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AERZTE Steiermark 09/2023

 

Wie viel ärztliche Aufklärung ist die richtige Dosis?

Ist eine umfassende Aufklärung nötig, oder reicht eine kurze? Soll man eine Aufklärung mit oder ohne Skizze und Notizen machen? Antworten auf diese und ähnliche Fragen geben die Medizinrecht-Spezialisten ...

Daniel Heitzmann & Stefan Kaltenbeck

Wer ist überhaupt aufzuklären, der Patient oder z. B. der Erwachsenenvertreter? Welche Folgen hat eine mangelnde bzw. vollständige Aufklärung? Was ist also die richtige Dosis, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein – hier ein Überblick.


Warum Aufklärung?

Es liegt in der freien Entscheidung des Patienten, ob und inwieweit er eine Heilbehandlung an sich vornehmen lässt; er hat das Selbstbestimmungsrecht, in die vom Arzt empfohlene Behandlung einzuwilligen oder diese abzulehnen. Die ärztliche Aufklärung hat den Zweck, den Patienten in die Lage zu versetzen, eine Entscheidung für oder gegen eine Behandlung zu treffen. Dafür muss er über seine Erkrankung, deren Verlauf, die möglichen Therapiemaßnahmen und die damit verbundenen Chancen und Risiken Bescheid wissen. Nur mit diesem Wissen kann er eine selbstbestimmte Einwilligung zur Behandlung geben.

Fehlt die Einwilligung des Patienten zur Behandlung oder ist sie mangelhaft – z.B. weil sie unvollständig, unrichtig oder zu spät erfolgte – handelt es sich um eine durch den Arzt verwirklichte eigenmächtige (und damit rechtswidrige) Heilbehandlung, die für den Arzt straf-, schadenersatz- und disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.


Wer klärt auf?

Die Aufklärungspflicht trifft den behandelnden Arzt. Sie darf nicht an nichtärztliches Personal übertragen werden, steht also unter Arztvorbehalt. Der niedergelassene Arzt hat die Aufklärung persönlich zu erteilen. In Krankenanstalten, Primärversorgungseinheiten oder Gruppenpraxen hat der Rechtsträger dafür zu sorgen, dass der Patient durch ärztliches Personal aufgeklärt wird.


Wer ist aufzuklären?

Ein Patient kann nur dann in eine medizinische Behandlung einwilligen, wenn er entscheidungsfähig ist. Das ist dann der Fall, wenn er erstens den Grund und die Bedeutung der Behandlung einsehen kann, zweitens in der Lage ist, aufgrund dieser Einsicht seinen Willen zu bilden und drittens sich nach seinem Willen verhalten kann. Die Entscheidungsfähigkeit muss für den jeweiligen Einzelfall, also für die anstehende Behandlung vorliegen. Ist der Patient entscheidungsfähig, ist selbstverständlich dieser aufzuklären. Ist er es nicht, muss die Einwilligung in die Behandlung vom gesetzlichen Vertreter (bei Minderjährigen), vom Vorsorgebevollmächtigten/Erwachsenenvertreter oder vom Gericht erteilt werden; dann sind diese aufzuklären – neben dem Patienten, mit dem auch ein entsprechend angepasstes Aufklärungsgespräch durchzuführen ist.


Wann erfolgt die Aufklärung?

Die Aufklärung muss – naturgemäß – vor der medizinischen Behandlung erfolgen. Die Frage, wieviel Zeit zwischen Aufklärung und Einwilligung verstreichen muss, ist nach dem jeweiligen Einzelfall zu beantworten.

Grundsätzlich muss der Patient eine angemessene Überlegungsfrist für seine Entscheidung haben. Wie lange diese sein muss, hängt von der Dringlichkeit und der Tragweite der Behandlung ab: Je dringender die Behandlung, desto kürzer kann dieser Zeitraum sein; je schwerwiegender die Behandlung, desto länger hat die Überlegungsfrist zu sein. Der Musterfall einer (meist) nicht dringenden, jedoch schwerwiegenden Behandlung ist die ästhetische Operation; dafür legt der Gesetzgeber eine Mindestdauer von 2 Wochen zwischen Aufklärung und Einwilligung fest.


Wie erfolgt die Aufklärung?

Die Aufklärung hat in einem persönlichen Gespräch zwischen Arzt und Patient zu erfolgen (Hinweis: bei ästhetischen Operationen ist zusätzlich zum Gespräch auch eine schriftliche Aufklärung zu leisten). Dabei ist eine für den medizinischen Laien verständliche Sprache zu wählen.

Die Unterzeichnung eines Aufklärungsformulars durch den Patienten kann das Aufklärungsgespräch nicht ersetzen. Nichtsdestotrotz ist die Verwendung solcher Formulare ratsam, da sie bei der Vorbereitung und Unterstützung des persönlichen Gesprächs hilfreich sein können. Darüber hinaus können solche Formulare auch die Beweisführung, dass ein korrektes Aufklärungsgespräch stattgefunden hat (die Beweislast liegt beim Arzt), erleichtern; es empfiehlt sich jedoch, über das von Arzt und Patient unterschriebene Formular hinaus noch weitere Notizen über die Inhalte des Aufklärungsgesprächs anzufertigen (z.B. durch handschriftliche Vermerke am Aufklärungsformular).


Worüber wird aufgeklärt?

Aufzuklären ist über die medizinische Heilbehandlung. Darunter ist nicht nur die Therapie zu verstehen, sondern alle diagnostischen, prophylaktischen und schmerzlindernden Maßnahmen sowohl der Schul- als auch der Alternativmedizin. Demzufolge ist z.B. auch über die Verabreichung von Medikamenten, kosmetische Operationen oder Organentnahmen bei gesunden Personen zum Zweck der Transplantation aufzuklären. Mit der Aufklärung ist der Patient in die Lage zu versetzen, eine selbstbestimmte Einwilligung zur Behandlung treffen zu können (sog. Selbstbestimmungsaufklärung). Dafür sind ihm die Diagnose, der Krankheitsverlauf, der Therapieverlauf und Risiken zu erklären. Neben der Selbstbestimmungsaufklärung ist die therapeutische Aufklärung zu leisten. Diese ist ein Teil der ärztlichen Behandlung und hat den Zweck, den Patienten dazu zu bewegen, bestmöglich an seinem Heilerfolg mitzuwirken (Beispiele: Änderung von Lebensgewohnheiten, Einnahme von Medikamenten, nötige Nachbehandlungen).


Umfang der Aufklärung

Dieser ist an den jeweiligen Fall anzupassen. Der Maßstab dabei ist nach dem Obersten Gerichtshof die „gewissenhafte ärztliche Übung und Erfahrung unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des Krankheitsbildes“. Einzubeziehen sind die seelische Verfassung und das Verständnis des Patienten, die Art und Dringlichkeit der Behandlung sowie etwaige Risiken und Alternativen. Im Einzelnen:

Je dringender und notwendiger eine Operation, desto reduzierter kann die Aufklärung insbesondere über Risiken erfolgen. Vor allem ängstliche Patienten sollen nicht durch die Aufklärung über seltene Risiken dazu bewogen werden, eine Behandlung von vitaler Bedeutung nicht vornehmen zu lassen. Bei nicht dringlichen Behandlungen ist in jedem Fall eine möglichst umfassende Aufklärung zu erteilen.

Bei der Risikoaufklärung ist der Patient über Risiken zu informieren, die auch dann auftreten können, wenn die Behandlung lege artis durchgeführt wird; diese Risiken hat der Patient im Falle seiner Einwilligung in Kauf zu nehmen. Aufzuklären ist jedenfalls über die typischen Risiken, die mit einer Behandlung einhergehen; die Typizität eines Risikos ergibt sich dabei nicht aus der Häufigkeit seines Vorkommens, sondern daraus, dass das Risiko speziell der geplanten Behandlung anhaftet und auch bei allergrößter Sorgfalt nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Die Risikoaufklärung darf jedoch nicht überspannt werden: Über Risiken mit Eintrittswahrscheinlichkeit im Promillebereich, die einen verständigen Patienten nicht in seiner Entscheidung beeinflussen würden, sowie über in der Fachliteratur noch unbekannte Risiken muss nicht aufgeklärt werden.

Über Behandlungsalternativen ist bei echter Wahlmöglichkeit aufzuklären, nicht hingegen bei experimentellen oder veralteten Alternativen, die nur als Außenseitermethoden zur Anwendung kommen.


Wann erfolgt die Aufklärung?

Die Aufklärung darf nur in Notsituationen unterbleiben. Dies ist dann der Fall, wenn der Aufschub der Behandlung, der von der Einholung der Aufklärung des Patienten (oder seines gesetzlichen Vertreters) verursacht wird, zu einer ernstlichen Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Patienten führen würde.


Was, wenn richtig aufgeklärt wurde?

Führt der Arzt sowohl die Aufklärung als auch die Behandlung korrekt bzw. lege artis durch, hat dies zur Folge, dass er keine Schadenersatzansprüche des Patienten zu fürchten hat. Und zwar auch dann nicht, wenn sich bei der Behandlung ein schicksalhaftes Risiko verwirklicht. Das Risiko eines schicksalhaften Verlaufs trägt also der Patient.


Was, wenn nicht korrekt aufklärt wurde?

Unterbleibt die Aufklärung oder wird diese nicht korrekt durchgeführt, haftet der Arzt auch dann, wenn er die Behandlung lege artis durchgeführt hat und sich dennoch ein schicksalhaftes Risiko verwirklicht. Das Risiko eines schicksalhaften Verlaufs trägt dann der Arzt. In dieser Situation kann sich der Arzt von seiner Haftung nur dann befreien, wenn er nachweisen kann, dass der Patient auch bei korrekter Aufklärung seine Einwilligung zur Behandlung erteilt hätte. Darüber hinaus droht bei nicht durchgeführter oder mangelhafter Aufklärung auch eine strafrechtliche Verfolgung wegen eigenmächtiger Heilbehandlung gemäß § 110 Strafgesetzbuch, und zwar auch dann, wenn die Behandlung lege artis durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich um ein Privatanklagedelikt, d. h. der Patient muss den Sachverhalt anzeigen. Eine Ausnahme von der Strafbarkeit gilt in Notsituationen, in denen keine Einwilligung eingeholt werden kann.

 

Dr. Daniel Heitzmann ist Partner der Kanzlei HP+T Heitzmann Pils Tauss Rechtsanwälte in Graz mit medizinrechtlicher Spezialisierung.

Dr. Stefan Kaltenbeck, Bakk. ist Stv. Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Steiermark.

 

TIPPS

Meldung an Arbeitgeber/Versicherung: Wenn ein Patient eine mangelnde oder fehlerhafte Aufklärung mündlich behauptet oder bereits ein entsprechendes Schreiben an den Arzt richtet, so ist es für den angestellten Arzt erforderlich, eine Meldung an den Arbeitgeber und für den niedergelassenen Arzt, eine Meldung an den Berufshaftpflichtversicherer zu erstatten. Damit werden diese in die Lage versetzt, alle weiteren nötigen Schritte zu veranlassen, u.a. den Sachverhalt zu erheben und ggf. das Schreiben des Patienten zu beantworten.

AMBOSS – Anti-Mobbing-Burn-out-Supervisionsstelle der ÄK: Schnell kann bei einem entsprechenden Vorwurf der Fall eintreten, dass man sich als Arzt selbst hinterfragt, eventuell auch an sich und seinen Fähigkeiten zu zweifeln beginnt. Hier kann die AMBOSS der ÄK mit einem spezifischen Beratungsangebot weiterhelfen.

Rechtliche Erstinfo in der ÄK: Bei allgemeinen rechtlichen Fragen zur Aufklärung steht Ihnen die Rechtsabteilung der Ärztekammer gern telefonisch unter 0316-8044-31 bzw. -45 zur Verfügung.

Stefan Kaltenbeck

 

Fotos: KK, Furgler




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