ist in der Praxis – bei Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit – auf eine möglichst kindgerechte Aufklärung per Dolmetsch zu achten und das Verständnis durch gezielte Rückfragen bzw. „Teach-Back“ etc. zu überprüfen. Im Zweifel – und jedenfalls bei mangelnder Entscheidungsfähigkeit – sollte die Zustimmung von gesetzlichen Vertreter:innen eingeholt werden.

Aufklärung anpassen

Alle Patient:innen müssen die Tragweite ihrer Entscheidung verstehen, um ihr Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen. Je nach vorhandener Entscheidungsfähigkeit sind sie selbst oder ihre gesetzlichen Vertreter:innen aufzuklären. In jedem Fall empfiehlt sich die sorgfältige Dokumentation besonderer Umstände.
 

Mag. Michael Tauss ist Rechtsanwalt bei HP+T Heitzmann Pils Tauss Rechtsanwälte GmbH

 

Mehr zum Thema ärztliche Aufklärung erfahren Sie auch in unserem Webinar am 15.1.2026.  

 

Foto: beigestellt, Furgler, Adobe Firefly