AERZTE Steiermark 12/2025
Codierung: Die Übermittlungspflicht wird verschoben
Die Ärztekammer konnte durch ihre Argumente und ihre Beharrlichkeit erreichen, dass die Diagnoseübermittlung gemäß AMBCO für alle niedergelassenen Ärzt:innen statt mit 1. Jänner nun erst ab 1. Juli 2026 verpflichtend wird. Ziel ist es aber, statt AMBCO ein praxistaugliches und mehrwertschaffendes System zu etablieren.
Bei einem Termin mit dem Gesundheitsministerium hat die Ärztekammer erst kürzlich erneut konkrete Änderungsvorschläge für ein vernünftiges, praktikables und für die Gesundheitspolitik auswertbares Codiersystem eingebracht. Diese wurden brüsk zurückgewiesen, doch die Kritik bleibt bestehen und man werde weiter auf ein sinnvolles System wie die E-Diagnose als Lösung hinarbeiten, betonen Vizepräsident und Kurien-Obmann Prof. Dietmar Bayer und Alexander Moussa, Referent für Telemedizin, medizinische Informatik und E-Health, angesichts der Einführung der ambulanten Leistungs- und Diagnosecodierung AMBCO.
Fahrplan
Ganz aktuell konnte allerdings eine Abänderung im Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen erreicht werden. Darin heißt es: „Daher wird mit dem gegenständlichen Abänderungsantrag eine entsprechende Pilotphase vorgesehen, indem normiert wird, dass die vollumfängliche Meldung gemäß § 6a Abs. 3 bis 5 erstmals für die Meldung für das dritte Quartal 2026 (Meldung bis 30. November 2026) verpflichtend ist. Eine freiwillige Meldung ist bereits ab 1. Jänner 2026 möglich und soll für die Pilotierung genutzt werden.“ Festzuhalten ist, dass im Ärztegesetz bisher noch keine diesbezüglichen Änderungen erfolgt sind.
Trotz der Erleichterung für die niedergelassenen Ärzt:innen, bleibt AMBCO dennoch „A Miserables Beispiel für Chaotische Organisation, die Datenmüll produzieren wird, statt Vorteile für die Versorgung zu liefern“, bringt Bayer die Kritik der Kurie auf den Punkt. Man habe die Chance vertan, die medizinische Dokumentation von der Abrechnungsdokumentation zu trennen. Es brauche moderne Lösungen mit einem Mehrwert wie z. B. einer Patient Summary. Auch beim Datenschutz ortet die Kurie bei AMBCO schwere Mängel – und steht damit nicht alleine da.
„Aufgrund unserer intensiven Bemühungen konnten wir erreichen, dass die gesetzliche Verpflichtung, Leistungen und Diagnosen künftig codiert zu übermitteln, nun erst mit 1.7.2026 in Kraft tritt“, freut sich Moussa über die zeitliche Verschiebung, die allen mehr Zeit für die Vorbereitung verschafft. Dennoch sei eine nachhaltige Lösung wie die E-Diagnose eigentlich das Ziel: „Was wir wollen, ist eine automatische Diagnose-erfassung mit einem Mehrwert für die Ärzt:innen.“
Was ist AMBCO?
Das zentrale Prinzip der ambulanten Diagnosecodierung (AMBCO) ist die Erfassung und Übermittlung des medizinischen Grundes für den Patient:innenkontakt – auch wenn keine Diagnose im engeren Sinn gestellt werden kann. Das bedeutet: Jeder Patient:innenkontakt – auch im Rahmen telemedizinischer Behandlungen – muss mit mindestens einer nach ICD-10 codierten Diagnose erfasst und übermittelt werden. Dabei ist stets eine Hauptdiagnose anzugeben, also der medizinische Grund für den Besuch. Liegen mehrere für den jeweiligen Besuch relevante Diagnosen vor, sind diese als Zusatzdiagnosen zu codieren. Die Codierung hat mittels vierstelliger ICD-10-Codes zu erfolgen – sofern kein entsprechender Viersteller verfügbar ist, kann ein dreistelliger Code verwendet werden.
Was darf nicht codiert werden?
Verdachtsdiagnosen sind in diesem System nicht zulässig und dürfen nicht codiert werden, da jede codierte Diagnose automatisch als bestätigt gewertet wird. Anstelle eines Verdachts sind daher Symptome oder Befunde zu übermitteln. Auch Status-Post-Diagnosen dürfen nur codiert werden, wenn sie tatsächlich den unmittelbaren Grund für den aktuellen Patient:innenkontakt darstellen – was laut Ansicht des Ministerium nur selten zutreffen würde. Dauerdiagnosen wiederum sind nur zu codieren, wenn sie tatsächlich Anlass des aktuellen Besuchs sind.
Beispiel: Ein Patient stellt sich mit rechtem Unterbauchschmerz vor – Verdacht auf Appendizitis, aber da dies nicht gesichert ist, ist das Symptom als Grund für den ambulanten Kontakt zu übermitteln: R10.3 – Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches.
Diagnostische Fachgebiete
Auch Röntgen, Pathologie und Labor unterliegen der Codierungspflicht. Für ambulante Kontakte – selbst ohne physischen Patient:innenkontakt wie bei einer Laboreinsendung – muss eine Hauptdiagnose erfasst werden. Diese kann auf den diagnostischen Informationen der Zuweiser:innen basieren, doch dürfen keine Diagnosen übermittelt werden, die im Zusammenhang mit „Verdacht auf“ oder „Ausschluss von“ verwendet werden.
Für Kontakte, bei denen keine Gesundheitsstörung vorliegt, (z. B. Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen, MKP-Untersuchungen, …) sind ebenso ICD-10-Codes zu verwenden.
Technische Umsetzung
Für die gesetzeskonforme Übermittlung der Codierung ist eine Softwareanpassung erforderlich. 18 Millionen Euro kostet diese den Ärzt:innen österreichweit, rechnet Alexander Moussa vor und kritisiert vehement: „Warum muss die Ärzteschaft die Digitalisierung des Gesundheitswesens zahlen?“ Ein Punkt, den die Kurie bereits erreichen konnte: Kleine wahlärztliche Ordinationen, mit weniger als 300 unterschiedlichen Patient:innen pro Jahr, werden von der Verpflichtung ausgenommen. „Was wir außerdem geschafft haben: das e-Health-Codierservice. Das bringt Vorteile in unserer Dokumentation, auch wenn es langfristig bessere Lösungen bräuchte. Dafür werden wir uns weiter mit hohem Druck einsetzen“, so der Kurienvertreter.
Alle aktuellen Infos zur Codierungspflicht hat die Kurie hier zusammengefasst:
Das Handbuch „Medizinische Dokumentation für den extramuralen ambulanten Bereich Stand 25-06-2025 (Diagnosecodierung)“ des Gesundheitsministeriums ist online abrufbar.
Foto: Schiffer, envato_YuriArcursPeopleimages