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AERZTE Steiermark 10/2023

 

„… menschlich verständlich“

Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler erklärt im AERZTE Steiermark-Gespräch, warum es wichtig ist, Ärztinnen und Ärzte, aber auch anderes Gesundheitspersonal, sehr gut zu bezahlen und welche Rezepte gegen den Vertrauensverlust der Politik aus seiner Sicht wirken.

 

AERZTE Steiermark: Sie waren von 2014 bis 2019 in der Landesregierung für Gesundheit zuständig. Rückblickend: Hätten Sie etwas anders machen sollen?

Christopher Drexler: Bestimmt. Auch wenn man sich noch so bemüht, noch so viel Expertise einholt, ich denke nicht, dass man immer alles richtig machen kann. Das gilt wahrscheinlich mehr noch als anderswo für das komplexe Gebiet der Gesundheitspolitik – mit den vielen unterschiedlichen Playern und den mitunter komplizierten Strukturen. Ich denke aber, dass wir in dieser Zeit ganz entscheidende, richtige und wichtige Weichenstellungen getroffen haben.
Mit dem RSG 2025 haben wir Weitblick bewiesen. Die zunehmende Spezialisierung, die ganz neuen Möglichkeiten moderner Medizin, die teilweise zu niedrigen Fallzahlen, aber auch die derzeitige Personalnot zeigen jeweils für sich, dass es nicht mehr zeitgemäß war, an allen Spitalsstandorten jedes Leistungsangebot vorzuhalten. Das geht schlichtweg nicht und das haben wir trotz aller Kontroverse klar ausgesprochen. Verbünde, Schwerpunktspitäler und die vielen anderen Maßnahmen, die wir gesetzt haben, sichern die Spitalsversorgung in unserem Land.

 

Wie zufrieden sind Sie selbst mit der Gesundheitspolitik in der Steiermark und im Bund?

 Ich glaube, man darf als politisch Verantwortlicher nie zufrieden sein. Denn das kann der erste Schritt zum Stillstand sein. Mein Anspruch ist es aber zu gestalten. Ich werde auch als Landeshauptmann sehr oft auf Themen der Gesundheitsversorgung angesprochen – von Ärztinnen und Ärzten genauso wie von vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern. Man merkt, da ist Unruhe, da gibt es genug zu tun.

Wovon ich überzeugt bin: Die Probleme, die wir in der Gesundheitsversorgung haben, sind keine steirischen Phänomene. Die gibt es in ganz Österreich – denken wir nur an die Berichte aus den Wiener Spitälern oder aus anderen Bundesländern. Deswegen sollten wir die Augen nicht vor Problemen und Herausforderungen verschließen, sie entschlossen angehen, aber unser Gesundheitswesen auch nicht schlechter reden als es ist. Es ist nämlich insgesamt großartig – dank des Einsatzes so vieler Ärztinnen und Ärzte, der Pflegekräfte und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Überlange Wartezeiten müssen wir gemeinsam abstellen. Die Gesundheitspolitik im Bund ist bisher mehr durch Reformankündigungen und Forderungen aufgefallen als durch tatsächlichen Reformeifer, der Nutzen für das Personal und die Patientinnen und Patienten bringt. Aber ich will nicht auf den Bund zeigen – Bund, Länder und Sozialversicherungen müssen einen gemeinsamen Bauchaufschwung schaffen.

 

Ursprünglich war das Argument für die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen in der ÖGK eine deutliche Senkung der Kosten ohne Qualitätsverlust. Darum ist es mittlerweile sehr still geworden. Was bringt die ÖGK aus heutiger Sicht den Steirerinnen und Steirern?

Ich habe leider den Eindruck, dass die Sozialversicherung, besonders die Gesundheitskasse, nach ihrem Fusionierungsstillstand noch nicht in die Rolle zurückgefunden hat, ein treibender Partner für Verbesserungen und nötige Maßnahmen zu sein. Auf die Positiveffekte der Zusammenlegung in der Praxis – in mehrerlei Wortsinn – warte ich immer noch sehnlich.

 

130 Millionen für höhere Gehälter von Ärzten und Pflege werden nun in der Steiermark bereitgestellt: Wird das von den Betroffenen und der Bevölkerung genug wertgeschätzt? Schließlich ist die Bezahlung einerseits Ausdruck der Wertschätzung und soll den Personalmangel dämpfen.

Für mich war und ist klar, dass unsere steirischen Ärztinnen und Ärzte, unser Pflege- und Gesundheitspersonal nicht weniger verdienen dürfen als in Spitälern in anderen Bundesländern. Wir haben uns daher entschlossen, mehr als 130 Millionen Euro jedes Jahr aufzustellen, um mit den Gehältern in den steirischen Spitälern im österreichweiten Vergleich nicht nur ganz vorne dabei, sondern zum Teil an der Spitze zu sein. Das ist uns wichtig, weil wir die großartige Arbeit unserer Ärztinnen und Ärzte, des Pflege- und Gesundheitspersonals über alle Maßen schätzen und jeden Tag nur dankbar für ihren Einsatz sein können. Daher wollen wir die Abwanderung in andere Bereiche oder Bundesländer unter anderem mit diesem historischen Gehaltspaket stoppen und neues Personal für die Spitäler finden – nicht zuletzt, um auch Entlastung zu schaffen.

 

Sie sind seit etwas mehr als 15 Monaten Landeshauptmann der Steiermark. In dieser Zeit waren die Gehälter für das Spitalspersonal eines von mehreren millionenschweren Paketen, die aufgesetzt wurden. Welches davon ist Ihnen besonders wichtig?

Sie sind alle wichtig und notwendig, um für die Steirerinnen und Steirer die besten Lebensbedingungen in unserem Bundesland zu schaffen und für die Zukunft zu sichern. Ich will unser Bundesland in möglichst vielen Bereichen an der Spitze sehen – denn da gehört die Steiermark hin. Dafür arbeiten wir jeden Tag in der Landesregierung. Und wenn wir sehen, dass die Umstände einen besonderen Handlungsbedarf in einzelnen Bereichen ergeben, dann finden wir Lösungen und stellen die nötigen Weichen für die Zukunft. Das gilt für die Gehälter in den Spitälern genauso wie für die Kinderbildung und -betreuung. Ein Personalpaket, ein verbesserter Betreuungsschlüssel und eine soziale Staffelung der Elternbeiträge für Kinderkrippen waren Teil eines ersten Maßnahmenbündels. Außerdem haben wir die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Teuerungen auf Landesebene ergänzt. Etwa den Heizkostenzuschuss verdoppelt und eine 122 Millionen Euro schwere Wohnoffensive gestartet, mit der nicht nur die Bauwirtschaft für Wohnraum angekurbelt werden soll, sondern auch das Wohnen insgesamt für die Steirerinnen und Steirer wieder billiger wird. Nicht zu vergessen der Klimaschutz und die Energieunabhängigkeit, die ganz oben auf der Prioritätenliste stehen: Mit einem eigenen Sachprogramm beschleunigen wir den Photovoltaik-Ausbau in der Steiermark und werden auch bei der Windkraft eine neue Offensive starten. Es geht dabei um nicht weniger als sauberen, CO2-freien Strom und die Unabhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland.

 

Ein vor allem für Junge wichtiges Thema ist die Kinderbetreuung. Die wird zwar besser, aber nur sehr langsam. Und die Steiermark schneidet im Österreichvergleich eher schwach ab. Wann wird es eine den Arbeitszeiten Spitalsbediensteter (dazu gehören auch Nacht- und Wochenenddienste) entsprechende Kinderbetreuung geben?

Gemeinden, Land und Bund sind da laufend dahinter. Wir unterstützen die Gemeinden sehr intensiv beim Ausbau der Kindergärten und der Kinderkrippen – hier passiert wahnsinnig viel. Auch bei der Kinderbetreuung haben wir ein Personalthema. Das ist durch große Anstrengung der Kindergartenträger und durch das genannte Maßnahmenbündel besser geworden – aber auch da müssen wir weiter dranbleiben. Der Bundeskanzler hat unlängst massive Investitionen in die Kinderbetreuung angekündigt. Ich denke, dass wir im Kinderbetreuungsangebot in den nächsten Jahren weiter massive Schritte vorwärts machen werden.

 

Die Arbeitskräfte sind nicht nur im Gesundheitswesen, sondern generell ein Thema. Wie kann die Politik diesem zunehmenden Mangel begegnen?

In den letzten Monaten und Jahren hat sich die Diskussion über den Arbeitsmarkt tatsächlich komplett gedreht. Statt Arbeitslosigkeit war das Thema der Arbeitskräftemangel. Zuletzt hat allerdings die Arbeitslosigkeit wieder etwas zugenommen. Die wirtschaftlichen Prognosen sind eher verhalten. Wir müssen uns also auch diesem Thema verstärkt widmen und in beide Richtungen aufmerksam bleiben. Denn auch wenn in manchen Branchen die Arbeitslosigkeit leider zunimmt, wird es immer auch Bereiche geben, in denen ein Mangel bleibt. Die Steiermark ist ein Land mit einer extrem hohen Lebensqualität. Wir haben eine wunderschöne Naturlandschaft, von den alpin geprägten Regionen bis zu den Weinbergen – eine Vielfalt wie kaum woanders. Dazu kommen eine Gastfreundschaft und ein gesellschaftlicher Zusammenhalt, die man erst einmal wo finden muss. Das sind alles wichtige Faktoren, die einen Standort als Arbeitsplatz attraktiv machen. Deshalb betreiben wir auch verstärkt Standortmarketing. Weil wir bei Arbeitskräften aus dem Ausland bekannt und für sie attraktiver werden wollen. Weil wir qualifizierten Zuzug – ganz im Gegensatz und strikt zu trennen von illegaler Migration – brauchen. Nicht um heimische Arbeitskräfte aus dem Markt zu drängen – sondern weil wir dem Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel in so vielen Bereichen begegnen müssen. Und genau deshalb steht im Mittelpunkt unserer Arbeit der Erhalt dieser einzigartigen Lebensqualität. Das schaffen wir durch entschlossenen Klima- und Naturschutz, durch das neue Raumordnungsgesetz gegen unnötige Bodenversiegelung, durch Initiativen zur Ortskernbelebung, gute Bildungseinrichtungen, eine verbesserte Kinderbetreuung, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein breites Kulturangebot und selbstverständlich durch ein sehr gutes Gesundheitssystem.

 

Immer weniger Menschen haben Vertrauen in die Politik. Viele wenden sich ab oder extremen Rändern zu. Welche Gegenrezepte gibt es?

Wenn sogar ich bei manchen Parlamentsdebatten im Fernsehen einen Ausschaltimpuls habe, wie soll es dann anderen gehen, die nicht jeden Tag mit Politik zu tun haben? Ich bin davon überzeugt, dass das schwindende Vertrauen vor allem mit dem Stil und dem Umgang zu tun hat, von dem sich immer mehr abwenden. Deshalb ist es mir so wichtig, dass wir es in der Steiermark anders machen. Dass wir ein Modell der Politik leben, einen steirischen Weg gehen, wo es um das gemeinsame Erreichen von Zielen für das Land geht und nicht um untergriffigen politischen Kampf. Wir sind eine Landesregierung, die nicht nur arbeitet, sondern wirklich auch zusammenarbeitet. Wir pflegen auch einen ganz anderen, offeneren Umgang mit den Oppositionsparteien, als das in anderen Ländern oder insbesondere im Bund der Fall ist. Und wir führen auch keine Scheindebatten über irgendwelche Begrifflichkeiten. Wir beschäftigen uns in unserer politischen Arbeit mit den Themen, die den Steirerinnen und Steirern wichtig sind.

 

Die Notarztbezahlung wurde im Vorjahr verbessert, die Klagen über nicht besetzbare Notarztdienste sind seither sehr leise geworden. Also kann man mit der Bezahlung offenbar doch lenken?

Ja, und es ist auch menschlich verständlich. Man kann einem Arzt nicht erklären, dass er in einem Ort im Grenzgebiet einen Notarztdienst machen soll, wenn er wenige Kilometer weiter in einem anderen Bundesland dafür besser bezahlt wird. Hier haben wir nachgebessert und sind uns auch mit den Expertinnen und Experten einig, dass die telemedizinischen Möglichkeiten ausgebaut werden sollen. Mit dem engmaschigen bodengebundenen Notarztnetz und drei Rettungshubschraubern für unser Bundesland – zwei davon im 24-Stunden-Einsatz – haben wir auch aus der Luft eine Notfall-Versorgung geschaffen, die es kaum in einer anderen Region gibt. Da sind wir gut aufgestellt und ich möchte mich bei allen Ärztinnen und Ärzten herzlich bedanken, die im Notarztwesen in unserem Land tätig sind und tagtäglich Leben retten!

 

Das Leitspital in Stainach ist nach wie vor ein Riesenprojekt, aber auch ein großer Aufreger. Wie lassen sich die Gemüter beruhigen?

Es ist nicht nur ein Riesenprojekt, es ist auch ein wirklich wichtiges Projekt für die Gesundheitsversorgung im Bezirk Liezen. Das Leitspital in Stainach wird mehr Qualität, mehr Leistung und mehr Angebot bringen. Wir sehen aktuell, wie schwer es ist, die Diensträder an einzelnen Krankenhausstandorten aufrechtzuerhalten. Darum wird jeden Tag gekämpft, weil einzelne Personalausfälle schon ganze Abteilungen ins Wanken bringen können. Dass ein großes, modernes und gut ausgestattetes Krankenhaus in der „Mitte“ des Bezirkes notwendig ist, um die bestmögliche Spitalsversorgung für die Zukunft sicherzustellen, haben Fachleute – unter ihnen auch führende Ärztinnen und Ärzte aus den Krankenhäusern des Bezirkes – schon lange klargestellt. Es ist völlig nachvollziehbar, dass so ein großes Projekt für Verunsicherung sorgt. Deshalb muss man auch immer wieder die Beweggründe für dieses Projekt, den großen Nutzen, hervorstreichen, die vielen Vorteile aber auch die Notwendigkeit aufzeigen. Da braucht es mit Sicherheit noch einige Anstrengungen. Die Verunsicherungen abzubauen ist aber nicht nur eine Frage der Kommunikation, sondern auch der Begleitmaßnahmen in der regionalen Gesundheitsversorgung. Die gilt es ehestmöglich festzumachen. Dann werden auch die Vorteile und die Notwendigkeit dieses Projekts wieder in den Vordergrund treten.

 

Fotos: Land Steiermark

 




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