AERZTE Steiermark 12/2025

 

Wolfgang Raith: Ein langer Atem fürs Didgeridoo

Die Faszination für das ungewöhnliche Instrument hat den Kinderarzt Wolfgang Raith bereits während seiner Ausbildung erfasst. Sein Auslandsaufenthalt führte ihn zwar leider nicht nach Australien, aber die Auseinandersetzung mit der Kultur begleitet ihn bis heute.

Das Medizinstudium absolvierte Wolfgang Raith in Graz. Gleich nach der Uni erhielt er ein Forschungsstipendium und begann seine Ausbildung an der Klinik. „Danach wollte ich eigentlich mit der Ärztekammer nach Australien, weshalb ich mich intensiv mit dem Land, den Aboriginal People und mit dem Didgeridoo beschäftigt habe. Es gab damals ein Programm für Auslandsaufenthalte, doch leider stand am Ende Australien nicht zur Auswahl, sondern nur Syrien und Nepal und ich entschied mich aufgrund der prekären Lage in Syrien für das Land am Dach der Welt.“

Faszination Frühgeborene

Nach seiner Rückkehr aus Nepal kehrte Raith an die Grazer Klinik zurück, zu Wilhelm Müller und Berndt Urlesberger, zu dem er bis zu dessen tragischem Tod im vergangenen Jahr engen Kontakt pflegte. Über die Kinderkardiologie kam Wolfgang Raith schließlich zur Neonatologie – ein Bereich, der ihn sofort fesselte. „Als Arzt ist man hier für den ganzen Menschen verantwortlich, nicht nur kardiologisch oder pneumologisch. Frühgeborene sind zwar schon kleine Menschen, aber völlig auf unsere Arbeit angewiesen. Das höchste Ziel ist es, den Eltern ein gesundes Kind mit nach Hause zu geben“, sagt er.

Zunächst gescheitert

Sein Interesse für die Aboriginal People und das Didgeridoo hat der Arzt neben dem Beruf weiterverfolgt. Vor mittlerweile fast 30 Jahren hat ihm eine Freundin ein Didgeridoo aus Australien mitgebracht und er hat begonnen sich mit dem Instrument auseinanderzusetzen. „Und bin zunächst, wie alle, erstmal gescheitert“, lacht er. „Das ununterbrochene Spielen mit dem Didgeridoo erfordert eine Atemtechnik, die auch vom medizinischen Standpunkt aus spannend ist“, so Raith zur Besonderheit des Instruments. Diese Atemtechnik, die sogenannte Zirkularatmung, ist komplex – hätte er gewusst, dass er so lange brauchen würde, sie zu erlernen, hätte er früher aufgegeben, ist er heute überzeugt. „Die Herausforderung ist, dass du atmest und gleichzeitig den Ton erzeugst. Es gibt also kein Absetzen, keine Unterbrechung zum Luftholen. Der Ton hört nie auf, wenn man so will“, erläutert der Kinderarzt begeistert. Darin liegt auch die kulturelle Bedeutung des Didgeridoos für die Aboriginal People – es symbolisiert den Kreislauf des Lebens, der nie endet.

Atem, Töne, Rhythmen

Mindestens 3 Jahre habe er gebraucht, um die Atemtechnik zu beherrschen. „Die ersten Töne ähneln – freundlich ausgedrückt – bestenfalls dem Röhren eines Hirsches“, erzählt er schmunzelnd. Lehrer gab es in Österreich kaum – erst durch den Online-Boom während Corona fand er Unterrichtsmöglichkeiten. „Das geht erstaunlicherweise sehr, sehr gut und seither ging tatsächlich viel weiter“, freut sich Wolfgang Raith über seine Fortschritte, in deren Zentrum nach der Verbesserung der Atemtechnik, nun das Erzeugen verschiedener Töne und später dann die Rhythmen stehen.

Zeit für Veränderung

Parallel dazu machte sich Raith als Kinderarzt selbstständig. „Plötzlich kam der Moment, in dem ich mir dachte: Es braucht eine Veränderung. Da wurde zufällig eine Ordination frei – und ich habe die Chance ergriffen.“ An seiner Arbeit heute schätzt er vor allem die Langzeitbetreuung seiner Patient:innen. „In der Neonatologie kommen Kinder zur Welt, haben Probleme und verlassen die Station wieder. Jetzt kann ich ihre Entwicklung mitverfolgen – das ist spannend.“ Dafür kommen neue Herausforderungen hinzu – etwa das Management: „Ob die Handschuhe ausgehen könnten, war früher beispielsweise nie mein Thema“, sagt er lachend.

Musik als Therapie

Aber wenn Stress aufkommt, greift Raith zum Didgeridoo. „Man muss erst seine Ordnung finden, damit man spielen kann – es erfordert Konzentration und hat zugleich etwas Meditatives.“

Wie der Arzt generell überzeugt ist, dass die körperliche Erfahrung beim Musizieren, aber auch die Vibrationen zur Entspannung beitragen und eine Kraftquelle für jeden Menschen darstellen. Gerade bei Neugeborenen wirkt das aktive Singen oder Summen mit dem Kind unterstützend zur Behandlung beispielsweise von Säuglingen mit speziellen Bedürfnissen. Es führt zu einem anderen Atmen, entspannt die Eltern, und das überträgt sich auf die Kinder ebenso wie die Schwingungen. Sogar zu Frühgeborenen im Inkubator lässt sich so Kontakt aufnehmen. Daher besucht Raith auch immer wieder Vorlesungen an der Musikuniversität zum Thema Musiktherapie und könnte sich sogar vorstellen auf diesem Gebiet noch eine Ausbildung zu machen.

 

Foto: beigestellt